Harte Landung
Spieler flüchten, Trainer erklären, Experten hyperventilieren: Der Tag nach dem WM-Aus
FRANKFURT (mp/fil/dpa/SID) - Das ganze Elend einer Fußballnation hatte am Donnerstag viele Gesichter. Wie versteinert entstiegen die Spieler der deutschen Nationalmannschaft dem Flugzeug in Frankfurt, das sie viel früher in die Heimat gebracht hatte, als sich alle vorstellen konnten. Auch am Tag nach der sprichwörtlich harten Landung, dem peinlichen wie historischen WMVorrundenaus, saß der Schmerz bei allen Beteiligten tief. Und er dürfte auch noch eine Weile anhalten, weil die Diskussionen über die Konsequenzen gerade erst richtig an Fahrt aufnehmen.
Im Mittelpunkt steht die Frage um die Zukunft von Bundestrainer Joachim Löw, der in Frankfurt zwar eine Stellungnahme abgab, diese aber jener vom Vorabend nach der Niederlage gegen Südkorea stark ähnelte. Er wolle erst nach einer eingehenden Analyse über mögliche persönliche Konsequenzen aus dem WM-Debakel entscheiden, sagte Löw: „Es braucht tiefgreifende Maßnahmen, es braucht klare Veränderungen, und das müssen wir jetzt besprechen, wie wir das tun.“Auch Kapitän Manuel Neuer stellte sich: „Das Wort Wut spielt eine Rolle. Wir haben vieles vergeigt. Wir wissen, dass wir die Protagonisten sind, die es nicht auf den Platz gebracht haben.“
Weg, ganz schnell weg, hieß es für Neuer und seine Teamkollegen nach der Landung in Deutschland, wo dennoch zahlreiche Fans die gefallenen Helden begrüßten. Eine Kolonne schwarzer Limousinen stand im VIP-Bereich bereit. Schon am Morgen hatte der DFB-Tross fast fluchtartig nach dem größten anzunehmenden WM-Unfall das ungeliebte Stammquartier in Watutinki im Teambus verlassen
Gaudibursch Müller weinte
Am Abend zuvor, in Kasan, das seinen festen Platz in der Reihe großer deutscher Niederlagen sicher hat, war der Schock beim kompletten DFB-Tross spürbar gewesen. Es flossen Tränen, etwa beim eigentlich als Gaudiburschen bekannten Thomas Müller. Auch unter den vielen Fans, die im Stadion und in der Heimat bei den Public Viewings mitgefiebert hatten, war die Stimmung in Richtung Endzeit tendierend. WM-Aus in der Vorrunde! Nicht einmal die größten Rumpelfußballer in der an Rumpelfußballern reichen deutschen Nationalmannschaftsgeschichte hatten dies geschafft. Die Premiere oblag nun einem Team voller Samtfüßen, das zu große Selbstsicherheit und zu wenig Team hatte.
Und natürlich waren die Fußballexperten, auch jene aus der Rumpelfußball-Ära, sogleich hyperventilierend zur Stelle. Stefan Effenberg, dessen eigene WM-Karriere 1994 mit einem Mittelfinger endete, zum Beispiel sah Reformbedarf im ganzen Verband. „Du musst einfach in der Grundstruktur des DFB einiges ändern, um wieder auf die Beine zu kommen“, schrieb er in seiner Kolumne bei t-online.de: „Das wollen die wahrscheinlich nicht hören, weil das meist Leute sind, die sich auf Teufel komm raus an ihrem Sessel festbeißen und versuchen, das nächste und das übernächste Turnier noch mitzunehmen.“
Matthäus spricht von „Schande“
Rekordnationalspieler Lothar Matthäus, der 1990er-Weltmeister, forderte den DFB zu einer deutlichen Reaktion auf. „Es muss sich was ändern, weil diese Vorstellung in Russland war einer deutschen Nationalmannschaft nicht würdig“, sagte er, „das war eine echte Schande für den deutschen Fußball.“Bei der Analyse sieht der 57-Jährige neben dem DFB auch Bundestrainer Joachim Löw in der Pflicht. „Es war sein Fehler und der Fehler der Spieler. Vielleicht haben wir die falschen Spieler eingeladen. Sie haben ohne Leidenschaft gespielt, ohne Körpersprache. Viele Sachen, die vor vier Jahren noch da waren, haben gefehlt.“
Mit Häme als Reaktion auf das Scheitern sparte aber auch die Konkurrenz nicht. Von der schwedischen
„Es braucht tiefgreifende Maßnahmen, klare Veränderungen“Bundestrainer Joachim Löw nach der Ankunft in Deutschland