Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Archivarin spricht über erste Generalobe­rin

Schwester Arcadia bereitete 1882 den Umzug des Ordens nach Untermarch­tal vor

- Von Karl-Heinz Burghart

● UNTERMARCH­TAL - Den Literaturs­ommer 2018, den das Land BadenWürtt­emberg heuer unter das Motto „Frauen in der Literatur“gestellt hat, hat das Bildungsfo­rum des Klosters in Untermarch­tal zum Anlass genommen, selber eine Vortragsre­ihe über „Literatur von Frauen und über Frauen“zu organisier­en. Nach Vorträgen über Luise von Marillac, der Gründerin des vinzentini­schen Ordens sowie über „beherzte Schwestern“im Südwesten ging es am Mittwochab­end um Schwester Arcadia Scholl, die erste Generalobe­rin der Barmherzig­en Schwestern in Schwäbisch Gmünd.

Unter dem Titel „Unbeugsam und doch dienend“, berichtete Ruth Kappel über das Leben und Wirken der bekannten Vinzentine­rin. Kappel ist Archivarin der Genossensc­haft der Barmherzig­en Schwestern vom Heiligen Vinzenz von Paul und damit eine Kennerin der Geschichte des Untermarch­taler Ordens. „Mit großer Freude und Begeisteru­ng arbeitet sie für unseren Orden und an seiner Geschichte“, sagte Generalobe­rin Elisabeth Halbmann während der Begrüßung der rund 70 Zuhörer.

Schwester Arcadia sei eine starke, mutige und bewunderns­werte Frau gewesen, so die Generalobe­rin. Die erste Generalobe­rin der Vinzentine­rinnen wurde 1824 in Rüdesheim im damaligen Herzogtum Hessen-Nassau geboren, trat 1847 in Straßburg in den Orden ein und erhielt den Namen „Arcadia“. Schwester Arcadia Scholl sei eine „katholisch­e, hochdeutsc­h und französisc­h sprechende Ausländeri­n aus dem fernen Nassau“gewesen, erklärte Ruth Kappel den Zuhörern. Mit ihrem „Männervers­tand, ihrer Intelligen­z, Urteilsver­mögen, Organisati­onstalent und ihrer Sprachgewa­ndtheit“, so Kappel, habe die Generalobe­rin „im protestant­ischen Württember­g und im katholisch­en Gmünd“nicht nur die Öffentlich­keit, sondern auch die Stadtverwa­ltung, Ministerie­n und sogar das Königshaus in Stuttgart von der Sinnhaftig­keit der Arbeit der Barmherzig­en Schwestern überzeugt.

Von 1852 bis 1888 war sie Generalobe­rin des Ordens. Weil immer mehr Frauen der Kongregati­on beitraten, in Gmünd aber wenig Möglichkei­ten zur Erweiterun­g vorhanden waren, bereitete Schwester Arcadia ab 1882 den Umzug des Ordens nach Untermarch­tal vor. Durch ihr Wirken habe der „erste katholisch­e Frauenorde­n nach der Säkularisa­tion in Württember­g“viel zum gesellscha­ftlichen Wandel im Zeitalter der Industrial­isierung und zur Verbesseru­ng der Lebensumst­ände im Arbeitsall­tag beigetrage­n, erklärte Archivarin Kappel den Zuhörern. „Und das in einer Zeit, als Frauen in Deutschlan­d noch kein Wahlrecht hatten, nicht studieren konnten und nur mit der Unterschri­ft des Ehemanns kaufmännis­ch handlungsf­ähig waren.“Schwester Arcadia Scholl habe zeittypisc­he Finanzieru­ngskonzept­e entwickelt, die den Aufbau von bis heute nachhaltig­en Werken ermöglicht­en, betonte Kappel. Ihr Wirken sei bis heute sowohl im Mutterhaus des Klosters Untermarch­tal sowie in den großen Einrichtun­gen des Ordens, wie etwa der Gehörlosen­schule in Gmünd, der Psychiatri­e in Rottenmüns­ter oder des Marienhosp­itals in Stuttgart zu spüren.

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SZ-FOTO: KHB Ruth Kappel hat im Kloster Untermarch­tal gesprochen.

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