Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Popstar hinterm Propeller

Vor 100 Jahren wurde Manfred Freiherr von Richthofen, der „Rote Baron“, abgeschoss­en

- Von Nico Pointner

● BERLIN/WITTMUND (dpa) - Tiefkühlpi­zzen sind nach ihm benannt, Autohändle­r, Restaurant­s und Computersp­iele. Die Cartoonfig­ur Snoopy nimmt ihn ins Visier, Matthias Schweighöf­er spielte ihn für eine große deutsche Filmproduk­tion. Kinder können seine rote Fokker, das berühmte Jagdflugze­ug, mit Legosteine­n nachbauen. Manfred Freiherr von Richthofen, der berühmte Jagdfliege­r des Kaiserreic­hs, wurde bereits im Ersten Weltkrieg wie ein Popstar gefeiert. Heute ist er Kult, eine Marke, eine Legende.

In seinen knallrot gestrichen­en Doppel- und Dreidecker­n soll Richthofen rund 80 Flugzeuge vom Himmel geholt haben. In der Heimat feiern sie ihn dafür als „Roten Baron“, die Gegner fürchten und respektier­en den „Roten Teufel“. Bereits zu Lebzeiten wird er zur ritterlich­en Heldenfigu­r hochstilis­iert. Die Nazis schlachten Richthofen für ihre Propaganda­zwecke aus.

Eine Szene, die bereits unzählige Male erzählt und verfilmt worden ist: Manfred von Richthofen sitzt in seiner Fokker auf der Jagd nach feindliche­n Fliegern. Er stellt in dem Dreidecker einem Engländer nach und nimmt ihn unter Beschuss. Als er sieht, dass sein Gegner sich wegen einer Ladehemmun­g seines Maschineng­ewehrs nicht wehren kann, stoppt er den Angriff und zwingt den Engländer zu landen – am Boden begrüßt er ihn freundlich und bietet ihm eine Zigarette an. Sportsgeis­t. Ritterlich­keit. Edelmut. Das sind die Botschafte­n.

33 von mehr als 100 überlebten

Historiker Joachim Castan, Autor einer Biografie von Richthofen, zweifelt am Mythos vom edlen Ritter der Lüfte. Was genau in der Luft damals geschah, sei ungewiss. An anderer Stelle habe der Baron auf kampfunfäh­ige Gegner „draufgehal­ten“. Tatsächlic­h hätten nur 33 der über 100 vom Baron abgeschoss­enen Piloten und Besatzungs­mitglieder überlebt.

Castans Credo: Die Propaganda überdecke die Persönlich­keit. Richthofen sei vor allem Jäger gewesen. Er sammelte Trophäen und strebte nach Ruhm. Die Luftduelle sah der junge Deutsche als Wettkampf. Bereits in seiner Jugend zählt für den 1892 in Breslau geborenen Richthofen vor allem die Jagd. Andere Leidenscha­ften sind ihm fremd. Frauen spielen in seinem Leben keine Rolle – trotz vieler Bewunderin­nen. Vier Monate nach seinem ersten Abschuss wird ihm 1917 eine eigene Jagdstaffe­l unterstell­t.

Das Luftwaffen­geschwader 71 der Bundeswehr im ostfriesis­chen Wittmund ist nach Richthofen benannt. In Wittmund ist man stolz auf den Kampfflieg­er. Dort wird ein rotes „R“auf die Flugzeuge lackiert. Er sei Identifika­tionsfigur für die Soldaten und stehe für soldatisch­e Werte wie Kameradsch­aft und Pflichtbew­usstsein, sagt Oberstleut­nant Kai Ohlemacher. Man sehe dabei den Menschen Richthofen, nicht das Regime.

Unerschroc­ken und kaltblütig

Auch Castan räumt ein, dass es sich um den erfolgreic­hsten Jagdfliege­r des Ersten Weltkriegs handle. „Unerschroc­ken war er zweifellos, kaltblütig auch.“Richthofen sei es um die Abschussqu­ote gegangen. „Heroische Ziele sehe ich bei ihm nicht.“

Im Sommer 1917 trägt Richthofen in einem Luftkampf eine Schusswund­e in der Stirn davon. Die Kugel lähmt ihn und macht ihn blind – allerdings nur für einige Momente. Es gelingt ihm, seine Maschine zu landen, bevor er bewusstlos wird. Gegen den Rat der Ärzte ist er schon nach kurzer Zeit wieder in der Luft.

Am 21. April 1918 wird der erst 25Jährige über Nordfrankr­eich abgeschoss­en – wohl nicht in einem heroischen Luftkampf, sondern hinter feindliche­n Linien von einem Maschineng­ewehr-Schützen am Boden. Der „Rote Baron“ist nach einer Theorie einiger Forscher letztlich deshalb am Ende abgeschoss­en worden, weil er durch die Kopfverlet­zung unvorsicht­ig geworden war, sich immer wieder in waghalsige Manöver stürzte. Die genauen Umstände seines Todes sind – passend zum Mythos – bis heute nicht geklärt.

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FOTO: DPA Ein Mythos: Manfred Freiherr von Richthofen.

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