Warum Italien weiterhin keine Regierung hat
D● as hat es im Italien der Nachkriegszeit noch nie gegeben: Über zwei Monate nach der Parlamentswahl vom 4. März hat das Land keine neue Regierung. Die Wahlsieger – die rechte Lega und die populistische Fünf-Sterne-Bewegung M5S – haben sich nicht auf eine Koalition geeinigt.
Versuche, Verhandlungen zwischen M5S und der Mitte-Links-Partei Partito Democratico (PD) zu starten, sind an Matteo Renzi gescheitert. Der Ex-Premier und Ex-PD-Chef polterte auf allen Kanälen gegen einen ersten Dialog mit M5S – in klarem Widerspruch zum aktuellen PD-Vorsitzenden Maurizio Martina, der sich dafür grundsätzlich offen gezeigt hatte. Daraufhin verwarf der PD-Vorstand mögliche Gespräche mit der M5S.
Alle drei Konsultationsversuche von Staatspräsident Sergio Mattarella, eine Regierung zu bilden, schlugen fehl. Am Montagabend erklärte Mattarella, dass er eine sogenannte „neutrale Übergangsregierung“schaffen wolle. Der Übergangsregierung soll kein Politiker vorstehen, sondern eine Person, die, hofft der Staatspräsident, die Zustimmung aller Parteien im Parlament finden wird.
Der Regierungschef wird in Italien – anders als in Deutschland – nicht vom Parlament gewählt, sondern vom Präsidenten ernannt und stellt danach im Parlament die Vertrauensfrage.
Eine Übergangsregierung soll nach Mattarellas Vorstellungen mindestens bis Jahresende regieren. Ziel sei es, wichtige finanzpolitische Entscheidungen zu treffen und ein Wahlgesetz zu verabschieden, das klare Mehrheiten garantiert.
Das bisherige Wahlgesetz – auch das verdeutlicht die Misere der italienischen Politik – war im November 2017 unter anderem mit den Stimmen von PD, Lega und der Partei Forza Italia von Ex-Premier Silvio Berlusconi verabschiedet worden. Das Ziel der Wahlrechtsreform war laut vielen Beobachtern offensichtlich: die von rechts und links mit Argwohn betrachtete M5S daran zu hindern, mit einer klaren parlamentarischen Mehrheit zu regieren.
Die vom 31-jährigen Luigi Di Maio geführte Bewegung weigerte sich wiederum beharrlich, eine Regierungsbeteiligung von Berlusconis Partei Forza Italia zu akzeptieren. Der Ex-Premier wurde 2016 rechtskräftig wegen Steuerbetrugs und Bilanzfälschung verurteilt. Der Plan der „politisch unverantwortlichen Egoisten“von Lega und der M5S, wie die Tageszeitung „Corriere della Sera“kommentiert: Neuwahlen, und zwar so bald wie möglich. Und bei denen dürfen Lega und M5S auf Stimmengewinne hoffen. Das Problem: Eine Regierung wäre wohl trotzdem nicht in Sicht.
Das früheste Datum wäre der kommende Juli. Das ist in Italien ein Ferienmonat, in dem ein guter Teil der Italiener bereits verreist ist. Noch nie hat es deshalb in Italien Wahlen im Juli gegeben. Und ein Urnengang mit dem alten Wahlgesetz würde wieder für keine klare Mehrheit im Parlament sorgen.
Neuwahlen ohne klare Mehrheit könnten auch heftige Auswirkungen für die Italiener haben – und für ganz Europa. Das Wirtschaftswachstum Italiens, das nach Jahren der Rezession endlich in Fahrt gekommen war, ist schon im ersten Quartal auf schwache 0,3 Prozent gesunken. Und weitere politische Instabilität dürfte auch auf den Finanzmärkten für Unruhe sorgen.