Wundersame Metamorphose
Es ist unglaublich, in welchem Tempo sich Nordkoreas Diktator Kim Jong-un vom schwarzen Schaf der Weltpolitik zum ernst zu nehmenden Verhandlungspartner gewandelt hat – oder vielleicht vorsichtiger gesagt – gewandelt haben will. Für die Weltöffentlichkeit galt der rundliche Machthaber aus dem bizarren altstalinistischen Reich erst als politische Witzfigur und dann als „Raketenmann“, wie ihn US-Präsident Donald Trump nannte.
Aber plötzlich wollen alle mit dem dritten Führer der Kim-Dynastie auf Augenhöhe sprechen – von Trump, über Chinas Präsident Xi, Südkoreas Staatschef Moon oder Japans Premier Abe. Der wichtigste Grund für die Metamorphose der Sphinx von Pjöngjang liegt vermutlich in der Unberechenbarkeit der US-Sicherheitspolitik des erratischen Twitter-Präsidenten Trump.
Nordkoreas Diktator musste wohl auf Drängen seiner chinesischen Genossen einsehen, dass eine Fortsetzung des Waffenpokers mit den USA für die koreanische Halbinsel und den gesamten ostasiatischen Raum ein gefährliches Spiel mit dem Feuer ist. Oder anders gesagt: Bevor er CIA-Chef Mike Pompeo nach Pjöngjang entsandt hat, erweckte Trump den Eindruck, dass er das Korea-Problem mit härtesten Sanktionen und notfalls auch mit brutaler Waffengewalt lösen will.
Auf der anderen Seite müssen die USA und ihre Verbündeten Südkorea und Japan akzeptieren, dass Nordkorea mit seinen möglicherweise atombestückten Raketen militärische Fakten geschaffen hat, die das strategische Gleichgewicht am Nordpazifik verändern. Es ist ein Patt entstanden, dass nur durch Bewegung beider Seiten wieder aufzulösen ist.
Das ist kein Prozess von Tagen oder Wochen – und wenn er auf Zeit spielt, hat Kim Jong-un die besseren Karten. Er führt eine Diktatur, die sich nicht zur realen Wahl stellen muss. Er ist jung genug, noch Jahrzehnte an der Macht zu bleiben, wenn er keinen entscheidenden Fehler begeht. Trumps Amtszeit ist dagegen endlich. Auch dies dürfte ein Grund für die Mission des künftigen US-Außenministers gewesen sein.