Ein Auftragsmord als „Betriebsunfall“
Saudi-Arabien will Fall Khashoggi verharmlosen – Die USA unterstützen das wohl
BEIRUT - In Beirut und anderen Städten des Nahen Ostens kursieren Fotos, auf denen sauber abgetrennte Arme und Beine zu sehen sind. Dabei soll es sich um Teile der Leiche von Dschamal Khashoggi handeln. Die grauenvollen Aufnahmen, betonen Experten, seien mit Sicherheit „Fake News“. Sie sollen, so heißt es, die schlechte Stimmung gegen den saudischen Kronprinzen Mohammed bin-Salman weiter anheizen. Khashoggi, der als Kolumnist für die „Washington Post“gearbeitet hatte, wollte am 2. Oktober im Konsulat Papiere für die Hochzeit mit seiner türkischen Verlobten abholen und ist seitdem verschwunden. Die türkischen Behörden gehen nach Medienberichten davon aus, dass er von einem aus Saudi-Arabien angereisten Spezialkommando getötet wurde.
Das Regime in Riad spricht von einer „Verleumdungskampagne“. Um der entgegenzuwirken, haben die Saudis ihre Verbündeten im Nahen Osten aufgefordert, dem Königshaus mit zum Teil grotesken Lobhudeleien den Rücken zu stärken. Regierungssprecher in Bahrain, Abu Dhabi und Kairo verteidigten das Königshaus als einen Grundpfeiler der Stabilität, das sich die Bekämpfung des Terrorismus auf seine Fahne geschrieben habe.
Für die – höchstwahrscheinliche – Ermordung Khashoggis wird keine Erklärung gesucht. Stattdessen verkündeten am Dienstag acht arabische Staaten, dass sie, geschehe was wolle, an der Seite ihrer von „heimtückischen Feinden“angegriffenen saudischen Brüder stünden.
Nicht einmal die Verbündeten in den USA wollen glauben, dass Khashoggi am 2. Oktober das saudische Generalkonsulat in Istanbul lebendig verlassen hat, wie Riad dies bis heute beteuert. Um den Imageschaden zumindest zu begrenzen, müsste Riad eine glaubwürdigere Version der Ereignisse präsentieren. Das ist bisher nicht geschehen. Nach Informationen der Fernsehsender CNN und Al Dschasira plant Riad nun, den Mord an dem prominenten Journalisten als Versehen oder „bedauerlichen Betriebsunfall“darzustellen. Der Saudi sei während einer forsch geführten Befragung kollabiert und dann „völlig unerwartet gestorben“. Das „außer Kontrolle geratene Interview“sei ohne Genehmigung aus Riad geführt worden. Die Verantwortlichen würden zur Rechenschaft gezogen.
Das wirkt kaum glaubwürdig. Doch einer kann sich mit dem Teilgeständnis der Saudis offenbar anfreunden: US-Präsident Donald Trump. Der saudische König habe im Telefongespräch mit ihm angedeutet, dass „boshafte Killer“am Werk gewesen seien. Salman, so Donald Trump weiter, habe ihm ganz „entschieden“versichert, „von nichts gewusst zu haben“. Das stimmt vermutlich sogar. Denn nicht der greise Saudi-König, sondern dessen Lieblingssohn und Kronprinz Mohammed bin-Salman, hält in Riad das Heft des Handelns in der Hand. Fast alle Experten gehen fest davon, dass er auch Khashoggis Ermordung befohlen hat. „bin-Salman war geradezu besessen von dem Gedanken, mit Khashoggi auch das letzte Schwergewicht unter den Regimekritikern zu liquidieren“, sagte ein in Beirut akkreditierter Diplomat aus der arabischen Golfregion im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“: „Und er geht noch immer fest davon aus, dass die Amerikaner diesen Mord auch schlucken werden“.
USA sehen bin-Salman kritisch
Tatsächlich sind die USA im Nahen Osten auf Saudi-Arabien als Bündnispartner im Ringen mit Iran angewiesen. Von einer Schwächung der Allianz könnte Teheran profitieren. Das heißt aber nicht, dass Washington seine Nahostpolitik ausschließlich auf den als unberechenbar und impulsiv beschriebenen saudischen Königssohn abstützen muss.
Als strategische Partner von Riad sind die USA in Saudi-Arabien blendend vernetzt. Mittelfristig, sagen arabische Diplomaten in der libanesischen Hauptstadt, dürften die Amerikaner Wege suchen, um binSalman kaltzustellen oder ihn loszuwerden. Mit einem wie ihm könnten die USA im Nahen und Mittleren Osten auf Dauer keine erfolgreiche Politik machen. Ob im Jemen, gegen Katar oder in Istanbul: Wo bin-Salman etwas anpacke, sei der Schaden sehr viel größer als der Nutzen.