Sicherer und komfortabler mit gefederten Fahrrädern unterwegs
Immer mehr Hersteller rüsten mit der neuen Technik auf – Kosten und Wartungsaufwand erhöhen sich
KÖLN/GÖTTINGEN (dpa) - Beim Auto ist sie eine Selbstverständlichkeit, beim Fahrrad eine Option: die Federung. Allerdings werden immer mehr Fahrräder – egal ob Trekking-, Cross- oder E-Bike – mit entsprechender Technik ausgerüstet. Federungen steigern den Fahrkomfort, machen das Radeln sicherer, sind aber teuer und erhöhen das Gewicht des Rades. Je nach Einsatzart und Radtyp können Federungen deshalb auch kontraproduktiv sein. Ein Überblick:
Im Gelände ist der Fall klar. Denn geht es über Wurzelwerk und Stein, wird die Fahrt angenehmer, wenn Erschütterungen abgefangen werden. „Mountainbikes werden fast gar nicht mehr ungefedert angeboten“, sagt Stephan Behrendt, Fachreferent für Technikthemen beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) in Köln. „Eine gute Federung muss allerdings auch dämpfen, ansonsten macht das Rad zum Beispiel im Wiegetritt eine Auf-und-AbBewegung wie ein Jo-Jo.“Dämpfer fangen diese Federbewegung wieder ein.
Erste Versuche, Rahmenfederungen zu konstruieren, wurden bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts unternommen, doch erst in jüngerer Zeit reifte die Technik. „Rahmenfederungen sind technisch anspruchsvoll, es gab schon etliche Rückrufe wegen gebrochener Hinterradrahmen“, sagt Behrendt.
Individuell einstellbar
Heute meistverbreiteter Typ ist die Teleskopgabel mit den Tauch- und Standrohren. Diese ineinander gesteckten Rohre verschieben sich dabei gegenläufig gegen einen Widerstand. Stand der Technik sind luftgefederte Gabeln. Durch Variieren des Luftdrucks mittels Hochdruckpumpe können sie je nach Fahrergewicht individuell eingestellt werden.
„Manche Federgabeln können auch auf ,lockout’ gestellt werden, teils über einen Hebel am Lenker. Dann fahren sie sich wie Starrgabeln“, sagt Behrendt. Wenn es im Wiegetritt einmal schneller vorangehen soll, versickert die Wadenkraft dann nicht im Federweg. Während Mountainbikes üblicherweise Federwege zwischen 140 Millimetern bei Trail- und 200 Millimetern bei Downhillbikes bieten, seien es bei Trekking- und Tourenrädern meist zwischen 40 und 80 Millimeter, sagt David Koßmann vom Pressedienst Fahrrad.
Das System erfordert ein bisschen Wartung: Die interne Schmierung muss in regelmäßigen Intervallen geprüft und gegebenenfalls erneuert werden. Für eine Gabelinspektion verlangen Fachwerkstätten ab rund 40 Euro. Auch Hinterbaufederungen benötigen Zuwendung. Rock Shox, Marktführer bei Federgabeln und Dämpfungssystemen für Hinterbaufederungen, empfiehlt für seine Federgabeln einen Öl- und Dichtungswechsel alle 100 Betriebsstunden. „Das dürfte für den Normalradler ungefähr einen Service pro Jahr bedeuten“, schätzt Koßmann.
Um dem Verschleiß vorzubeugen, kann der Radbesitzer die Gleitflächen der Federrohre mit lauwarmem Wasser und einem weichen, fusselfreien Tuch regelmäßig reinigen. „Das gilt umso mehr, wenn er oft auf staubigen Wegen unterwegs ist und nach dem Winter. Denn Schmutz und Streusalz greifen die Flächen an“, erklärt Koßmann.
Leichtgewichtige Technik
Weniger Wartungsaufwand versprechen Federelemente mit sogenannten Elastomeren, sagt Behrendt. Elastomere sind verformbare Kunststoffelemente, die nach Erschütterungen ihre Ausgangsgestalt wieder annehmen. Zwischen Gabelkrone und Steuerrohr eingesetzt, verleihen sie auch Starrgabeln einen gewissen Federungskomfort. Der niederländische Hersteller Koga beispielsweise setzt bei seinen Feathershock-Gabeln auf diese vergleichsweise leichtgewichtige Technik. Jedoch fallen die Federwege mit 35 Millimetern eher kurz aus.
Als Gegenleistung für erhöhte Kosten und Wartungsaufwand bekommt der Radler durch die Federung mehr Traktion, die Fahreigenschaften verbessern sich. Das Schlüsselwort lautet Negativfederweg. Sitzt der Fahrer auf, tauchen die Federelemente schon im Stand durch das pure Körpergewicht ein Stück weit ein. Rollt das Rad über Löcher und Senken, federt das Rad blitzschnell wieder aus. „Auf diese Weise bleiben die Räder in Kontakt mit dem Boden“, sagt Nikolaus Karlinský vom E-Bike-Hersteller HNFNicolai, der vollgefederte MTBs (sogenannte Fullys) im Programm hat, die neben Gabel- auch Hinterbaufederung bieten.
Für Mountainbikes kündigen sich auch Hightech-Lösungen an, die mehrere Tausend Euro kosten. Für 2019 hat der amerikanische Fahrwerksspezialist Fox ein elektronisches System entwickelt, das neben Sensoren an Gabel und Heck des Rades auch eine Rechnereinheit besitzt. Vollautomatisch und mehrere Hundert Mal in der Sekunde passt das batteriebetriebene System Federn und Dämpfer der Bodenbeschaffenheit an.
Breitere Reifen statt Federgabeln
Sattelfederungen sind vor allem an Trekking- und Reiserädern, aber auch an manchem Cityrad zu finden. An billigeren Exemplaren sind dabei meist Teleskopfederungen verbaut. Behrendt empfiehlt allerdings Parallelogramm-Federungen: „Sie geben leicht schräg nach hinten und unten nach, sind aber teurer.“Ab rund 150 Euro beginnt der Spaß.
Eine weitere Stellschraube zu mehr Komfort ist, den Luftdruck zu variieren. „Die Reifen sorgen, je nach Größe und Luftdruck, für die entscheidenden Fahreigenschaften eines Fahrrads bezüglich Komfort und Bodenhaftung“, sagt Koßmann. Behrendt hat bei Reise- und Alltagsrädern einen Trend ausgemacht: Immer mehr Hersteller setzten auf breitere Reifen statt Federgabeln. Aus einem einfachen Grund: Denn wird Gepäck in der Nähe der Laufräder untergebracht, ist die Funktion der Federung durch das erhöhte Gewicht stark eingeschränkt.