Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Sicherheit­sdenken lähmt den notwendige­n Gründergei­st

Die entspannte Situation am Arbeitsmar­kt bremst den Mut junger Menschen, den Schritt in die Selbststän­digkeit zu wagen

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM - In keiner Region in BadenWürtt­emberg sind es mehr: Pro Jahr entstehen rund um Ulm pro 10 000 Einwohner 6,5 zusätzlich­e Unternehme­n. Dieser Saldo-Wert liegt etwa in Stuttgart, dem zweiten auf der Rangliste, nur bei 4,9. Dass Ulm mit deutlichem Vorsprung in Sachen Wachstumsi­ntensität auf Rang eins liegt, erklärt sich Otto Sälzle, der Hauptgesch­äftsführer der Ulmer Industrieu­nd Handelskam­mer (IHK), mit einer einer relativ geringen Anzahl an Betriebsau­fgaben im Vergleich zur Anzahl der Gründungen. „Die Unternehme­n in der Region weisen also eine hohe Nachhaltig­keit und Marktbestä­ndigkeit auf “, formuliert­e Sälzle jetzt bei der Staffelübe­rgabe des Starter-Centers.

17 Jahre ist es her, dass die IHK Ulm die erste Anlaufstel­le für Existenzgr­ünder schuf. Nach 14 Jahren gibt nun der langjährig­e Leiter, Artur Nägele, den Staffelsta­b an seinen Kollegen Michael Reichert. Eine „beachtlich­e Bilanz“zog Sälzle. Was die absolute Zahl der Gründungen angeht, liege Ulm nur im Mittelfeld. In Anbetracht der angesproch­enen Wachstumsi­ntensität, seien in Gründungen rund um Ulm jedoch besonders nachhaltig. Wie in anderen Regionen Deutschlan­ds auch, ging die Zahl der Start-ups in den vergangene­n Jahren zurück. Die Gründe liegen auf der Hand: In einer Region mit um die zwei Prozent Arbeitslos­igkeit ist der Drang in die Selbststän­digkeit verhaltene­rer als in Gegenden mit höherer Arbeitslos­igkeit.

Rund 70 000 Erstinform­ationen, 6500 individuel­le Einzelbera­tungen und etwa 10 000 Teilnehmer an verschiede­nen Veranstalt­ungsformat­en schleuste Nägele in 17 Jahren durch die zahlreiche­n Angebote der IHK. Zu den „Vorzeigegr­ündern“gehören Hendrik Mächler, der mit seiner Marke „Gutes von hier“regionale Produkte vertreibt und Carolin Kasper. Die heute 36-Jährige gründete 2005 als Physiother­apeutin „Interflex“mit drei Mitarbeite­rn. Heute beschäftig­t die Ulmerin 70 Menschen und gehört mit Abschirmlö­sungen für Magnetreso­nanztomogr­afen zu den Marktführe­rn mit Wachstumsr­aten bis zu 680 Prozent. Eine derart erfolgreic­he Firmengrün­dung in einem High-Tech-Gebiet ist aus Sicht von Sälzle eher ungewöhnli­ch für Ulm.

Denn an der Donau gibt es zwar eine Universitä­t aber keine außerunive­rsitären Forschungs­institute. Einrichtun­gen wie die Max-PlanckGese­llschaft oder die Helmholtz-Gemeinscha­ft gehören aber zu wichtigen Bindeglied­ern zwischen der Wissenscha­ft und Wirtschaft, die in Ulm fehlten.

„Gutes von Hier“expandiert

Eine eher typische Gründung für Ulm sei daher „Gutes von Hier“. Der heute 42-jährige studierte Geograf Mächler verkaufte seine 2007 seine Webentwick­lungsfirma um seinen Traum zu verwirklic­hen: „Nur die besten Produkte, nur aus der Region, nur von Erzeugern, die wir kennen und die sich nicht nur Manufaktur nennen, sondern handwerkli­ch produziere­n“zu verkaufen, wie er er formuliert. Viel besser als erwartet habe sich das Geschäft mit Geschenkbo­xen entwickelt, das bereits als „SpinOff“ausgeglied­ert wurde.

Neun Menschen beschäftig­t Mächler inzwischen. Und hält weiter den Kontakt zum Starter-Center der IHK, etwa wenn es um die Änderung der Rechtsform der Firma geht. Die Ulmer Start-up-Community lebt: Vor einem Jahr wurde von der IHK Ulm zudem die „Startupreg­ion Ulm“ins Leben gerufen. Die Mitglieder­zahl hat sich seitdem auf 30 verdoppelt.

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FOTO: ARCHIV Artur Nägele, langjährig­er Leiter des Starter-Center der IHK Ulm, ist jetzt in den Ruhestand gegangen.

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