Ehinger musste kämpfen, wieder laufen zu lernen
Die Krankheit Polyneuropathie beginnt meist harmlos – Verein für Betroffene organisiert regelmäßig Treffen
●
EHINGEN - Polyneuropathie (PNP), so heißt eine seltene Erkrankung des peripheren Nervensystems, die immer häufiger auftritt. Oft beginnt es mit einem Kribbeln in den Händen oder Füßen, leider wird die Krankheit häufig zu spät erkannt. „Ich war vor kurzem noch im Rollstuhl“, sagt ein Betroffener aus Ehingen. Heute trainiert er im Center für Fitness, Ernährung und Gesundheit „Vitalis – Lojewski“im Ehinger Businesspark gegen die Folgen der Erkrankung an. Die Inhaber des Centers, Amanda und Jürgen Lojewski, halten beim nächsten Treffen des Vereins Polyneuopathie Betroffene einen Vortrag.
„Von den Knien abwärts bin ich taub“, sagt der Betroffene aus Ehingen, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. „Die Taubheit wird so bleiben“, erklärt er. Mit einem Kribbeln und Schmerzen habe es vor drei Jahren angefangen, irgendwann habe er die Füße nur noch hochgelegt. „Langsam hat die Taubheit eingesetzt. Irgendwann konnte ich nicht mehr laufen, konnte nichts mehr vom Boden aufheben.“Plötzlich saß er im Rollstuhl. „Dann kam noch die psychologische Sache dazu“, sagt der 65-Jährige. „Ich habe mich nach außen eingeigelt.“
Doch dann hat sein starker Wille eingesetzt, der ihn auch heute noch auszeichnet. Der Ehinger ist aufgestanden und hat an Krücken und Wanderstäben geübt, hat mit einem Einkaufswagen in einer Tiefgarage wieder Gehen gelernt. „Das ist wirklich Laufen lernen wie bei einem Kleinkind“, sagt Jürgen Lojewski vom Fitness- und Gesundheitscenter. Noch heute kommt der Betroffene zweimal in der Woche zu ihm zum Trainieren. „Die Geräte hier bestimmen automatisch das ideale Trainingsgewicht“, zeigt sich jener begeistert.
Das Wichtigste sei aber, „dass der Therapeut Ahnung hat“, sagt Lojewski. „Es ist eine ganz große Aufgabe, jeden da abzuholen, wo er ist.“Außerdem müsse auch der Patient mitarbeiten – und das ein Leben lang. „Wenn man nichts macht, wird es schlimmer“, sagt Lojewski. Wenn der Ehinger Betroffene heute auf einen zuläuft, erkennt man nichts von seinen Gleichgewichts- und Bewegungsproblemen. Trotzdem, erzählt er, blicke er sich beim Einkaufen noch um, ob jemand etwas an seinem Gang bemerkt. Probleme habe er etwa noch, wenn er eine Treppe hinuntersteige. „Aber wenn es so bleibt, wie es jetzt ist, will ich nicht jammern“, sagt der Ehinger.
Die Krankheit könne schon bei kleinen Kindern auftreten, sagt Albert Scheffold, der den Verein für Betroffene 2011 vorerst als Selbsthilfegruppe gegründet hatte. Auf 100 000 Menschen kämen in Deutschland ein bis zwei Betroffene, erklärt er. Die Behandlung bei akuten Fällen sei meist erfolgreich, wichtig sei aber eine frühe Diagnose, sodass die Therapie gleich einsetzen könne. Ursachen seien unter anderem Diabetes, Alkoholkonsum, Chemotherapie oder Borreliose.
Erfahrungsaustausch wichtig
Der Betroffene aus Ehingen sei aus Sicht des Gesundheitssystems austherapiert, erklärt Lojewski. Ärzte würden sich um die akuten Fälle kümmern, doch dann sei es wichtig, dass sie an Selbsthilfegruppen weitergeleitet werden, betont Scheffold. Das passiere noch zu selten. Deshalb sei für ihn die Öffentlichkeitsarbeit das A und O. Auch sollten sich Menschen, die noch nichts von PNP wissen, informieren können. Wichtig sei auch der Erfahrungsaustausch in der Gruppe. Sie ist die einzige in der Region, deshalb kommen auch Betroffene aus dem Bodensee- und Ostalbkreis zu den Treffen, die immer am ersten Mittwoch des Monats in der Sana-Klinik Laupheim stattfinden.
Beim nächsten Treffen des PNPVereins am Mittwoch, 6. Juni, referieren Amanda und Jürgen Lojewski um 14 Uhr in der SanaKlinik zum Thema Physiotherapie. Dabei geht es unter anderem um Heilmittel, Bewegung und den Einfluss von Ernährung. Um 19 Uhr findet dann ein Gesprächskreis für Werktätige statt.