Willkommen im Paradies
Georgien ist das Gastland der Frankfurter Buchmesse 2018. Was sich zum Lobe Georgiens sagen lässt, versammelt dieses Buch. Autor Dieter Boden tut das mit seinem Erfahrungsschatz aus diplomatischen-, UN- und OSZE-Missionen in der Region, unterhaltsam und übersichtlich. Schließlich lebt Georgien von einer Addition von Mythen, die es als Paradies feiern. In diesen Vorstellungswelten stört einzig der berühmteste Sohn des Landes, Josef Stalin. Dafür passen die gastronomischen Traditionen umso besser, auch wenn sie inzwischen schon touristisch eingedämmt sind: die geselligen, nicht enden wollenden Tafeln mit sich biegenden Tischen, ausufernden Tischreden und tausenderlei Weinen. Der Rebsortenreichtum beansprucht Einzigartigkeit. Und der Ausbau in monumentalen, in die Erde vergrabenen Krügen soll pfeilgerade in die Antike zurückführen. Auch auf seinem Buchmessen-Stand macht Georgien auf die Weinkultur aufmerksam, schließlich sind Essen und Trinken ein umsatzstarkes Buchsegment.
Die Literatur des Landes lebt vom „sprichwörtlichen georgischen Humor“, der allerdings nicht aus Schenkelklopfern besteht. Die in den Romanen liebevoll ausgeführten Zeichnungen eines wahren Absurdistans destillieren vielmehr die Alltagserfahrung, dass sich jedwede Hoffnung auf eine Besserung der Verhältnisse als vergeblich erweist.
Dieter Boden wird an dieser Stelle zwar etwas dünn, unterschlägt aber die historischen Bezüge zur deutschen Literatur nicht. Das Buch wirbt für Georgien als Reiseland, andererseits trägt es auch den Titel eines Länderporträts. Von daher fällt auf, dass die Einschätzung der aktuellen Lage ebenfalls mit diplomatischer Zurückhaltung glänzt.
Zum Komplex um den „sprichwörtlichen georgischen Humor“in der Literatur gehört, dass die Bevölkerung ihren Politikern so abgrundtief misstraut, dass die georgisch-orthodoxe Kirche, wie Boden schreibt, die einzige Autorität im Lande darstellt. Russland nutzt daher die Kirche, um seinen Einfluss im Land geltend zu machen. Wie der Weinbau bohrt auch die georgische Orthodoxie die ganz dicken Bretter in die Vergangenheit. Rom gilt als Lotterbett des Liberalismus. Was man dem Papst bei seinem Besuch 2016 in Tiflis deutlich demonstrierte, als man ihn in einem leeren Fußballstadion predigen ließ.