Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Kunst mit dem Mut der Verzweiflu­ng

Isabelle Konrad setzt sich künstleris­ch mit der täglichen Informatio­nsflut auseinande­r - Auch ein anderes Projekt der 20-Jährigen kommt gut voran

- Von Marcus Golling

● WEISSENHOR­N - Das Projekt „24/7“war schon so gut wie gescheiter­t – und Isabelle Konrad am Rande der Verzweiflu­ng. Die Weißenhorn­erin wollte sich für ein wissenscha­ftliches Projekt jeden Tag dem Dauerbesch­uss der Neuigkeite­n ergeben: drei Tageszeitu­ngen, Facebook-Updates in festgelegt­en Abständen, Tagesschau. Die 20-Jährige, die inzwischen Medienkuns­t an der HfG Karlsruhe studiert, wollte herausarbe­iten, was die Menschen bewegt, was wichtig ist. Das Problem: Sie ging in der Nachrichte­n-Flut unter. „Ich konnte nicht mehr filtern“, erzählt sie. Doch, anstatt die weiße Flagge zu hissen, verwandelt­e sie „24/7“in ein Kunstproje­kt, das nun im Weißenhorn­er Neuffensch­loss zu sehen ist: kein Dokument des Scheiterns, sondern Kunst mit dem Mut der Verzweiflu­ng.

Inspiriert von dem Künstler Jürgen Klauke, der Anfang der 80er- Jahre Langeweile zum Thema einer Fotound Videoarbei­t machte, verarbeite­te Konrad ihre Überforder­ung kreativ. Sie brachte all die Zeitungen, ausgeschni­ttenen Artikel und ausgedruck­ten Facebook-Beiträge in ein Hochschula­telier. Dort machte sie Video- und (mit dem Selbstausl­öser) Schwarzwei­ß-Fotoaufnah­men von sich selbst im Kampf mit den gedruckten Informatio­nen: wütend und schreiend, das Papier zerreißend, manchmal aber auch erschöpft und resigniert. Zwar konzeptuel­l durchdacht, aber nicht bis ins Detail geplant, sondern spontan, performati­v, fast tänzerisch. Zwölf Stunden lang.

Gewinnerin des Jugendkuns­tpreises Weißenhorn

Eine Arbeitswei­se, die gut zu Isabelle Konrad passt, denn Spontaneit­ät und eine gesunde Respekt- und Angstlosig­keit begleiten sie schon seit einigen Jahren. 2014 gewann sie den Jugendkuns­tpreis Weißenhorn. Er habe schon damals gemerkt, welches Potenzial in Konrad steckt, sagt Weißenhorn­s Museumslei­ter Matthias Kunze. 2015, immer noch minderjähr­ig, reichte sie selbstbewu­sst eine Fotoarbeit bei der altehrwürd­igen „Triennale Ulmer Kunst“ein – und schaffte es in die Endauswahl. Nicht zuletzt arbeitet sie seit 2017 auch an ihrem eigenen Spielfilm „Small Deaths“, der im Herbst fertig werden soll. Normalerwe­ise mache man so etwas als Abschlussa­rbeit, sagt sie und lacht. „Aber ich fahre ganz gut, wenn ich nicht nachdenke.“

Dieser Geist des Einfach-mal-Machens ist es auch, der die zur Reihe „Moderne im Schloss“gehörende Ausstellun­g sehenswert macht. Was sofort auffällt, ist die filmische Ästhetik: Die Bilder zeigen Bewegungen, nicht Zustände. Sie mache keinen Unterschie­d zwischen ihren Fotound Videoarbei­ten, erstere betrachte sie als Standbilde­r aus Videoseque­nzen. Besonders gelungen ist dies bei dem mehrteilig­en Exponat, das die Ausstellun­g abschließt: Die Serie zeigt, wie sich die zunächst komplett von Zeitungspa­pier umhüllte Konrad langsam von diesem befreit – und am Ende selig ein Nickerchen auf den zerknüllte­n Nachrichte­n macht. Zu viel Informatio­n macht müde. Sehr müde.

Projekt 24/7“von Isabelle Konrad läuft noch bis 6. Mai. Geöffnet an den bekannten Geschäftsz­eiten sowie Samstag und Sonntag, jeweils 14 bis 17 Uhr.

 ?? FOTO: ANDREAS BRÜCKEN ?? Mitten in der Informatio­nsflut: Isabelle Konrad vor einigen ihrer Fotoarbeit­en im Weißenhorn­er Neuffensch­loss. Vorsicht Raumpflege­r: Das zerknüllte Papier im Vordergrun­d gehört auch zur Ausstellun­g.
FOTO: ANDREAS BRÜCKEN Mitten in der Informatio­nsflut: Isabelle Konrad vor einigen ihrer Fotoarbeit­en im Weißenhorn­er Neuffensch­loss. Vorsicht Raumpflege­r: Das zerknüllte Papier im Vordergrun­d gehört auch zur Ausstellun­g.

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