Mutlos, aber solide
Das Herz schlägt links, aber die Geldbörse sitzt rechts, sagen die Franzosen. Vor diesem Hintergrund gibt es bestimmt schlimmere Vorwürfe an den neuen Finanzminister Olaf Scholz als jenen, eine Art Wolfgang Schäuble 2.0 zu sein. Schließlich ist Deutschland mit seinem Vorgänger nicht schlecht gefahren. Olaf Scholz startet in einer für Finanzminister traumhaften Zeit. Mit Überschüssen, die verteilt werden können. Zu großen Teilen hat er den von seinem Vorgänger geplanten Haushalt übernommen, und der scheint solide. Eine eigene Handschrift des Sozialdemokraten ist noch nicht zu erkennen.
Große Koalitionen werden immer teuer, zurzeit kann Deutschland sie sich leisten. Das Baukindergeld kommt auf Wunsch der Union genauso wie die Erhöhung des Kindergeldes als Wunsch der SPD. Die Erhöhung der Mütterrente (CDU/ CSU) wie das Programm für Langzeitarbeitslose (SPD). Und dass mehr Geld für Bildung ausgegeben werden muss, da sind sich ohnehin alle einig. So wird mit der Gießkanne verteilt, hier ein bisschen und dort ein bisschen. Der klarste Schwerpunkt wird bei der Bildung gesetzt, und jenen, die zu wenig Investitionen beklagen, kann man entgegenhalten, dass die Milliarden, die an die Länder fließen, auch für Investitionen gedacht sind.
Trotzdem bleibt das Ganze etwas mutlos, der ganz große Aufschlag fehlt. Obwohl man ihn sich hätte leisten können. Zum Beispiel in der Wohnungspolitik, der sozialen Frage Nummer eins der Zukunft. Oder beim Entwicklungsetat. Denn vorausschauende Politik beinhaltet, Fluchtursachen vor Ort zu bekämpfen, wo immer das möglich ist.
Dass die schwarze Null gehalten werden muss, ist selbstverständlich angesichts der guten Steuereinnahmen. Scholz geht vermutlich finanzpolitisch härteren Zeiten entgegen als sein Vorgänger. Brexit und Handelszölle, Flüchtlinge und eine engere europäische Zusammenarbeit, die Herausforderungen sind hoch. Schäuble 2.0 – wenn dies auch in vier Jahren noch von Olaf Scholz gesagt wird, kann er stolz sein.