Bollywood in Biberach
Der Goldene Biber geht an den Liebesfilm „Once Again“– Starke Konkurrenz bei den 40. Filmfestspielen
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BIBERACH - Der Goldene Biber 2018 geht nach Bollywood – und nach Leipzig. Denn dort lebt der in Indien geborene Regisseur Kanwal Sethi seit Längerem und hat mittlerweile auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Sein Siegerfilm „Once Again“ist dann auch eine wahre multinationale Produktion – gedreht wurde in Mumbai, Förderung kam aus Sachsen und Österreich. Und die Geschichte, die erzählt wird, ist universell, geht es doch um die vorsichtige Annäherung zweier Menschen, die nicht erwartet hatten, im Leben noch einmal eine neue Liebe zu finden.
Klassenunterschiede spielen dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle. Denn Amar (Neeraj Kabi) ist ein berühmter Filmstar, sein Gesicht ist überall in der Stadt zu sehen. Bei all dem Ruhm ist er allerdings einsam, vor einiger Zeit haben seine Frau und er sich aus ungenannten Gründen getrennt. Tara (Shefali Shah) ist dagegen schon seit Langem verwitwet, gehört zur Mittelschicht, hat zwei Kinder großgezogen und betreibt ein erfolgreiches Restaurant. Seit fast einem Jahr beliefert sie Amar mit Essen und allmählich haben die beiden eine tiefe Verbindung aufgebaut, die sie über lange Telefongespräche pflegen.
Hindi mit Englisch
Der Film schreckt vor Melodrama und ein paar „normale Frau und großer Star verlieben sich“-Klischees nicht zurück, schildert die schwierige Beziehung der beiden erstklassig gespielten Figuren aber sehr differenziert und lebensnah. Gezeigt wurde der Film in einer Originalfassung, bei der die Figuren, wie es in der indischen Oberschicht üblich ist, Hindi mit englischen Einsprengseln sprechen. Für eine deutsche Auswertung im Fernsehen und möglicherweise Kino ist dagegen eine deutsche Vollsynchronisation zu befürchten, die dem Film etwas von seinem Charme nehmen dürfte.
Bei „Sandstern“(Kinostart 29. November) hätten sich dagegen wohl einige Zuschauer in Biberach über eine deutsche Fassung gefreut, denn aufgrund eines technischen Problems fehlten bei der ersten Vorführung die deutschen Untertitel. So lauschte man Dialogen in etwas Englisch, viel Deutsch, aber auch in nicht wenigen türkischen Passagen. Es spricht für die Darsteller und die Inszenierung von Regisseur Yilmaz Arslan, dass man der Geschichte über weite Passagen dennoch folgen konnte. Erzählt wird eine Einwanderungsgeschichte, bei der der zwölfjährige Oktay (Roland Kagan Sommer) in den 1980er-Jahren aus der türkischen Provinz nach Deutschland kommt. Der durchaus autobiografisch inspirierte Film von Yilmaz Arslan verbindet dieses klassische Thema aber auch noch mit einer Vielzahl von Ebenen wie Krankheit und Behinderung. Das wirkt streckenweise etwas überladen, dafür berührt die tiefe Menschlichkeit der Erzählperspektive.
Fehlende Untertitel wären bei „Der Lokführer, der die Liebe suchte“kein Problem gewesen – schließlich kommt der Film von Veit Helmer ohne ein gesprochenes Wort aus. Auch hier handelt es sich um eine internationale Produktion, gefilmt wurde im Handlungsort Aserbaidschan und – als es dort politische Probleme gab – auch in Georgien. Inspiriert von Stummfilmen wie Charlie Chaplins‘ „The Kid“, wird hier eine Art Aschenputtel-Geschichte erzählt – mit dem Unterschied, dass statt eines verlorenen Schuhs ein BH als Identifikationsmerkmal dient. Den findet der Lokführer nach einer einer Fahrten durch eine an die Bahnstrecke angrenzende Siedlung vorne an seinem Zug. Pflichtbewusst macht er sich auf die Suche nach der Trägerin, von dessen Wäscheleine das gute Stück wohl stammt.
Daraus entfaltet sich eine so humorvolle wie musikalische Suche vor beeindruckender Landschaft: ein schönes Filmerlebnis, das durchaus auch einen Preis verdient hätte.
Die Konkurrenz war allerdings auch recht groß bei den 40. Biberacher Filmfestspielen, sodass dieses Mal kein Preis zweimal verliehen wurde. Besonders erfolgreich waren Filme über das Heranwachsen (siehe „Schwäbische Zeitung“vom Samstag, 3.11.): Der Publikumspreis ging an „Raus“, der Schülerpreis an „Sarah spielt einen Werwolf“und der Preis für das beste Debüt an „Verlorene“. „Zerschlag mein Herz“, die Geschichte eines 17-jährigen Romajungen, erhielt den erstmals vergebenen Preis für das beste Drehbuch. Gewohnt diskussionsfreudig zeigte sich Ehrenbiber-Preisträger Werner Herzog, der seine neue Dokumentation „Meeting Gorbachev“vorstellte.