Wenn Behörden auf selbst ernannte Reichskanzler und Druiden treffen
Mitarbeiter von Gerichten, Landratsämtern und anderen Behörden zählen zu Feindbildern der „Reichsbürger“– jetzt werden Beamte für den Umgang mit Querulanten geschult
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TÜBINGEN (lsw) - Sie unterzeichnen mit Fingerabdruck, geben ihre Personalausweise zurück und weigern sich, Steuern an die „BRD GmbH“zu zahlen – die sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter machen den Mitarbeitern von Behörden die Arbeit oft schwer. Da landen unfrankierte Briefe mit Vermerk auf die Haager Landkriegsordnung auf den Schreibtischen, da werden Strafzettel mit kruden Begründungen nicht bezahlt oder Faxgeräte mit hundertseitigen Dokumenten lahmgelegt. „Was kann ich tun?“Anfragen dieser Art bekommt das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg immer häufiger. Schulungen sollen Behördenmitarbeiter fit für den Umgang mit querulanten „Germaniten“und selbsternannten Reichskanzlern machen.
„Mir stellen sich die Nackenhaare auf, wenn ich das Wort Selbstverwalter höre“, sagte Regierungspräsident Klaus Tappeser (CDU) bei einer Veranstaltung mit zwei Experten des Verfassungsschutzes in Tübingen. „Es handelt sich hier nicht um schrullige Personen, das sind Leute mit Gefährdungspotenzial.“Zielscheibe eines „Reichsbürgers“, so viel wird schnell klar, möchte niemand gerne werden. Auch der Verfassungsschutz selbst hält sich lieber bedeckt – die Referenten wollen ihre Namen nicht in der Zeitung lesen.
Wie unberechenbar die Staatsgegner sein können, verdeutlichte ein Video. Auf einer verwackelten Aufnahme sind mehrere Polizisten zu sehen, die offenbar vor einem Grundstück Stellung bezogen haben. „Das ist mein Staatsgebiet“, schleudert der Filmer ihnen entgegen. Und: „Sind Sie auf Grundlage des Grundgesetzes in genehmigter Verfassung von 1949 hier?“Im weiteren Wortgefecht wirft er den Beamten vor, Terroristen zu sein. Das Video stammt laut Referent von Adrian U. Einen Tag später soll der „Reichsbürger“ ohne Vorwarnung mit einem Revolver auf den Kopf eines Polizisten geschossen haben – wegen versuchten Mordes stand er vor Gericht.
Seit Ende 2016 gab es in BadenWürttemberg rund 40 Schulungen zum „Umgang mit „Reichsbürgern“und Selbstverwaltern“. Während „Reichsbürger“sich auf ein historisches Deutsches Reich beziehen, lehnen Selbstverwalter staatliche Bevormundung ab und gründen oft eine eigene Art von Staat. Das Interesse an Hilfestellung ist groß – bei der jüngsten Veranstaltung in Tübingen folgten mehr als 50 Personen der Einladung des Regierungspräsidiums, darunter Mitarbeiter des Präsidiums selbst, von Landratsämtern und anderen kommunalen Behörden. Auch Richter und Staatsanwälte gehörten schon zu den Zuhörern.
„Wenn ein Sachbearbeiter zum ersten Mal ein mehrseitiges Schreiben eines „Reichsbürgers“bekommt und dann auch noch aufgefordert wird, ein paar hundert Goldtaler als Schadensersatz zu zahlen, dann weiß der erst einmal nicht weiter“, sagte einer der Referenten. Sein Rat: „Man darf sich auf keine Diskussion einlassen.“Ihre Schreiben sollte man etwa als „offensichtlich unbegründet“zurückweisen. Und wenn, wie schon vorgekommen, jemand aufs Amt marschiert? „Dann sollte man einen Kollegen holen, sich auf den rechtlichen Rahmen konzentrieren und zur Not auch die Polizei rufen.“
Zu den besonders krassen Fällen zählen die Experten den Mann, der sich in Schwetzingen zum Druiden erklärte. Der habe behauptet 2000 Jahre alt und ein direkter Nachfahre von Merlin zu sein. Das klinge erst mal nur schrullig. „Aber das ist einer der härtesten Antisemiten, die ich kenne.“
Eher selten erklären sich „Reichsbürger“zu Druiden, andere Bezeichnungen kommen häufiger vor. „Sie glauben gar nicht, wie viele Kaiser, Könige und Reichskanzler wir hier in Baden-Württemberg haben.“Rund um das eigene Staatsgebiet ist ein florierender Markt entstanden. Ein Personenoder Identitätsausweis, wie „Reichsbürger“ihre Version des Personalausweises nennen, koste etwa rund 50 Euro. Wer sich eine komplette Ausstattung an neuen Papieren zulege, sei leicht bei 400 Euro. „Manche verdienen richtig gut daran.“
Vielleicht therapierbar?
„Würde denen nicht eine Therapie helfen?“, fragte ein Zuhörer. Der Referent winkte ab. Nur bei einem kleinen Teil der Personen hätte das Verhalten pathologische Motive. Meist seien eher Krisen wie Arbeitslosigkeit oder Scheidung der Auslöser. Zuletzt lieferte er noch einen Grund mehr, warum es vergeblich sei mit „Reichsbürgern“zu diskutieren: „Die Ausstiegswahrscheinlichkeit ist gering.“Wer einmal in der Szene sei, verstricke sich immer tiefer in die Ideologie.