Wachsende Sorgen
Wirtschaftsleistung sinkt – Bundesbank warnt vor „Verwundbarkeiten“im Finanzsystem
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BERLIN - „Nicht schön, aber keine Katastrophe“- Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) versucht zu beruhigen, nachdem die deutsche Volkswirtschaft das erste Mal seit dreieinhalb Jahren geschrumpft ist. Andere Experten sprechen von einem „Weckruf“. Die Bundesbank warnt zudem bereits vor einer drohenden Finanzkrise. Hintergründe zu den wachsenden Sorgen um den deutschen Aufschwung.
Negative Überraschung:
Einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 0,2 Prozent meldete das Statistische Bundesamt am Mittwoch für das dritte Quartal. Damit ist die Wirtschaftsleistung noch etwas stärker gesunken als erwartet. Vor allem eine Schlüsselbranche schwächelt: Die Autoindustrie fährt wegen der Umstellung auf das neue Abgastestverfahren WLTP ihre Produktion herunter. Dieser schärfere Standard gilt seit September in der EU. Die deutschen Konzerne schafften es jedoch nicht, sich bei allen Modellen rechtzeitig darauf einzustellen. Auch in anderen Branchen stottert der Exportmotor. Der Handelskonflikt zeigt ebenso seine Wirkung wie die Flaute in den Schwellenländern. Für zusätzliche Verunsicherung sorgt Italien mit seiner Schuldenpolitik, was die Währungsunion in eine ernste Krise stürzen könnte. Zudem läuft es auch im Inland nicht mehr wirklich rund: Die Unternehmen können durch den Fachkräftemangel Personallücken nicht mehr schließen und halten sich insgesamt weiterhin mit Investitionen auffallend zurück.
Vorübergehende Abschwächung?
Im nächsten Quartal werde es bereits wieder aufwärts gehen, versicherte Wirtschaftsminister Altmaier. Dennoch zeige der aktuelle Rückgang, dass der Aufschwung „ein zartes Pflänzchen“sei, um das man sich kümmern müsse. Auch Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Diba, sieht keinen Grund für eine Untergangsstimmung. Doch die Belastungen durch Handelskonflikte oder die Schwäche der Schwellenländer werden nach seiner Einschätzung das Wachstum auch weiterhin bremsen. Der Konjunkturzug werde nicht dauerhaft rückwärts rollen, meint Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der staatseigenen KfW Bankengruppe. „Schon im vierten Quartal dürfte er wieder Fahrt aufnehmen, jedoch ohne das hohe Tempo der jüngeren Vergangenheit sobald wieder zu erreichen.“Zwar gibt es auch belebende Faktoren wie die niedrigen Zinsen, den schwachen Euro und die solide Binnennachfrage dank der guten Beschäftigungslage. Das reicht, um eine Rezession, ein Schrumpfen der Wirtschaft über einen längeren Zeitraum hinweg, zu verhindern. Aber die alten Wachstumsraten mit einer Zwei vor dem Komma sind erst einmal passé.
Risiko Finanzmärkte:
Die gestiegenen Gefahren für die Konjunktur gefährden auch die Banken, schreibt die Bundesbank in ihrem Finanzstabilitätsbericht 2018. Die deutschen Geldhäuser hätten zwar ausreichend Kapitalpuffer BERLIN - Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, sieht für die Wirtschaft schon das vierte Quartal wieder positiv. Markus Sievers hat Fratzscher befragt. Ist das Schrumpfen das Ende des Aufschwungs? Die deutsche Wirtschaft ist im dritten Quartal geschrumpft. Dies ist jedoch eine Delle, verursacht durch die Probleme im Automobilsektor. Es gibt überhaupt keinen Grund zur Panik. Ein Teil dieser Schwäche wird im vierten Quartal wieder aufgeholt werden, in dem die deutsche Wirtschaft aufgebaut, litten aber unter den niedrigen Zinsen. Eine unerwartet starke Eintrübung der wirtschaftlichen Lage könne „Verwundbarkeiten“im Finanzsystem verschärfen, schrieb die Zentralbank. „Die Abwärtsrisiken für die wirtschaftliche Entwicklung sind deutlich gestiegen“, erklärte die Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank, Claudia Buch. In der Hochkonjunktur tendieren Banken dazu, die Risiken bei einer Kreditvergabe zu unterschätzen. Bei einem Abschwung drohen ihnen daher Ausfälle. Bei den Immobilienpreisen in Berlin, Frankfurt oder München sieht die Bundesbank Übertreibungen bis zu 30 Prozent. Das ist für die Volkswirtschaft als Ganzes noch nicht gefährlich, da sich die Immobilienkäufer hierzulande relativ wenig verschuldet haben. Dennoch weist die Bundesbank darauf hin, dass manche Leute die Sicherheit und Wertstabilität von Immobilien überschätzen könnten.