Zu früh zu Hause
Bundestrainer, fast alternativlos, kann sich nur selbst entlassen – Wer dann infrage käme
Nach einem Auftritt zum Abwinken ist die deutsche Fußballnationalmannschaft am Donnerstag in die Heimat zurückgekehrt. Während die Maschine vor vier Jahren über Berlin Ehrenrunden flog, wurde es für die entthronten Weltmeister und ihren Coach Joachim Löw (Foto: dpa) eine harte Landung in Frankfurt. Es wird bereits über Nachfolger des Bundestrainers diskutiert.
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FRANKFURT (dpa/SID/fil) - Joachim Löw saß wie ein Häuflein Elend auf Platz 2C. Seine schwarz-rot-goldenen Glücksbändchen hatte der mit seiner Mannschaft so blamabel gescheiterte Weltmeistercoach längst achtlos abgelegt, als er auf dem Sonderflug nach Frankfurt hoch über den Wolken mit DFB-Präsident Reinhard Grindel, Teammanager Oliver Bierhoff und Kapitän Manuel Neuer über seine persönliche Zukunft nachdachte. Eine Antwort hatte der Bundestrainer bei der Landung am Donnerstagnachmittag in Frankfurt noch nicht parat.
„Der Schmerz hält mich noch gefangen“, sagte Löw. Und: „Ich muss mich selber hinterfragen. Es braucht Zeit, ein paar Gespräche, und dann werden wir eine klare Antwort geben“. Ein einfaches Weiter-so kann und darf es aber auch aus seiner Sicht nicht geben. „Es braucht tiefgreifende Maßnahmen, es braucht klare Veränderungen. Das müssen wir jetzt besprechen, wie wir das tun“. Dieser Nachsatz verriet immerhin eine klare Tendenz: Nach Rücktritt klang er nicht, Löw will die Scherben wohl selbst zusammenkehren. Auch wenn er sich bewusst ist: An diesem schwarzen Abend in Kasan ist etwas zerbrochen. „Vieles, das wir uns aufgebaut haben“, sei an der Wolga kaputtgegangen, sagte er.
Will Sammer noch mal Trainer werden?
Recht klar scheint am Tag danach: Löw entscheidet, er kann sich nur selbst entlassen – durch einen Rücktritt.
Für Grindel, der Löw schon vor dem Spiel gegen Südkorea eine Jobgarantie abgab, hat sich durch das WM-Debakel nichts an seiner grundsätzlichen Einschätzung des Bundestrainers geändert. Der Verband habe den Vertrag mit seinem wichtigsten Angestellten deshalb verlängert, weil er diesem den Neuaufbau der Mannschaft in Richtung EM 2020 und WM 2022 zutraue, hatte Grindel der „FAZ“gesagt. „Diese Meinung gilt für mich nach wie vor“, sagte er am Donnerstag. Und: Er habe
„keine Anzeichen“für einen vorzeitigen Abschied Löws. Zudem empfahl Grindel allen Beteiligten einen „kühlen Kopf “.
Doch Grindel erwartet von der sportlichen Leitung um Löw und Bierhoff „eine saubere Analyse“. Dann „werden wir darüber sprechen und die notwendigen Konsequenzen ziehen“. Welche? Das ist offen.
Bierhoff, der wie Löws Assistenten Thomas Schneider, Marcus Sorg und Andreas Köpke ebenfalls bis 2022 verlängert hatte, geht „fest davon
aus, dass Jogi weitermacht“.
Der Bundestrainer hat sein Tun nach jedem Turnier reflektiert. Gerne zog er sich dafür in die Sonne zurück – um nach ein paar Tagen weißen Rauch aufsteigen zu lassen: Ja, ich will (noch)! So könnte es auch diesmal kommen, meinte Bierhoff. „Die Situation ist bei ihm wie nach jedem Turnier, das muss man erstmal sacken lassen.“Bierhoff glaubt aber auch: „Die Energie kommt schnell wieder. Dann muss man die Ärmel hochkrempeln und die Mannschaft wieder auf Kurs bringen.“Er erwartet, dass Löw „im September die Sachen wieder richtig angeht“. Dann steht das nächste Länderspiel an.
Während sich eine Mehrheit der Deutschen am Tag nach dem Debakel laut einer repräsentativen Umfrage des Instituts Civey im Auftrag des Nachrichtenportals t-online.de für einen Rücktritt Löws aussprach – 55 Prozent der Befragten befürworteten einen Wiederaufbau ohne den Bundestrainer, erhielt Löw von seinen Spielern und den DFB-Funktionären also viel Zuspruch.
Auch, weil der DFB im Falle von Löws Rücktritt keinen sofortigen Plan B parat hätte. Große Lösungen wie Jürgen Klopp (FC Liverpool) oder Thomas Tuchel (Paris SaintGermain) sind nicht frei. Und ob Matthias Sammer, einst BVB-Meistertrainer, Sportdirektor beim DFB und derzeit vor allem als hochkompetenter Experte bei Eurosport tätig, noch einmal Lust hat, Trainer zu werden?
DFB-Allzweckwaffe Hrubesch
Dem Vernehmen nach war vor Löws Vertragsverlängerung in den sehr kurzen Diskussionen um mögliche Alternativen oder Notlösungen beim DFB der frühere Löw-Assistent und Ex-Hoffenheim-Manager Hansi Flick genannt worden. Dass es jetzt so kommt – ähnlich unwahrscheinlich wie eine Novizen-Lösung à la Klinsmann 2004. Miroslav Klose, in Russland Offensivtrainer und demnächst eigentlich als Jugendcoach beim FC Bayern München vorgesehen, zum Nationaltrainer machen?. Spektakulär, aber auch sehr riskant.
Zumindest als Übergangslösung denkbar wäre die DFB-Allzweckwaffe Horst Hrubesch, der Mann für alle Aufgaben. Der Ex-Nationalspieler und Kopfballungeheuer a.D. führte zahlreiche Juniorenauswahlen zu Titelehren, gewann mit der Olympiaauswahl Silber in Rio de Janeiro und ist derzeit damit beschäftigt, mal eben die wankende Frauennationalmannschaft wieder auf Kurs zu bringen.