Merkel betont gutes Verhältnis zu Putin
Wladimir Putin und Angela Merkel betonen in Sotschi vor allem Gemeinsamkeiten
SOTSCHI (AFP) - Angesichts der Krise in Nahost und des von US-Präsident Donald Trump einseitig aufgekündigten Atomabkommens mit Iran, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrem Besuch in Sotschi ein gutes Verhältnis mit Russland zum „strategischen Interesse“Deutschlands erklärt. Merkel und der russische Präsident Wladimir Putin hoben nach ihren Beratungen am Freitag hervor, dass es bei allen Differenzen auch erhebliche Gemeinsamkeiten gebe. Beide betonten ihren Willen zum Dialog.
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MOSKAU - Ein Jahr lang hatten sie sich nicht mehr unter vier Augen gesprochen. Das lag nicht allein an den eisigen Beziehungen zwischen Moskau und Berlin seit der Annexion der Krim 2014. Auch die langwierige Regierungsbildung in Deutschland war Grund, warum Präsident Wladimir Putin und Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht zusammenkamen.
Mit weißen Rosen hatte Kremlchef Putin die Kanzlerin in seiner Schwarzmeer-Residenz bei Sotschi begrüßt. 90 Minuten nahm sich die Bundeskanzlerin Zeit, um mit dem Kremlchef die drängendsten Fragen zu besprechen. Ein knappes Zeitlimit, um Probleme wie Syrien, die Ostukraine und den Minsker Friedensprozess zu behandeln und darüber bilaterale Kontroversen nicht zu vergessen.
Im Vergleich zu früheren Treffen wirkten beide diesmal offener und aufgeräumt. Merkel gab sich nach dem Gespräch mit Präsident Putin denn auch zufrieden. Sie pflege mit dem Präsidenten „einen regelmäßigen, aber auch offenen Austausch“, bekräftigte die Kanzlerin. Gute Beziehungen zu Russland lägen im strategischen Interesse Deutschlands.
Bei allen Differenzen gebe es „auch Themen, bei denen wir durchaus einer Meinung sind“, sagte sie. In diesem Fall hatte der Rückzug der USA aus dem Iran-Atomabkommen Berlin und Moskau nähergebracht. Wie die EU will auch Moskau an der Vereinbarung mit Teheran festhalten – trotz Schwachstellen. Wladimir Putin tat seinerseits so, als sei am Zustand der Beziehungen zu Deutschland kaum etwas auszusetzen. Russland und Deutschland seien enge Partner, lobte er mehrfach.
Nach so viel Gemeinsamkeit betonte Merkel, dass die transatlantische Freundschaft nicht infrage stehe. Das klingt wie ein Mantra, besonders in der angespannten Lage zwischen Washington und Berlin. In Moskau kann dies jedoch nicht oft genug wiederholt werden. Der Kreml würde nur allzu gern einen Keil zwischen Europa und die USA treiben und gleichzeitig die EU zerlegen. Merkel hatte schon im Vorfeld von einem „hybriden Krieg“Russlands gegen deutsche Institutionen gesprochen.
Pipelinebau in der Schwebe
Noch nicht endgültig geklärt ist die Zukunft der Pipeline Nord Stream 2, die von Russland durch die Ostsee nach Deutschland verlegt werden soll. Unabhängig vom Widerstand der USA und einiger EU-Staaten möchte Berlin das Projekt durchsetzen. Moskau würde es lieber heute denn morgen angehen. Aus deutscher Sicht ist jedoch eine russische Zusage entscheidend: Verpflichtet sich der Kreml, auch nach Fertigstellung der Pipeline weiterhin Gas durch ukrainische Rohre zu pumpen, dürfte dem Vorhaben nichts im Wege stehen – auch wenn die USA Einspruch erheben und mit Konsequenzen drohen. Dieses Junktim könnte Moskau jedoch hinnehmen, wenn auch zähneknirschend. Der Kreml ist von Rohstoffeinnahmen abhängiger denn je.
Als ein russischer Journalist die Festnahme eines russischen Kollegen in Kiew beklagte, versprach Merkel, die Angelegenheit beim ukrainischen Präsidenten anzusprechen. Sie sei aber auch „beunruhigt“über die Behinderung der Arbeit von Journalisten in Russland, ergänzte sie. Der Haken saß.
Unklar ist auch, ob Russland tatsächlich ein Interesse hat, die Lage in der Ostukraine zu befrieden. Gespräche über die Einrichtung einer multinationalen Friedenstruppe kommen nicht voran. Putin hatte sie einst selbst angeregt. Berlin möchte die Blauhelm-Soldaten im gesamten Besatzungsgebiet bis zur russischen Grenze einsetzen. Russland möchte die Mission jedoch begrenzen: Würden die Soldaten nur an der Front stationiert, würde dies den Eindruck erwecken, dass eine Grenze durch ukrainisches Gebiet verliefe. Erst, wenn darüber Einigung erzielt sei, so Merkel, mache ein Gipfeltreffen der Regierungschefs der NormandieStaaten – Russland, Frankreich, Ukraine und Deutschland – Sinn.
Besorgt zeigte sich die deutsche Wirtschaft. Sie fürchtet, in Russland mit Sanktionen belegt zu werden, falls sie den US-Sanktionen gegen Moskau Folge leistet. Das dürfte ein Thema für die anschließenden Gespräche in größerer Runde gewesen sein.