Sebastian Sailer wird in Obermarchtal lebendig
Die Rollende Schwabenkanzel hat im Spiegelsaal der Klosteranlage Station gemacht
● OBERMARCHTAL - Die „Rollende Schwabenkanzel“hat den berühmten Marchtaler PrämonstratenserChorherren Sebastian Sailer (17141777) am Ort seines Wirkens wieder lebendig werden lassen. Im Spiegelsaal des Klosters in Obermarchtal ist sein Atmen noch zu spüren und seine Präsenz. Dies nutzten wortgewandte Schwaben unter Leitung des Vollblutmusikers Bernhard Bitterwolf aus Bad Waldsee am Sonntag und lockten damit trotz Sonnenscheins viele Gäste an.
Der Förderverein für Kirchenmusik und Klosterkultur Obermarchtal hat in Zusammenarbeit mit der kirchlichen Akademie der Lehrerfortbildung für mehr als zwei vergnügliche Stunden mit der schwäbischen Sprache gesorgt. Vereinsvorsitzender Berthold Saup und Akademieleiter Berthold Suchan begrüßten ihr Publikum, in dem auch Bürgermeisterin Romy Wurm, Bürgermeister Martin Krämer und dessen Vorgänger Anton Buck waren, mit Worten, wie sie Sebastian Sailer selbst gesprochen hat bei der Uraufführung seiner Schwäbischen Schöpfung in Bad Schussenried.
Sailer war einer der berühmtesten Bewohner der Klosteranlage, Pfarrer, Lehrer und barocker Schriftsteller aus Weißenhorn, mit 62 Jahren in Obermarchtal verstorben und in der dortigen Mönchsgruft auch begraben.
Sailer gilt als Vater der Mundartdichtung. Seine theologischen Ansichten machte er der bäuerlichen Bevölkerung durch seine Komödien in oberschwäbischer Sprache verständlich. In bäuerlicher Kleidung aus der Barockzeit erläuterte Bernhard Bitterwolf, dass Sailer nie verletzend, aber in seinem Humor stets entlarvend war. Mit seinerseits auf den Punkt gebrachter Improvisation führte Bitterwolf mit großem Unterhaltungswert durch das Programm und stellte dabei im Rahmen seiner Ansagen sukzessive auch Instrumente aus der Barockzeit vor, wie den Piffel, einem Alphorn nicht unähnlich, in Aussehen und Klang. Die Sackpfeife oder Schäferpfeife ist mit einem schottischen Dudelsack vergleichbar, es gab auf ihr eine Tanzweise zu hören. Im Übrigen sang er zur Drehleier, und auf seiner Gitarre brachte Bernhard Bitterwolf die „Aria des Gottvaters“von Walter Frei dar.
Der pensionierte Lehrer Hugo Brotzer aus Saulgau, der Sailer in aktuelles Oberschwäbisch übertragen hat, stellte aus den 90 Minuten der Schwäbischen Schöpfung einen zehnminütigen Ausschnitt vor. Wunderbare Schwäbische Reime sorgten für viele Lacher, wobei das Paradies zwischen Bodensee und Bussen angesiedelt war, und der Federsee die Mitte des Paradieses darstellt, „do hanget sogar d’Schbätzle von de Epfelbeim ra“. Im von ihm selbst verfassten Gedicht „Eva und Adam“machte sich Brotzer Gedanken, ob es im Paradies wirklich so war, wie immer angenommen.
Im Schatten des Bussens zuhause ist der Bauerndichter und Buchautor Hugo Breitschmid, der meinte „hier war mal das Paradies, das weiß man g’wiss“, wobei es bei ihm von d’r Alb bis zum Bodensee reichte: „Kaum hand se in da Apfel bissa, hots des Paradies verrissa“. Wolfgang Ott stellte sein Buch zur neuen Epoche der Sailerforschung vor. Michael Skuppin ließ den Dichter Sebastian Sailer der Barockzeit mit sich selbst in heutiger Zeit sprechen, so erfuhr man in Reimform mehr aus der Biographie Sailers. Der Heimatforscher und Autor Paul Sägmüller beschäftige sich mit dem Überangebot an Reliquien. Ausgehend vom Haupt des Heiligen Tiberius, das seit 1626 als Reliquie in Obermarchtal ruht, ließ er seinen Entdeckungen freien Lauf, zu denen beispielsweise ein halber Flügel des Erzengels Gabriel gehört.
Am Ende ernteten die schwäbischen Originale verdientermaßen viel begeisterten Beifall.