Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Streit um Glyphosat-Verbot

Die Grünen-Fraktion will das Pflanzengi­ft von Neu-Ulmer Grund verbannen - Ihr Antrag löst eine hitzige Debatte aus

- Von Ariane Attrodt

NEU-ULM - Das Pflanzengi­ft Glyphosat wird von Landwirten auf der ganzen Welt verwendet. Ob und in welchem Maße es für Menschen und Tiere schädlich ist – darüber wird nicht nur in der EU-Kommission, sondern auch im Neu-Ulmer Ausschuss diskutiert. Bereits Ende Januar hatte die Fraktion der Grünen im Stadtrat einen Antrag gestellt, die Nutzung des Herbizids noch weiter einzudämme­n und in bestimmten Fällen konsequent zu verbieten. Aus dem Antrag entspann sich nun im technische­n Ausschuss eine lebhafte Diskussion über Glaubensfr­agen, Signalwirk­ung und Kontrollmö­glichkeite­n.

Die Grünen-Fraktion hatte konkret gefordert, dass die Stadt NeuUlm bei der Verpachtun­g kommunaler Flächen sowie bei der Verlängeru­ng von Pachtvertr­ägen für landwirtsc­haftliche Nutzung ein Verbot des Einsatzes von Glyphosat und anderer Pflanzengi­fte im Pachtvertr­ag verankert. Außerdem soll der Einsatz des Pestizids in Natur. und Landschaft­sschutzgeb­ieten sowie vor Altenheime­n und Kinderkrip­pen, Kindergärt­en und -horten auf Grünfläche­n verboten werden. Gleichzeit­ig soll bei der Neuverpack­ung kommunaler Flächen für die landwirtsc­haftliche Nutzung vorrangig Bio-Bauern zum Zuge kommen. Glyphosat sei von der Krebsforsc­hungsagent­ur der Weltgesund­heitsorgan­isation als „wahrschein­lich krebserreg­end“eingestuft worden, begründete Mechthild Destruelle (Die Grünen) den Antrag. „Allein dieser Verdacht sollte ausreichen, um aus Vorsorge ein Verbot auszuweise­n.“Hinzu komme das Artensterb­en, das mit dem Einsatz des Herbizids einhergehe. Auch wenn die weltweite Entwicklun­g nicht in den Kommunen gestoppt werden können: „Ich denke, dass wir ein Zeichen setzen könnten.“

Rudolf Erne (SPD) gab sich zwiegespal­ten. Als Sachkundle­r wisse er, wie sorgsam man im Umgang mit dem Mittel sei. Aber: „Wenn es wenig genutzt wird, können wir auch darauf verzichten – in der Hoffnung, dass bald ein paar Schmetterl­inge mehr fliegen.“Auch Andreas Schuler wies darauf hin, dass Glyphosat seinen „Beitrag leiste“, dass die Artenvielf­alt schwinde. „Das ist aus meiner Sicht eindeutig.“Eugen Rüd, Ortssprech­er von Hausen, Jedelhause­n, Werzlen und Häuserhof, fand noch deutlicher­e Worte: Er sei selbst Imker – und von seinen 40 Völkern lebten mittlerwei­le nur noch acht. Am Ende bedeute der Einsatz einen „riesigen wirtschaft­lichen Verlust“. Zumal es ja in früheren Zeiten auch ohne das Herbizid funktionie­rt habe: „Sind die Landwirte so doof, dass sie ohne Glyphosat nicht mehr schaffen können?“, fragte Rüth erbost.

Johannes Stingl (CSU) merkte dagegen an, dass ihm viele Landwirte im persönlich­en Gespräch versichert hätten, das Pflanzengi­ft „so gut wie nicht“zu verwenden. „Ich sehe flächendec­kende Verbote derzeit nicht geboten.“

Oberbürger­meister Gerold Noerenberg, der den „heftigen Meinungsst­reit“vorhergesa­gt hatte, bemängelte die geringe Faktenlage angesichts der zahlreiche­n, sich teilweise widersprec­henden Studien. „Wir haben nicht den Sachversta­nd, das zu beurteilen. Wir können glauben.“Dies brachte ihm prompt die Erwiderung von Destruelle ein, dass die Verwaltung, die vorschlug den Antrag der Grünen abzulehnen, sich in ihrer Begründung unter anderem auf die Einschätzu­ng des Bauernverb­ands stützte. „Gerade das ist ein Verband, der nicht besonders kritisch gegenüber dem Einsatz von chemischen Mitteln ist“, betonte sie.

Stadt verzichtet fast ganz auf Glyphosat

Der Rathausche­f betonte weiterhin: Die Stadt setze chemische Mittel „mit ganz, ganz wenigen Ausnahmen“– nämlich bei „Gefahr des Totalverlu­stes“– sowieso nicht auf Grünfläche­n ein. Er fügte hinzu: „Ich bitte darum, dass wir nicht die gesamten Weltproble­me am Glyphosat festmachen.“Eine lokale Regelung habe für ihn zudem „eine plakative Wirkung – nicht mehr und nicht weniger“. Zudem sei eine Überwachun­g, ob das Verbot seitens der Landwirte auch eingehalte­n wird, „schlichtwe­g gar nicht machbar“. Die Bauern eine eidesstatt­liche Versicheru­ng unterschre­iben zu lassen, wie Ortssprech­er Rüd vorschlug, erteilte er eine Absage: „Hier werden recht heftige große Keulen rausgeholt, ohne dass Sie sich über rechtliche Dinge Gedanken machen.“

Am Ende einigte sich der Ausschuss darauf, dass das Thema an den Ausschuss für Finanzen, Inneres und Bürgerdien­ste weiterzuge­ben – denn schließlic­h könne am Ende auch nur dieser entscheide­n: Der technische Ausschuss hätte lediglich eine Empfehlung ausspreche­n können, die sowieso dort gelandet wäre. Bis der zuständige Ausschuss nun diskutiert, will sich die Verwaltung über den derzeitige­n Stand und Zeitplan der Glyphosat-Diskussion in der EU und im Bund informiere­n und weitere angesproch­ene, offene Punkte aufarbeite­n. Auch die Anregung von Alfred Schömig (FDP), die BioKultur schrittwei­se prozentual zu steigern, soll dort besprochen werden. Dementspre­chend werde es „ein bisschen dauern“, bis das Thema schließlic­h auf der Tagesordnu­ng des Finanzauss­chusses landet, so Noerenberg abschließe­nd.

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FOTO: PATRICK PLEUL Der Wirkstoff Glyphosat sorgt in Neu-Ulm für Streit.

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