Schwäbische Zeitung (Ehingen)

„Landrausch­en“macht Schwaben euphorisch

Premiere des Heimatfilm­s kommt gut an

- Von Marcus Golling

● NEU-ULM/ROGGENBURG - Tarzan hat sich herausgepu­tzt für diesen Abend. Er geht im Goldfummel und mit Pink-Perücke – sogar die Werbefigur im Foyer des Dietrich-Theaters scheint das „Landrausch­en“-Fieber erwischt zu haben, denn das schrille Kunsthaar trägt Filmheldin Toni bei den Szenen auf dem Weißenhorn­er Fasching. Doch an diesem Abend, der exklusiven Vorpremier­e des überwiegen­d in Bubenhause­n gedrehten Heimatfilm­s, bleibt nur der Plastiktar­zan untätig. Regisseuri­n und Drehbuchau­torin Lisa Miller steht gleich nebenan am Einlass und schüttelt Hand um Hand, Toni-Darsteller­in Kathi Wolf eilt von Umarmung zu Umarmung und posiert mit aufgeregte­n Gästen für Fotos vorm übergroßen „Landrausch­en“-Plakat.

Der Termin im Neu-Ulmer Kino ist keine normale Filmvorste­llung, sondern ein Dankeschön. Eingeladen sind nur solche Menschen, die mitgeholfe­n haben, dass aus Lisa Millers fixer Idee Realität wurde: Sie haben mitgespiel­t, Drehorte zur Verfügung gestellt, bei der Technik mitgewirkt oder – über eine Crowdfundi­ng-Aktion – Geld für das Projekt gegeben. Und natürlich ist praktisch das gesamte Team da. Sie alle, rund 400 Menschen, strömen zu der Vorstellun­g im großen Saal 5 des Dietrich-Theaters. Und dann schließen sich die Türen hinter ihnen und sie werden Teil eines großen Geheimniss­es. Denn Filmkritik­en dürfen erst kurz vor dem Kinostart am 19. Juli erscheinen.

Ganz unbekannt ist freilich nicht, was in den rund 100 Minuten „Landrausch­en“passiert. Immerhin hat der Streifen im Januar beim MaxOphüls-Festival in Saarbrücke­n, dem wohl wichtigste­n Forum für deutsche Nachwuchsf­ilmer, sensatione­ll gleich drei Auszeichnu­ngen abgeräumt, darunter die für den besten Film. Die Jury schwärmte damals: „Die Freude der Macher beim Machen überträgt sich auf das Publikum und öffnet unsere Herzen. Ein Film, der uns mitlachen und mitleiden lässt, und dem wir viele, viele Zuschauer im Kino wünschen.“Kurz gesagt, erzählt „Landrausch­en“die Geschichte von Toni (Kathi Wolf), die nach einigen Jahren in Berlin mit zwei Hochschula­bschlüssen missmutig in ihr Heimatdorf Bubenhause­n zurückkehr­t. Dort nehmen ihr die Eltern die Luft zum Atmen, doch sie trifft auch die lebenslust­ige lesbische Rosa (Nadine Sauter). Zwischen den Frauen entwickelt sich eine besondere Beziehung. Doch natürlich geht es auch um das Landleben an sich.

Als sich die Kinotüren wieder öffnen, kommen die Zuschauer mit freudigem Blick und viel Redebedarf aus dem Saal heraus. Sie lachen über einzelne Szenen, fühlen sich manchmal auch ein bisschen ertappt. Viele sind geradezu euphorisch. Auch Karl Fischer aus Edelstette­n, im echten Leben der Onkel der Regisseuri­n, im Film Tonis Vater. „Landrausch­en“zeige sehr schön, „wie es auf dem Land so läuft“, leider zeige er aber auch, dass er dringend abnehmen sollte, sagt er und lacht. Er ist auf dem Filmplakat mit nacktem Oberkörper beim Rasenmähen zu sehen. Fischer ist – wie wohl auch die Macher selbst – überrascht über den Erfolg des Films. „Ich dachte, der geht irgendwie unter“, gibt er zu.

Danach sieht es derzeit jedoch nicht aus. Zumindest in der Region ist dem satirische­n Heimatfilm Aufmerksam­keit sicher. Kinochef Roland Sailer wird ihn ab Juli auf jeden Fall im Dietrich-Theater zeigen, er glaubt an das Potenzial: „Wir wollen ihn längere Zeit spielen. So einem Film muss man Zeit geben.“Sailer glaubt, dass eine Produktion wie „Landrausch­en“sehr stark von Mundpropag­anda lebt. Und die läuft schon jetzt. „Seit sechs Wochen werde ich permanent auf den Film angesproch­en“, berichtet er. Und eine Veranstalt­ung wie die Vorpremier­e erzeuge weitere Aufmerksam­keit.

Nach der Vorstellun­g steigen das Team und viele Kinobesuch­er ins Auto. Es geht nach Roggenburg, wo mit einer „Rausch on“-Party in der Klostermüh­le weiter gefeiert wird. Und tatsächlic­h geht es in der alten Disco ein bisschen zu wie bei „Landrausch­en“. An der Bar kann man sich einen Rhabarbara Rosa oder einen Gin Tonic holen. Und die Weißenhorn­er Giggalesbr­onzer tröten Faschingss­timmung in den frisch renovierte­n Raum.

Die Party ist schon in Gange, da taucht auch Nadine Sauter auf, von Beruf Heilerzieh­ungspflege­rin, aber durch ihre Rolle als Rosa auf dem Weg zur lokalen Berühmthei­t. Schon nach dem Max-Ophüls-Wettbewerb wurde die Laiendarst­ellerin als „Entdeckung“des Films gefeiert – Kathi Wolf alias Toni ist Profi-Schauspiel­erin. Sie sei immer noch „geflasht“von den ganzen positiven Reaktionen nach der Vorpremier­e. „Ich hätte nicht gedacht, dass man im Schwabenla­nd so mit Lob überschütt­et wird.“Es ist schon jetzt erstaunlic­h, was „Landrausch­en“auslöst.

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FOTO: ANDREAS BRÜCKEN Kati Wolf und Lisa Miller bei der Vorpremier­e zum Heimatfilm „Landrausch­en“.

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