Raser, Radar und Routine
Viele Bürger verurteilen den Blitzmarathon als Geldmacherei Polizei setzt auf den Faktor Aufmerksamkeit
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LANDKREIS NEU-ULM - Ein unscheinbares Piepen ertönt aus dem Computer in Wolfgang Watzls Kleinbus. Um 7.45 Uhr hat er seinen Polizeiwagen an der Stelle geparkt, an der er fünf Stunden lang Geschwindigkeitskontrollen macht – kurz vor der Ortseinfahrt Aufheim. 112 Stundenkilometer zeigt das Gerät an, 80 wären erlaubt. „Das war der Schnellste bisher“, sagt der Polizist. Was den Fahrer nun erwartet: Ein Punkt in der Verkehrsbehörde Flensburg und eine Geldstrafe von 70 Euro.
Von der Verkehrspolizei NeuUlm sind außer Watzl vier weitere Beamte mit zwei Messfahrzeugen im Dienst. Denn an diesem Tag ist das sechste Jahr in Folge 24-StundenBlitzmarathon in Bayern, und doch ist irgendwie alles normal, zumindest wenn man den Polizisten fragt. Watzl ist seit mehr als 20 Jahren täglich als Messbeamter im Einsatz. Er blitzt vor allem vor Schulen und Kindergärten im Kreis Neu-Ulm und Günzburg.
Die Messtechnik habe sich verändert, sagt er. Heute braucht er nur 20 Minuten, um seine Radarfalle einzurichten. Der Messkasten mit Kamera wird an den Straßenrand gestellt. Die Sensoren sind auf die jeweilige Höchstgeschwindigkeit programmiert, der Zeitpunkt, an dem das Fahrzeug den ersten Sensor passiert, wird gespeichert. Sollte das Fahrzeug schneller am zweiten Sensor vorbeifahren als berechnet, wird geblitzt. All das geschieht automatisch: Doch wenn sich eine Wolke vor die Sonne schiebt, muss Watzl aufmerksam sein und wie ein Fotograf die Belichtung der Kamera anpassen. Sonst besteht die Gefahr, dass das Kennzeichen nicht erkennbar ist. Und wenn alle Einstellungen stimmen, sitzt der Beamte konzentriert am Messcomputer und beobachtet die vorbeibrausenden Fahrzeuge.
Der Kritik, der Marathon habe keine nachhaltige Wirkung, widerspricht Jürgen Krautwald, Polizeihauptkommissar und Pressesprecher in Kempten, nicht. „Süffisant ausgedrückt sagen natürlich viele Menschen: Heute pass’ ich mal auf, morgen gebe ich wieder Gas“, so der Pressesprecher. Das lasse sich nicht vermeiden. Aber eine Wirkung habe man dennoch erreicht, denn die Aktion sei „in aller Munde“. Sie ziele vor allem auf die mediale Aufmerksamkeit ab, darauf dass das Thema im Hinterkopf der Leute bleibt.
Und: Im vergangenen Jahr wurden am Tag des Marathons laut Polizei tatsächlich weniger Menschen in der Region geblitzt. Eine erfolgreiche Aktion also? Wolfgang Watzl versteht den Hype um den Marathon nicht. Er kontrolliert etwa vier bis fünf Mal pro Jahr zwischen Aufheim und Senden, und spürt kaum einen Unterschied. „Die Leute fahren heute nicht anders als sonst“, sagt er.
Keine persönliche Ansprache
Ihm ist aber wichtig zu betonen: Die Radarkontrollen sind eine Sicherheitsmaßnahme und nicht willkürlich platziert, Geschwindigkeitsbegrenzungen haben einen Grund. „Manchmal kommen die Leute, die geblitzt werden, zurück, um nach ihrer Geschwindigkeit zu fragen“, erzählt er, doch diese Einsicht sei selten. Abgesehen davon kommt er mit den Menschen, die in seine Kontrolle geraten, nicht in Kontakt – auch wenn er sie gern persönlich aufklären würde. „Um einzelne Personen aus dem Verkehr zu holen, haben wir zu wenig Personal“, sagt er. Es piept erneut, ein grauer Wagen ist mit 26 Stundenkilometern über der erlaubten Geschwindigkeit in die Radarfalle gerauscht. Auch ihn wird der Polizist nicht persönlich zum, wie er sagt, „ordentlichen Fahren“bewegen können. Das muss der Strafzettel alleine tun.