Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Wie wild ist der Landkreis Neu-Ulm?

In den Jagdrevier­en sind Rehe und Wildschwei­ne die wichtigste­n Bewohner - Jäger erblicken Neuankömml­inge

- Von Marcus Golling

LANDKREIS NEU-ULM - Natürlich macht sich Wild auf dem Teller gut – egal ob als klassische­s Gulasch oder als Burger. Für den Genuss von Wildbret haben in der Wildwoche im Landkreis Jäger und Gastronome­n geworben. Waidmann oder Waidfrau mögen Reh & Co. allerdings noch lieber in freier Wildbahn, wie Christian Liebsch, Vorsitzend­er der Kreisjäger­schaft, schwärmt: „Wenn man sieht, wie Frischling­e an der Bache säugen, das ist schon ein tolles Erlebnis.“Was den Jäger glücklich macht, ist für viele andere eine fremde Welt, selbst für die, die nicht den „Bambi“Fehler machen und den Hirsch für den Mann vom Reh halten – das ist der Bock. Aber welches Wild tummelt sich nun in den Wäldern? Und wie steht es um die Vielfalt?

Tatsächlic­h gibt es den (Rot) hirsch im Landkreis Neu-Ulm in freier Wildbahn nicht. Wie Anneliese Maisch von der Unteren Jagdbehörd­e im Landratsam­t erklärt, sind Rehwild und Schwarzwil­d, also Wildschwei­ne, die prägenden Tiere in Wald und Flur. Wie viel Wild in der Region lebt, lässt sich kaum schätzen, dafür lässt sich genau sagen, wie viel erlegt wird – das müssen die Jäger nämlich mit sogenannte­n Streckenli­sten melden. Im Falle der Rehe existieren Abschusspl­äne: Innerhalb von drei Jahren sollen Maisch zufolge insgesamt 6070 Stück geschossen werden. Im vergangene­n Jagdjahr, das jeweils am 31. Mai endet, wurde die Vorgabe mit 2073 erfüllt. Aus Sicht der Waidleute sind die Pläne okay, wie Oberjäger Liebsch sagt. „Die Zahlen sollten beibehalte­n werden.“

Was man dabei wissen sollte: Es sind meistens nicht die Jäger, die auf mehr Abschüsse dringen, sondern eher die Waldbesitz­er, die den Schaden an den Bäumen durch Verbiss fürchten. Die Jäger, so Liebsch, sind dabei so etwas wie Manager der Tierbestän­de: „Wer eine Jagd pachtet, übernimmt die Verantwort­ung für das Wildgefüge.“Es geht dabei nicht nur ums Gleichgewi­cht zwischen Wald und Wild (Stichwort Verbiss), sondern auch um das zwischen den einzelnen Arten.

Kaum noch Feldhasen in Wald und Flur

Ein gutes Beispiel ist da der Fuchs, wie Verwaltung­sfrau Maisch erklärt: „Es ist notwendig, eine gewisse Anzahl zu erlegen, damit Rebhuhn, Fasan oder Feldhase eine Chance haben, ihren Bestand zu erhalten.“Natürliche Feinde hat der rotbefellt­e Räuber nämlich nicht. Die genannten Beutetiere haben es ohnehin nicht leicht: Feldhasen gibt es nur noch so wenige, dass sie kaum bejagt werden (2017/18 waren es nur 263 Abschüsse), Fasan und Rebhuhn sucht man in vielen Revieren vergebens. Nennenswer­te Population­en der Vögel existieren Maisch zufolge im Obenhauser Ried und bei Nersingen.

An Wildschwei­nen, für die es keine Abschussqu­oten gibt, herrscht kein Mangel. 2017/18 wurden laut Statistik 732 der Borstentie­re erlegt – Rekord. „So eine hohe Zahl hatten wir seit Beginn unserer Aufzeichnu­ngen noch nie“, sagt die Fachfrau im Landratsam­t. Einen Trend will Maisch daraus aber nicht ableiten, schon weil das Schwarzwil­d oft nicht ortsfest ist, sondern ständig auf der Durchreise. Und dabei oft hohe Schäden verursacht, für die am Ende der Jagdpächte­r geradesteh­en muss. Statistike­n darüber liegen im Landratsam­t nicht vor, aber dass eine Rotte ein Maisfeld verwüstet, kommt öfter vor. Für das laufende Jagdjahr rechnet der Kreisjäger­schafts-Vorsitzend­e Liebsch aufgrund der bisherigen Beobachtun­gen mit weniger Schwarzkit­teln, dafür könnte das folgende wieder eine Sauen-Sause werden: 2018 war im Wald ein Mastjahr, die Bäume haben viele Früchte, also etwa Eicheln und Bucheckern produziert. Dadurch haben die Tiere viel zu fressen – und pflanzen sich im Frühjahr voraussich­tlich besonders eifrig fort.

Mag es auch speziell bei Landwirten eher unbeliebt sein: Das Wildschwei­n gehört fest zur heimischen Fauna. Andere Arten sind zuletzt zugewander­t. So kam laut Jäger Liebsch zuletzt Damwild, also tatsächlic­h eine Hirschart, von Osten her über die Landkreisg­renze, was zumindest Liebsch freut: „Jede Tierart gehört in den Naturkreis­lauf, man sollte ihr eine Chance geben“, sagt er – wobei die Kollegen vom Staatsfors­t wegen der Verbissgef­ahr „keinen Wert auf eine weitere Schalenwil­d-Art“legten. Auch in der Luft gibt es Neulinge, vor allem die Nil- und Rostgänse, wobei letztere noch nicht bejagt werden.

Weniger gern gesehen sind zwei zugewander­te Räuber: Waschbären, von denen im vergangene­n Jagdjahr im Landkreis immerhin fünf erlegt wurden, und Marderhund­e. Von letzterer, ursprüngli­ch aus Ostasien stammender Art, gab es laut Liebsch im Kreis bisher nur „vermutete Sichtungen“.

Ein derzeit auf dem Vormarsch befindlich­es Tier will der Jäger selbst, der sein Revier im Bereich Hittistett­en/Witzighaus­en hat, lieber nicht im Landkreis haben: den Wolf. Wobei er befürchtet, dass sich dessen Zuwanderun­g nicht vermeiden lässt. Dann würde sich „die Jagd komplett verändern“, befürchtet er. Manche Tiere könnten dann komplett verschwind­en, andere sich zu großen Rudeln zusammensc­hließen. So wie in Teilen Ostdeutsch­lands.

Menschen sollten mehr Rücksicht nehmen

Doch auch ohne Isegrim hat es das Wild nicht leicht – durch den Menschen. Liebsch wünscht sich, dass Nicht-Waidmänner mehr Rücksicht auf den Lebensraum der Tiere nehmen und nicht in der Dämmerung (oder nachts) im oder am Wald joggen, reiten oder fahrradfah­ren. Und Hunde draußen immer an die Leine nehmen. Sonst werde das Wild nicht nur beunruhigt, sondern noch tiefer in den Wald gedrängt – und noch mehr zur reinen Nachtaktiv­ität gezwungen. Dann würde der Nicht-Jäger, so Liebsch, bald gar kein Reh mehr bei Tageslicht zu Gesicht bekommen. Oder nur noch auf dem Teller.

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FOTO: DPA An Wildschwei­nen, für die es keine Abschussqu­oten gibt, herrscht in den Wäldern des Landkreise­s Neu-Ulm kein Mangel. 2017/18 wurden laut Statistik 732 der Borstentie­re erlegt

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