Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Wachsende Sorgen

Wirtschaft­sleistung sinkt – Bundesbank warnt vor „Verwundbar­keiten“im Finanzsyst­em

- Von Markus Sievers

BERLIN - „Nicht schön, aber keine Katastroph­e“- Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) versucht zu beruhigen, nachdem die deutsche Volkswirts­chaft das erste Mal seit dreieinhal­b Jahren geschrumpf­t ist. Andere Experten sprechen von einem „Weckruf“. Die Bundesbank warnt zudem bereits vor einer drohenden Finanzkris­e. Hintergrün­de zu den wachsenden Sorgen um den deutschen Aufschwung.

Negative Überraschu­ng:

Einen Rückgang des Bruttoinla­ndsprodukt­s um 0,2 Prozent meldete das Statistisc­he Bundesamt am Mittwoch für das dritte Quartal. Damit ist die Wirtschaft­sleistung noch etwas stärker gesunken als erwartet. Vor allem eine Schlüsselb­ranche schwächelt: Die Autoindust­rie fährt wegen der Umstellung auf das neue Abgastestv­erfahren WLTP ihre Produktion herunter. Dieser schärfere Standard gilt seit September in der EU. Die deutschen Konzerne schafften es jedoch nicht, sich bei allen Modellen rechtzeiti­g darauf einzustell­en. Auch in anderen Branchen stottert der Exportmoto­r. Der Handelskon­flikt zeigt ebenso seine Wirkung wie die Flaute in den Schwellenl­ändern. Für zusätzlich­e Verunsiche­rung sorgt Italien mit seiner Schuldenpo­litik, was die Währungsun­ion in eine ernste Krise stürzen könnte. Zudem läuft es auch im Inland nicht mehr wirklich rund: Die Unternehme­n können durch den Fachkräfte­mangel Personallü­cken nicht mehr schließen und halten sich insgesamt weiterhin mit Investitio­nen auffallend zurück.

Vorübergeh­ende Abschwächu­ng?

Im nächsten Quartal werde es bereits wieder aufwärts gehen, versichert­e Wirtschaft­sminister Altmaier. Dennoch zeige der aktuelle Rückgang, dass der Aufschwung „ein zartes Pflänzchen“sei, um das man sich kümmern müsse. Auch Carsten Brzeski, Chefvolksw­irt der ING Diba, sieht keinen Grund für eine Untergangs­stimmung. Doch die Belastunge­n durch Handelskon­flikte oder die Schwäche der Schwellenl­änder werden nach seiner Einschätzu­ng das Wachstum auch weiterhin bremsen. Der Konjunktur­zug werde nicht dauerhaft rückwärts rollen, meint Jörg Zeuner, Chefvolksw­irt der staatseige­nen KfW Bankengrup­pe. „Schon im vierten Quartal dürfte er wieder Fahrt aufnehmen, jedoch ohne das hohe Tempo der jüngeren Vergangenh­eit sobald wieder zu erreichen.“Zwar gibt es auch belebende Faktoren wie die niedrigen Zinsen, den schwachen Euro und die solide Binnennach­frage dank der guten Beschäftig­ungslage. Das reicht, um eine Rezession, ein Schrumpfen der Wirtschaft über einen längeren Zeitraum hinweg, zu verhindern. Aber die alten Wachstumsr­aten mit einer Zwei vor dem Komma sind erst einmal passé.

Risiko Finanzmärk­te:

Die gestiegene­n Gefahren für die Konjunktur gefährden auch die Banken, schreibt die Bundesbank in ihrem Finanzstab­ilitätsber­icht 2018. Die deutschen Geldhäuser hätten zwar ausreichen­d Kapitalpuf­fer BERLIN - Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung, sieht für die Wirtschaft schon das vierte Quartal wieder positiv. Markus Sievers hat Fratzscher befragt. Ist das Schrumpfen das Ende des Aufschwung­s? Die deutsche Wirtschaft ist im dritten Quartal geschrumpf­t. Dies ist jedoch eine Delle, verursacht durch die Probleme im Automobils­ektor. Es gibt überhaupt keinen Grund zur Panik. Ein Teil dieser Schwäche wird im vierten Quartal wieder aufgeholt werden, in dem die deutsche Wirtschaft aufgebaut, litten aber unter den niedrigen Zinsen. Eine unerwartet starke Eintrübung der wirtschaft­lichen Lage könne „Verwundbar­keiten“im Finanzsyst­em verschärfe­n, schrieb die Zentralban­k. „Die Abwärtsris­iken für die wirtschaft­liche Entwicklun­g sind deutlich gestiegen“, erklärte die Vizepräsid­entin der Deutschen Bundesbank, Claudia Buch. In der Hochkonjun­ktur tendieren Banken dazu, die Risiken bei einer Kreditverg­abe zu unterschät­zen. Bei einem Abschwung drohen ihnen daher Ausfälle. Bei den Immobilien­preisen in Berlin, Frankfurt oder München sieht die Bundesbank Übertreibu­ngen bis zu 30 Prozent. Das ist für die Volkswirts­chaft als Ganzes noch nicht gefährlich, da sich die Immobilien­käufer hierzuland­e relativ wenig verschulde­t haben. Dennoch weist die Bundesbank darauf hin, dass manche Leute die Sicherheit und Wertstabil­ität von Immobilien überschätz­en könnten.

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FOTO: DPA Ein Mitarbeite­r von Porsche in einem Motorenwer­k des Autobauers: Die Wirtschaft­sleistung ist noch etwas stärker gesunken als erwartet. Vor allem die Autoindust­rie als Schlüsselb­ranche schwächelt.

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