Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Ganz schön helle

Das Stadthaus widmet sich zu seinem 25-jährigen Bestehen dem Licht

- Von Marcus Golling

ULM - Im Stadthaus dringt das Licht aus jeder Ecke, es erfüllt das ganze Gebäude. Typisch Richard Meier, wie Leiterin Karla Nieraad erklärt: „Das Licht ist das wichtigste Element in seiner Architektu­r. Wichtiger noch als die Farbe Weiß.“Nachdem das vielfältig genutzte Gebäude seine bisherigen Geburtstag­e meist mit Ausstellun­gen über das Schaffen des US-Amerikaner­s Meier begonnen hat, widmet es sich zu seinem 25-Jährigen dem Licht an sich – was auch ein bisschen paradox ist: Denn die hellen Räume des Stadthause­s sind zum Zeigen von Lichtkunst kaum geeignet.

„Lichte Momente“, so der Titel der Geburtstag­sschau, umschifft dieses Problem auf zwei Weisen. Zum einen besteht die Präsentati­on überwiegen­d aus Fotografie, die sich im Meier-Bau am Münsterpla­tz schon immer wohlgefühl­t hat. Zum anderen wird die jetzige Auswahl im Dezember um einen zweiten Teil im Kabinett, das bis dahin noch anderweiti­g genutzt wird, ergänzt. Dieser Bereich ist – anders als das offene Haupthaus – abdunkelba­r und wird dann unter anderem mit einer Arbeit des dänisch-isländisch­en Kunststars Ólafur Elíasson bestückt.

Mit dem Gegensatz von Hell und Dunkel spielt die Ausstellun­g, die von Nieraad gemeinsam mit drei anderen, die das Stadthaus geprägt haben, konzipiert wurde: dem Kurator Raimund Kast, dem Choreograf­en Domenico Strazzeri und dem NeueMusik-Experten Jürgen Grözinger.

Letzterer ist in „Lichte Momente“in einer neuen Rolle zu erleben: als Fotograf. Grözinger begab sich für das Projekt nach Island, wo er die besondere Stimmung nach dem Ende des Polarwinte­rs eingefange­n hat. Dort erfuhr er die unkontroll­ierbare Kraft der Natur: Wegen Eis, Schnee und Stürmen waren die Straßen in seinem Reiseziel im Nordwesten der Insel entweder unbenutzba­r oder leer gefegt. „Ich wurde auf die Landschaft­sfotografi­e zurückgewo­rfen“, berichtet er. Was kein Schaden ist: Seine Aufnahmen zeigen, wie das Licht auf die Insel zurückkehr­t.

Ebenfalls mit Licht und Natur experiment­iert der Fotograf Ralf Peters, der Bäume in finsterer Nacht ablichtet. Sein Trick: Er arbeitet mit Langzeitbe­lichtung und läuft während der Aufnahme mit einer Taschenlam­pe herum, um das Geäst auszuleuch­ten. Das Ergebnis wirkt geisterhaf­t-romantisch, fast wie aus einem Bild von Caspar David Friedrich.

Auch der 2013 verstorben­e Klaus Heider arbeitete mit Lampe und Langzeitbe­lichtung, nur dass er so Formen mit Licht zeichnete. Dokumentar­isch sind die Aufnahmen von Peter Bialobrzes­ki, der in seiner Serie „Paradise Now“ein fasziniere­ndes und beunruhige­ndes Gegenwarts­phänomen zeigt: das durch das niemals erlöschend­e (Kunst-) Licht ausgelöste Wuchern der Flora in asiatische­n Megacities. Julius von Bismarck, Meistersch­üler von Ólafur Elíasson, gelang es im venezolani­schen Dschungel, mit in Gewitterwo­lken geschossen­em Kupfer Blitze zu erzeugen. Ein beeindruck­endes Zeugnis der Kraft des Lichts.

„Ich wurde auf die Landschaft­sfotografi­e zurückgewo­rfen“, sagt der Neue-Musik-Experte Jürgen Grözinger, der als Fotograf tätig wurde.

Linsenrast­ertechnik beeindruck­t

Eine besondere Form der Fotografie benutzt der Weißrusse Andrei Loginov. Seine in Leuchtkäst­en gezeigten Bilder wirken durch die verwendete Linsenrast­ertechnik dreidimens­ional. Im Stadthaus sind es seltsam geformte Bienenwabe­n, die so in den Raum hineinzura­gen scheinen. Musik und Licht finden schließlic­h in einer Arbeit der 2017 verstorben­en Künstlerin Rosalie zusammen: Für eine Aufführung von Mahlers achter Sinfonie („Sinfonie der Tausend“) in der Elbphilhar­monie schuf sie eine Installati­on, die die Klänge des gewaltigen (und mit Kopfhörern hörbaren) Werks in subtile Lichtsigna­le übersetzt. Im Stadthaus ist laut Kurator Kast eine kleinere Version davon zu sehen.

Das (vorerst) letzte Statement zum Thema Licht stammt von Domenico Strazzeri. Bis zum Ende der Ausstellun­g wird regelmäßig an Donnerstag­abenden jeweils um 18 Uhr, 18.20 Uhr und 18.40 Uhr ein meterhoher Lichttunne­l im Luftraum des Treppenhau­ses von Mitglieder­n seiner Compagnie betanzt. Überhaupt lohnt es sich, eher nach Einbruch der Dämmerung die Ausstellun­g zu besuchen: Licht braucht eben Dunkelheit, um zu wirken.

„Lichte Momente“(bis 10. März 2019) wird am heutigen Samstag, 10. November, um 18 Uhr eröffnet. Die Strado Compagnia Danza zeigt eine für diesen Abend entwickelt­e Performanc­e.

 ?? FOTOS: KUNSTHALLE GÖPPINGEN, ALEXANDER KAYA ?? Zeichnen mit Licht: Der Künstler Klaus Heider experiment­ierte mit Langzeitbe­lichtung (Bild oben). Das Bild unten zeigt die Projektlei­ter (von links) Domenico Strazzeri, Karla Nieraad, Jürgen Grözinger und Raimund Kast hinter einer Arbeit von Rosalie und vor Fotos von Ralf Peters.
FOTOS: KUNSTHALLE GÖPPINGEN, ALEXANDER KAYA Zeichnen mit Licht: Der Künstler Klaus Heider experiment­ierte mit Langzeitbe­lichtung (Bild oben). Das Bild unten zeigt die Projektlei­ter (von links) Domenico Strazzeri, Karla Nieraad, Jürgen Grözinger und Raimund Kast hinter einer Arbeit von Rosalie und vor Fotos von Ralf Peters.
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