Der Wolf ist gekommen, um zu bleiben
Raubtier wird zunehmend zum Politikum – Grüne uneins über Umgang mit dem Thema
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STUTTGART - Der Wolf ist angekommen in Baden-Württemberg. Das stellt vor allem die Grünen vor Probleme. Wie mit dem streng geschützten Raubtier umgehen? Diese Frage soll nicht den Landtagswahlkampf mitbestimmen. Doch das wird sie, wenn die Grünen keine gute Antwort finden. Die CDU erhöht den Druck auf den Regierungspartner.
Im Sommer besuchten grüne Abgeordnete jene Bundesländer, die Heimat mehrerer Wolfsrudel sind. In Niedersachsen, Sachsen und Brandenburg leben je 20. In Baden-Württemberg hat sich ein Wolf im Nordschwarzwald niedergelassen. Er unternahm bereits mehrere Raubzüge. In Bad Wildbad starben im Mai rund 40 Schafe, am Montag bestätigten Experten einen weiteren Riss mit drei toten Tieren. In fünf Jahren werden im Südwesten erste Rudel heimisch, so alle Fachleute.
„Kurti“lässt grüßen
Veranstaltungen zum Wolf sind Land auf, Land ab überfüllt, die Debatten emotional. Wenn ein Raubtier in der Nähe von Menschen auftaucht, wird es richtig heikel. Davon kann Niedersachsen ein Lied singen: Dort musste Wolf Kurti 2016 erschossen werden, weil er sich Wohngebieten näherte. Das Thema war eines der wichtigsten im Landtagswahlkampf 2017. Die Grünen im Südwesten wollen für ihren nächsten Wahlkampf 2021 unbedingt vermeiden, dass sie als zu wolfsfreundlich gelten, Belange von Bauern und Bürgern aus ideologischen Gründen ignorieren.
Der Wolf ist streng geschützt. Er darf nicht gejagt werden. Es gelten Ausnahmen: Wenn ein Wolf für Menschen gefährlich wird oder Herdenschutzmaßnahmen wie hohe Zäune mehrfach überwindet. Den Abschuss muss das Umweltministerium genehmigen. In Deutschland war das seit 1990 drei Mal der Fall.
Land ersetzt Schaden
Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) unterstützt Halter von Schafen, Rindern und Ziegen. Wo ein Wolf sich ansiedelt, übernimmt das Land 90 Prozent der Kosten für Zäune. Der Einsatz von Herdenschutzhunden wird mit 2000 Euro pro Jahr gefördert. Außerdem fördert das Land Weidetierhalter, wenn sie umweltfreundlich wirtschaften. Über 19 Millionen Euro flossen 2017. Tötet ein Wolf ein Nutztier, erstattet das Land den Schaden – wenn der Halter seine Tiere angemessen geschützt hat. Der CDU reicht das nicht. Unter anderem wollen die Christdemokraten, dass das Land Weidezonen und Siedlungsgebiete ausweist. Dringt ein Wolf ein, dürfte er erlegt werden. Zu dem Vorschlag sagt ein Sprecher von Umweltminister Untersteller: „In Anbetracht der geltenden Vorgaben könnten wir kein Gebiet ausweisen, in dem der Schutz des Wolfes gelockert und eine Entnahme einfacher möglich wäre.“Außerdem schütze selbst eine solche Zone nicht vor durchziehenden Tieren.
Die CDU will den Wolf auch ins Jagd- und Wildtiermanagementgesetz aufnehmen. Er dürfte weiter nur in Ausnahmen geschossen werden. Doch sollte sich am Schutzstatus etwas ändern, könnten Jäger den Wolf zu bestimmten Zeiten jagen. Derzeit versucht Niedersachsen, den Wolf als nicht mehr so stark bedroht erklären zu lassen. Darüber hinaus würden Jäger stärker miteinbezogen in die Beobachtung der Tiere, argumentieren die Befürworter.
Zu denen zählen die Grünen eigentlich nicht. Doch intern wird heiß diskutiert. Reinhold Pix, jagdpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion, gilt als weniger wolfsfreundlich als etwa Markus Rösler, Naturschutzexperte. Noch gibt es deshalb keine einheitliche Postion, etwa zur Frage, ob es, wie von der CDU gefordert, wolfsfreie Zonen geben kann und ob man Jäger besser ins Wolfsmanagement einbinden muss.
Kaum wirksamer Schutz
Darauf angesprochen sagt Pix nur: „Es gibt einfach einen Konflikt zwischen der Weidetierhaltung und der Rückkehr des Wolfes in unserer Kulturlandschaft. Wir müssen die Karten auf den Tisch legen. Das heißt auch, den Weidetierhaltern zu sagen, was auf sie zukommt. Sie brauchen praktikable und verlässliche Lösungen. Dazu gibt es erste Schritte in die richtige Richtung, aber wir sind noch nicht am Ziel.“
Das Stichwort heißt „praktikabel“. Fachleute aus dem Wolfsland Brandenburg sagen: Wölfe sind clever und lassen sich selbst von Zäunen oder Strom nie völlig aufhalten. Im Gestein auf der Alb lässt sich ein Zaunpfosten kaum einbohren, in Steillagen des Schwarzwalds taugen Zäune wenig. Trotz der vielen Angebote des Landes, um Schäfer zu unterstützen: Viele würden aufgeben, wenn sich Wölfe ansiedeln. Zäune zu bauen bedeutet mehr Arbeit. Und das in einem Geschäft, dass sich für viele nur im Nebenjob lohnt.
Damit kämpfen die Grünen mit einem Konflikt zwischen zwei Kernanliegen: Natur- und Artenschutz. Auf der Schwäbischen Alb hat die Unesco große Regionen auch deshalb als Biospährengebiet anerkannt, weil es selten Weiden und Wiesen gibt. Die bleiben nur erhalten, wenn Schäfer ihre Herden darauf weiden lassen. Wolf frisst Naturschutz – das will niemand bei den Grünen. Das Thema beschäftigt auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Er wolle sich das Amt nicht vom Wolf rauben lassen, heißt es.