„Man verliert sich schnell in der Parallelwelt“
Jonas Dassler ist ein Jungstar des Films – In seiner Rolle als Blogger Karl taucht er in die Tiefen des Internets ab
Schauspieler Jonas Dassler gilt als DER Hoffnungsträger des jungen deutschen Films. Der 22-Jährige wurde in diesem Jahr schon für seine herausragenden Leistungen in den Filmen „Das schweigende Klassenzimmer“und „Lomo“mit dem Bayerischen Filmpreis für den Besten Nachwuchsdarsteller geehrt und eroberte mit seiner leidenschaftlichen Dankesrede die Herzen der Zuschauer. André Wesche hat mit dem jungen Star über das Filmdrama „Lomo – The Language of Many Others” gesprochen, in dem Jonas Dassler den orientierungslosen Blogger Karl verkörpert, der sich in den Tiefen des Internets zu verlieren droht.
Herr Dassler, momentan haben Sie einen echten Lauf. Wie erleben Sie diese Zeit?
Auf der einen Seite als sehr schön. Natürlich freue ich mich über die Aufmerksamkeit, die man den Dingen entgegenbringt, die ich mache. Auf der anderen Seite ist da natürlich auch Respekt vor dem Trubel.
Was für ein Bild haben Sie sich von dem Menschen Karl geschaffen?
Für mich war er immer ein Suchender. Karl will den Kontakt zur Realität so sehr, bekommt es aber einfach nicht hin. Er muss erstmal weg aus seinem realen Leben, erst einmal fliehen, um dann wieder den Weg zurückzufinden. Das war es, was ich in Karl in erster Linie gesehen habe. Und ich konnte es gut verstehen.
Es ist heute relativ einfach, sich aus dem wahren Leben in die virtuelle Welt zurückzuziehen. Wäre eine Welt ohne Internet ärmer oder reicher?
Das Internet hat viele gute Seiten. Wir können schneller miteinander kommunizieren und wir können Wissen allgemein zugänglich machen. Trotzdem ist es natürlich auch superschwierig, weil es eine Art Parallelwelt ist. Wie bei jeder Art von Konsum stellt sich hier die Frage nach dem richtigen Maß. Es ist vielleicht nicht unbedingt gefährlich, wenn man sich nur noch im Internet aufhält. Aber es gestaltet das echte Leben sehr schwierig, weil man dann kein Teil seines sozialen Umfelds mehr ist.
Wie sieht Ihr eigener Umgang mit Smartphone und Internet aus?
Ich benutze mein Handy, um zu telefonieren und um SMS zu versenden. Und mein Internet, um Emails zu schreiben und zu googlen. Aber es kommt auch vor, dass man auf dem Handy irgendwelche Nachrichten liest oder auf Videos verwiesen wird. Man schaut auf das Gerät und diese Dinge poppen auf. Dann verliert man sich schnell in dieser Welt und plötzlich ist eine halbe Stunde vergangen. Das kenne ich schon.
Karl lässt sich von seinen Followern blind durch die Straßen lotsen. Lässt sich das mit der Kooperation von Schauspieler und Regisseur vergleichen?
Ja, vielleicht. Man braucht als Schauspieler dieses blinde Vertrauen. Man gibt sich dem hin, stellt sich zur Verfügung und lässt sich blind leiten. Ja, das gibt es schon.
Haben Sie in dieser Hinsicht mit Regisseuren nur positive Erfahrungen gesammelt oder wurde das Vertrauen auch missbraucht?
Bis jetzt habe ich nur Gutes erlebt. Es hängt ja auch immer mit der Intensität einer Arbeit zusammen. So ein Vertrauen wächst nicht in fünf Tagen, es entsteht über einen längeren Zeitraum hinweg. Am Theater hat man eine Probezeit von sechs Wochen. Auch bei einem Dreh verbringt man mitunter sechs Wochen gemeinsam. Dann kann auch etwas entstehen.
Nach dem „Klassenzimmer“sieht man Sie auch in „Lomo“wieder auf der Schulbank. Wie waren Sie in der Schule?
Ich war so gutes Mittelfeld. Ich bin irgendwie durchgekommen. Deutsch und Sport waren für mich eine sichere Nummer. Reden und laufen.
Wollten Sie Schauspieler werden, weil Sie der eigenen Identität entfliehen wollten oder weil Sie nach ihr suchten?
Ich glaube, es ist eine Mischung aus beidem. Man steigt als Schauspieler in eine andere Identität und unternimmt eine Reise, um etwas über die eigene Identität zu erfahren. Das ist ein Wechselspiel, das ich sehr reizvoll finde. Man beschäftigt sich nicht aus sich selbst heraus mit sich, sondern aus etwas anderem heraus, einem Text, einer Rolle. Die Zusammenarbeit mit anderen erlaubt Rückschlüsse auf sich selbst.
Sind Sie eitel?
Bestimmt. Wenn ich probe oder spiele ist das eine Befreiung, weil man Dinge wie Eitelkeiten dann völlig ablegen kann. Man ist einfach nur noch füreinander da.
Sie haben vor drei Jahren das Abi gemacht. Plötzlich steht man mit der A-Liga als Kollege vor der Kamera. Ist das erstmal einschüchternd?
Das sind anfangs sehr besondere Momente. Ich habe mir genau das auch gedacht: Bis vor drei Jahren habe ich davon geträumt, diese Leute überhaupt nur mal zu sehen. Und jetzt arbeite ich teilweise mit ihnen. Das ist natürlich ein riesiges Privileg. Aber es wird auch sehr schnell normal. Man stellt fest, dass man sich ganz normal unterhalten kann. Man kann auf Augenhöhe miteinander sprechen und spielen.
Gleich beim ersten Vorsprechen bei der „Ernst Busch“angenommen zu werden, ist keine Selbstverständlichkeit. Gab es auch einen Plan B?
Nee. Den gab es nicht. Weil es nach so kurzer Zeit gleich geklappt hat, musste ich mir nie über einen Plan B Gedanken machen. Die Idee, zum
Vorsprechen zu gehen, war auch nur ein Versuch. Ich hatte gar nicht kalkuliert, etwas zu bekommen.
Hat Ihre Familie Sie immer unterstützt oder hätte sie gern gesehen, dass Sie etwas „Anständiges“lernen?
Sie haben mich immer sehr unterstützt. Das tun sie auch heute noch.
Für die Serie „Die Protokollantin“haben Sie mit Iris Berben, Moritz Bleibtreu und Peter Kurth gedreht, die auch vom Menschlichen her integre Persönlichkeiten sind. Nehmen Sie sich solche Kollegen als Vorbilder?
Ich selbst habe nur mit Peter gedreht, er spielt meinen Vater. Definitiv ist er ein Vorbild. Ich kenne ihn schon vom Theater her als diesen „wahnsinnigen“Schauspieler. Ich habe ihn gesehen und bewundert. Es war ein großes Glück, ihn kennenzulernen und mit ihm spielen zu können. Von der Arbeit mit solchen Kollegen profitiere ich am meisten. Ich beobachte sie und höre mir ihre Geschichten an. Da kann man viel lernen.