Start – Ziel – Pool
Daniel Ricciardo trotzt in Monte Carlo allen technischen Widrigkeiten – Vettel wird Zweiter
MONTE CARLO (SID/dpa) - Mit dem berühmt-berüchtigten „Shoey“hat Daniel Ricciardo das Fürstenpaar von Monaco verschont, zumindest aber überredete der smarte Australier Albert II. und dessen Gattin Charlene zu einem Schluck aus der Champagnerflasche. Beflügelt von seinem Sieg in den Straßen Monte Carlos vor den WM-Favoriten Sebastian Vettel und Lewis Hamilton brachte der Red-BullPilot auch diesen Verstoß gegen die Adelsetikette mit viel Charme rüber. „Es war das beste Wochenende meiner Karriere“, sagte Ricciardo, der seinem Team zum 250. Grand Prix einen Start-Ziel-Sieg schenkte. Ein Spaziergang war der siebte Formel-1-Erfolg des 28-Jährigen aber keineswegs: „Zwischendurch hatte ich große Probleme. Die Leistung war plötzlich weg, ich hing im sechsten Gang, ich dachte schon, es wäre gelaufen.“
Die „MGU-K“in seinem Red Bull – der Teil des Hybrid-Antriebsstrangs, der kinetische Energie in Strom umwandelt – hatte nach dem ersten Renndrittel gestreikt, dennoch hielt Ricciardo seine Jäger um FerrariChauffeur Vettel eindrucksvoll hinter sich. „Du hast es gemacht wie Michael Schumacher 1994 in Barcelona“, adelte ihn Teamchef Christian Horner nach der Zieldurchfahrt denn auch. Formel-1-Rekordweltmeister Schumacher hatte vor 24 Jahren auf dem Circuit de Catalunya über weite Strecken nur den fünften Gang zur Verfügung und wurde Zweiter. „Daniel hatte ein echt ernstes Problem, er hat es aber auf unglaubliche Weise hinbekommen. Ich denke nicht, dass das ein anderer Fahrer so geschafft hätte“, lobte auch Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko.
Hamilton mit Schadensbegrenzung
Vettel, der 2011 selbst für Red Bull in Monaco gewonnen hatte, gab Ricciardo schon einmal einen Vorgeschmack, was die Crew nach dem Sieg mit ihm anstellen würde: „Er landet heute noch im Pool, ganz sicher. Wenn er sich anstellt, werden ihm die Jungs schon helfen“, sagte Vettel. Doch Ricciardo stellte sich nicht an: Mit einem feierlich ausgeführten Bauchplatscher sprang er wenig später freiwillig in den Pool auf dem Dach von Red Bulls Motorhome.
Sebastian Vettel indes erreichte zwar den zweiten Platz. Wirklich zufrieden sein konnte er aber nicht: Weil Hamilton als Dritter den Schaden auf der Mercedes-Problemstrecke Monaco in Grenzen gehalten hatte, machte der Deutsche im WM-Klassement nur drei Punkte auf seinen Dauerrivalen gut. „Wir hatten heute die Geschwindigkeit, aber es war kompliziert“, sagte Vettel: „Ich hätte gerne mehr Druck auf Daniel gemacht, aber ich hatte kein großes Vertrauen in die Reifen.“Allerdings erkannte Vettel auch an: „Daniel hatte immer die richtige Antwort. Er war immer ein bisschen schneller als ich.“
Weltmeister Hamilton führt nach sechs von 21 Rennen mit 110 Punkten immer noch recht deutlich vor Vettel (96), der auch im vierten Anlauf seinen 50. Grand-Prix-Sieg verpasst hat. Ricciardo liegt trotz seines zweiten Saisonsiegs aufgrund von zwei „Nullrunden“mit 72 Zählern als WM-Dritter noch ein gutes Stück zurück.
Ricciardos Teamkollege Max Verstappen, der seine guten Chancen auf den Sieg mit einem kapitalen Crash im dritten Training zerstört hatte, kämpfte sich vom letzten Startplatz zumindest auf Platz neun nach vorne. Unter dem Strich ist der Niederländer dennoch der Verlierer des Wochenendes. Renault-Pilot Nico Hülkenberg (Emmerich) erreichte den achten Rang.
„Ich habe hier noch eine Rechnung offen“, hatte Ricciardo schon vor dem ersten Training erklärt. 2016 war dem Australier in Monaco seine erste (und bis Samstag einzige Pole Position) gelungen, den Sieg aber hatte er wegen eines Fehlers seiner Boxencrew verpasst. „Das war jetzt die Wiedergutmachung, es musste einfach klappen“, sagte er nach dem Rennen – und nahm wie immer nach Siegen einen Schluck Champagner aus seinem Rennschuh. Bislang war Ricciardo ein Spezialist für Überraschungssiege gewesen. Bei keinem seiner sechs vorherigen Erfolge startete der Australier aus der ersten Reihe, 2017 in Baku gewann er sogar von Startplatz zehn.
Vom zweiten Rang kam Vettel nun einen Tick besser weg als Ricciardo, aber der Weg zur ersten Kurve in Monaco – exakt 226 Meter – war nicht lang genug für einen ernsthaften Überholversuch. Trotz Ricciardos Technikproblemen bot sich auch in der Folge nicht die Chance auf ein Überholmanöver – im Nadelöhr Monte Carlo war mal wieder kein Vorbeikommen. Der mit 3,337 Kilometern kürzeste Kurs im Formel-1-Kalender ist extrem verwinkelt. Hier kommt es weniger auf Motorleistung, sondern vor allem auf Abtrieb in den Kurven an – genau das ist die Stärke des RB 14.
In zwei Wochen in Kanada geht es dann wieder auf eine „Mercedes-Strecke“: Auf dem Circuit Gilles Villeneuve in Montreal ist vor allem Motorleistung gefragt. Lewis Hamilton gewann dort zuletzt dreimal in Folge.