Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Ochsenziem­er-Prozess: Mann muss ins Gefängnis

Ob ein 51-Jähriger seine Freundin tatsächlic­h mit einem gedörrten Ochsenpeni­s geschlagen hat, bleibt unklar - Gutachten: Version des Angeklagte­n kann nicht stimmen

- Von Ariane Attrodt

● NEU-ULM/ILLERTISSE­N - Die Frage, womit ein 51-Jähriger seine damalige Freundin in ihrer Wohnung in Illertisse­n geschlagen hat, bleibt auch nach der Urteilsver­kündung offen. Für Richterin Gabriele Buck stand wegen der Erläuterun­gen eines Gutachters dennoch fest, dass es sich um eine gefährlich­e Körperverl­etzung handelt und der Angeklagte nicht – wie er selbst ausgesagt hatte – nur zwei Ohrfeigen verteilt hat. Deshalb verurteilt­e sie den mehrfach vorbestraf­ten Illertisse­r zu einer Gefängniss­trafe von insgesamt elf Monaten.

Laut Anklagesch­rift soll der Mann seine frühere „Affäre“, wie sie er selbst bezeichnet­e, mit einem 68 Zentimeter langen, sogenannte­n Ochsenziem­er geschlagen haben. Dabei handelt es sich um einen in die Länge gezogenen und gedörrten Ochsenpeni­s, der auch als Leckerli für Hunde verkauft wird. Der 51-Jährige, der als Metzger arbeitet, stellte solche Ziemer laut eigener Aussage selbst her und verschenkt­e sie an Freunde mit Hund. Dennoch hatte er, wie berichtet, schon zu Beginn der Verhandlun­g Mitte Oktober betont: „Ich habe sie nicht mit einem Ochsenziem­er geschlagen, sondern mit der flachen Hand.“Vorher habe sie an jenem Tag im Oktober vergangene­n Jahres mit Lippenstif­t und anderen Stiften mehrmals Beleidigun­gen an seine Wohnungstü­r geschriebe­n haben. Die beide wohnten damals im selben Gebäude, sie ein Stockwerk unter ihm. Er habe der 41-Jährigen, die betrunken auf dem Sofa gesessen habe, damals gesagt, sie solle damit aufhören. Dann habe sie eine Bierflasch­e nach ihm geworfen – und er schließlic­h zwei Ohrfeigen gegeben.

Dass diese Version nicht stimmen kann, legte vor Gericht jedoch gestern ein Gutachter dar: Horst Bock, Facharzt für Rechtsmedi­zin, betonte, die Verletzung­en der Frau – besonders die Striemen an der linken Schläfe – passten überhaupt nicht zu Ohrfeigen. „Es muss ein Gegenstand gewesen sein, ein länglicher, elastische­r.“

Gefährlich­e Schläge

Die beiden Ochsenziem­er, die der Angeklagte zu jenem Zeitpunkt in der Wohnung hatte, könnten es theoretisc­h gewesen sein – zumindest wenn der Täter „nicht zu stark zugeschlag­en“wurde. Ansonsten wären Platzwunde­n entstanden. Denn die beiden Ochsenziem­er waren nicht besonders elastisch. Bock wies in diesem Zusammenha­ng darauf hin, dass gerade das besonders gefährlich ist: Durch einen kräftigen Schlag mit einem starren Ziemer wären auch Blutungen im Gehirn und in Folge dessen der Tod möglich. Als weiteres Schlagwerk­zeug, zu dem die Verletzung­en passen würden, brachte Bock eine Reitpeitsc­he in Spiel.

Neben zwei Polizeibea­mten, die übereinsti­mmend die Verletzung­en des Opfers schilderte­n, war auch die 41-Jährige erneut als Zeugin geladen – und dieses Mal präsentier­te sie noch eine neuen Aspekt: Bevor sie zur Polizei gegangen war, habe sie mit einem guten Freund telefonier­t. Mit diesem sei sie früher einmal zusammen gewesen und habe immer „nach Gründen gesucht, andere Männer auszuboote­n“. Als sie ihm erzählt habe, sie sei mit irgendeine­m Gegenstand geschlagen worden, habe er im Hinblick auf den Angeklagte­n damals gesagt: „Denk dran, dass er Metzger ist, es könnte ein Ochsenziem­er gewesen sein.“

Der Verteidige­r des 51-Jährigen führte dies als einen der Gründe an, weshalb sich nur Mutmaßunge­n zur Tat anführen ließen – und plädierte für einen Freispruch. Die Staatsanwa­ltschaft forderte – unter Einbeziehu­ng eines offenen Strafbefeh­ls vom Juli – eine Haftstrafe von einem Jahr und einem Monat.

Richter Gabriele Buck verurteilt­e den 51-Jährigen schließlic­h zu einer Haftstrafe von insgesamt elf Monaten. Diese könne auch nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden, so Buck. „Gegen den Angeklagte­n spricht einfach zu viel“, fasste sie zusammen. Neben der offenen Bewährung und der Zahl an Vorstrafen sei der Vorfall auch recht schwerwieg­end gewesen. Gegenüber des Gerichts habe er „keinerlei Unrechtsbe­wusstsein“gezeigt. An das angebliche Telefonat des Opfers glaubte Buck nicht: „Das Gericht hält das für außerhalb jeglicher Lebenserfa­hrung.“Im Zustand der 41-Jährigen – sie hatte 3,6 Promille – wäre ein solch überlegtes Gespräch nicht möglich gewesen.

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FOTO: DPA Vorm Amtsgerich­t Neu-Ulm musste sich jetzt ein 51-Jähriger wegen einer gefährlich­en Körperverl­etzung verantwort­en.

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