Seehofer ist sauer
Der Bundesinnenminister sieht sich als Opfer einer Kampagne
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BERLIN - Bei Horst Seehofer hat sich mächtig Wut aufgestaut. Am Donnerstag platzt dem Bundesinnenminister und CSU-Chef der Kragen: „Jeder der es sehen will, sieht, dass hier eine Kampagne gefahren wird“, sagt er in einem Interview. „Die geht gegen mich und meine Partei. Leider haben sich auch Einzelne aus der CSU dafür vereinnahmen lassen“, teilt der Parteichef aus. „Viele Kritiker lassen genau das vermissen, was sie mir vorwerfen: Anstand und Stil.“
Der Innenminister ist sauer, sieht sich als Opfer einer Kampagne. Aber steht der Mann, der über 69 abgeschobene Afghanen an seinem 69. Geburtstag feixte, der die Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU fast wegen einer Handvoll Flüchtlinge gesprengt hätte und der sich dem Vorwurf ausgesetzt sieht, bei der Abschiebung Sami A.s ein Gericht ausgetrickst zu haben, zu Unrecht massiv unter Beschuss von Medien und Parteifreunden? Angriff ist die beste Verteidigung. Das ist Seehofers Motto, um zurück in die Offensive zu kommen. Es könnte eine Schlacht auf verlorenem Posten sein.
Schlechte Umfragewerte
Chaostage bei der CSU, die Nerven liegen blank. Grund sind die miserablen Umfragewerte. Drei Monate vor der Landtagswahl sind die Christsozialen auf 38 Prozent abgestürzt, verlieren drei Punkte gegenüber Mai. Die absolute Mehrheit scheint verloren. Seehofer selbst erhält im „Bayerntrend“nur noch die „Schulnote“3,9, ein Negativrekord. Und weil fast 80 Prozent der Bayern glauben, dass der brutale Asylstreit mit der CDU der CSU geschadet habe, macht Ministerpräsident Markus Söder Horst Seehofer für die einbrechende Beliebtheit der Partei verantwortlich. Der Negativtrend sei „überwiegend geprägt von Berliner Entscheidungen“, lautet seine unverhohlene Attacke auf den Bundesinnenminister.
Seehofer verbockt es – mit der Meinung steht Söder längst nicht allein bei den Christsozialen. Der Parteichef ist angezählt. „Sein Agieren verwundert und befremdet mittlerweile viele“, meldete sich Ex-CSUChef Erwin Huber kürzlich zu Wort. Aber Selbstkritik und verbale Abrüstung sind Seehofers Sache nicht. Er holt zum Gegenschlag gegen seinen ärgsten Rivalen aus. „Blendend“stehe Bayern da, Spitzenkandidat Söder stütze sich im Landtagswahlkampf „auf eine absolute Mehrheit, die wir 2013 unter meiner Führung geholt haben“, schiebt er dem Ministerpräsidenten alle Verantwortung für die Umfragedämpfer zu. Söder sei „auf keinen Koalitionspartner angewiesen, das ist ein großer Vorteil für den Wahlkampf “, stichelt er am Mittwoch und hängt die Latte für den Ministerpräsidenten und Spitzenkandidaten extra hoch: Die absolute Mehrheit bei der Wahl im Oktober sei noch immer möglich.
Grabenkämpfe und Selbstzerfleischung bei den Christsozialen – dahinter steckt neben den persönlichen Rivalitäten auch die Rat- und Planlosigkeit im Umgang mit der AfD. Die zunächst noch gemeinsamen Versuche, die Rechtspopulisten zu bekämpfen, indem man ihre Forderungen und ihre Rhetorik kopiert, scheinen gescheitert. Söder hat als Erster umgeschaltet, sich von Begriffen wie „Asyltourismus“distanziert, gibt plötzlich den Geläuterten. Ein Kurswechsel, der Seehofer überrumpelt hat. Jetzt sieht sich der Parteichef zu Unrecht in die Schmuddelecke gestellt.
Der Bundesinnenminister wirkt angeschlagen. Im Bundeskabinett, wo sich die Regierungsmitglieder vor Sitzungsbeginn stets begrüßen, hocke sich Seehofer gleich auf seinen Platz, gehe den anderen aus dem Weg, heißt es. Ausgelaugt und dünnhäutig zeigte er sich Mitte der Woche auf einer Pressekonferenz in Berlin. Und während die Kanzlerin ab dem Wochenende eine Sommerpause einlegen kann, muss der Bundesinnenminister weiterarbeiten, mit den resistenten Italienern über die Rücknahme von Flüchtlingen verhandeln.