„Spenderorgan ist eine zweite Chance auf Leben“
Transplantationsbeauftragter des Alb-Donau-Klinikums Ehingen, Dr. Manfred Popp, spricht über seine Arbeit
EHINGEN (sz) - Das Alb-Donau-Klinikum Ehingen wird am 14. November im Sozialministerium Stuttgart für besonderes Engagement bei der Organspende ausgezeichnet. Dr. Manfred Popp, Chefarzt der Anästhesie, ist Transplantationsbeauftragter in Ehingen. In einem Interview gibt er Einblick in seine Arbeit.
Wie erkennen Sie mögliche Organspender?
Das hängt von der Art der Erkrankung und dem Unfallmechanismus ab. Patienten, bei denen das Thema Organspende möglicherweise aufkommen kann, sind beispielsweise Patienten nach einem Motorradunfall mit schwerem Schädelhirntrauma, die im tiefen Koma liegen, keine Reflexe mehr haben und bei denen die diagnostischen Befunde den Verdacht auf eine schwere Gehirnverletzung lenken. Ein anderes Beispiel sind Ertrinkungsopfer oder Patienten nach einer zunächst erfolgreichen Reanimation, die nicht aus dem Koma erwachen, keine Reflexe zeigen und keinen eigenen Atemantrieb entwickeln. In der Folge müssen dann weitere Untersuchungen wie neurologische Tests, ein EEG, ein Schädel-CT und eine Angiographie (radiologische Gefäßuntersuchung) Klarheit schaffen, ob bei dem Patienten der Hirntod eingetreten ist.
Welche Schritte leiten Sie ein, wenn Sie einen Patienten als potenziellen Organspender betrachten?
Wenn wir auf der Intensivstation einen Patienten behandeln, bei dem der Hirntod absehbar ist, informieren wie die DSO, also die Deutsche Stiftung Organtransplantation, und bitten um Unterstützung der Hirntoddiagnostik. Die Kriterien für den Nachweis sind von der Bundesärztekammer genau festgelegt. Zwei dafür qualifizierte Ärzte – einer von ihnen muss zudem Neurologe sein – müssen unabhängig voneinander den unumkehrbaren Ausfall der Hirnfunktion feststellen. Das schreibt das Transplantationsgesetz vor und das halte ich auch für ausgesprochen wichtig. Diese Ärzte dürfen zudem nichts mit der eigentlichen Transplantation zu tun haben. So werden mögliche Interessenskonflikte schon von vornherein ausgeschlossen. Die Koordinatoren der DSO unterstützen uns in so einem Fall auch organisatorisch und sind bei den Gesprächen mit Angehörigen dabei. Denn unabhängig von der Frage, ob der Patient nach seinem Tod als Spender in Frage kommt, müssen wir auch die Frage klären, ob und, wenn ja, welche Organe entnommen werden dürfen. Dabei geht es um den erklärten oder mutmaßlichen Patientenwillen. Insofern ist ein Organspendeausweis für alle Beteiligten eine Hilfe.
Wie verläuft eine Organspende?
Das Transplantationsgesetz schreibt vor, dass der Tod des Patienten durch den Nachweis des irreversiblen Ausfalls des Gehirns zweifelsfrei feststeht und dass eine Einwilligung zur Organspende vorliegt. Nur wenn beides erfüllt ist, erfolgt die Einschaltung der DSO, die den weiteren Ablauf der Organentnahme organisiert. Daneben werden die intensivmedizinischen Maßnahmen bis zur Organentnahme aufrechterhalten. Der Patient wird umfassend untersucht, um mögliche Risiken für den Empfänger so gering wie möglich zu halten. Zudem werden die Blutgruppe und Gewebemerkmale bestimmt – diese beiden Werte sind wichtige Daten für die Vermittlung von Organen. Der DSO-Koordinator schickt alle Untersuchungsergebnisse und weitere Daten an Eurotransplant. Dort gleicht ein Computer die Daten mit den Patienten auf der Warteliste ab und sucht so nach dem passenden Empfänger. Dabei wird auch berücksichtigt, dass Patienten umso schneller ein Organ erhalten sollen, je dringender sie dieses benötigen. Wurde ein passender Empfänger gefunden, muss sich dieser umgehend auf den Weg in ein Trans- plantationszentrum machen und wird dort auf den Eingriff vorbereitet. Die Entnahme des oder der Organe erfolgt in der Regel durch Operateure eines Transplantationszentrums. Diese werden aber von unserem OP-Personal unterstützt und auch die anästhesiologische Versorgung des Patienten erfolgt durch unsere Anästhesieabteilung. Der Transport des entnommenen Organs erfolgt in einer Kühllösung so schnell und sorgfältig wie möglich. Der Körper des Leichnams wird fachgerecht verschlossen und anschließend in der Leichenhalle aufgebahrt, wo die Angehörigen die Möglichkeit haben, ihn nochmals zu sehen.
Manche Menschen haben Angst, dass für sie im Krankenhaus nicht alles medizinisch Mögliche getan wird, wenn sie sich zur Organspende bereit erklärt haben. Was sagen Sie dazu?
Diese Angst muss niemand haben. Ziel aller intensivmedizinischen Maßnahmen nach einem Unfall oder im Falle einer schweren Erkrankung ist es, das Leben des Patienten zu retten und seine Gesundheit bestmöglich wiederherzustellen. Darauf sind alle Arbeiten der Rettungsteams, des Notarztes und der Ärzte auf der Intensivstation ausgerichtet. Und letztlich ist doch genau dieser Wunsch zu helfen und zu heilen der Grund, weshalb die meisten den Arztberuf ergreifen. Leider ist es aber nicht immer möglich, das Leben des Patienten zu retten – manchmal sind die Verletzungen zu schwerwiegend oder eine Krankheit ist schon zu weit fortgeschritten. Erst wenn der Tod des Patienten in Form eines irreversiblen Funktionsausfalls des Groß- und Kleinhirns und des Hirnstamms eingetreten ist, erfolgt die Überlegung, ob eine Organentnahme zur Transplantation möglich ist. Das bedeutet aber auch, dass bis zum Zeitpunkt des Hirntods ohnehin alle Zeichen auf Rettung stehen. Ist dieser dennoch eingetreten, kann man für den Patienten nichts mehr tun, möglicherweise aber dafür sorgen, dass ein anderer Mensch durch ein Spenderorgan eine zweite Chance auf Leben erhält.
Was sind Ihre Aufgaben als Transplantationsbeauftragter?
Meine Aufgabe ist es, den Organspendeprozess vor Ort in unserer Klinik zu organisieren. Dazu gehört auch die Identifizierung möglicher Spender, die enge Zusammenarbeit mit der DSO, die Beratung unserer Mitarbeiter und die Betreuung und der Kontakt mit den Angehörigen. Ich sehe mich in dieser Funktion auch als Bindeglied zwischen dem Krankenhaus und der DSO. Ich nehme an Intensivvisiten teil und sorge für regelmäßige Fortbildungen der Mitarbeiter auf dem Gebiet der Transplantation.
Was sind die Unterschiede zu anderen Aufgaben im Krankenhaus?
Als Chefarzt der Anästhesie obliegt mir die Führung meiner Abteilung, medizinisch, wie organisatorisch trage ich die Verantwortung. Visiten auf der Intensivstation, die anästhesiologische Versorgung der Patienten wie auch die Untersuchung und Aufklärung der zu operierenden Patienten bestimmen meine tägliche Arbeit. Hinzu kommen die Aufgaben des Hygienebeauftragten und des Transplantationsbeauftragten.
Was würden Sie sich wünschen, damit Ihre Aufgabe als Transplantationsbeauftragter leichter wird?
Den Vorstoß des Kabinetts, die Transplantationsbeauftragten für diese Tätigkeit freizustellen, halte ich für eine wünschenswerte Aufwertung. Denn Studien zeigen auch, dass Angehörige eher zustimmen, wenn sie von Arzt und Transplantationsbeauftragten gemeinsam beraten werden. Zudem wünsche ich mir, dass sich mehr Menschen mit der Frage beschäftigen, ob sie Organe spenden. Dieser Wunsch sollte unbedingt dokumentiert und mit den Angehörigen besprochen werden. Denn für diese ist es ausgesprochen schwer, in der Situation des Verlusts eines geliebten Menschen eine so weitreichende Entscheidung treffen zu müssen.