Eine moralische Verpflichtung
Ziele zu haben ist wichtig im Leben. Genauso wichtig ist allerdings konkretes Handeln, um gesteckte Ziele zu erreichen. Daran jedoch fehlt es in der globalen Klimapolitik. So haben die meisten Länder zwar erkannt, dass der Klimawandel Wohlstand und Gesundheit ihrer Bürger bedroht. Vor drei Jahren beschlossen sie deswegen in Paris, den weltweiten Temperaturanstieg auf zwei Grad zu begrenzen. Geschehen ist seitdem herzlich wenig. So gut wie kein Staat von Bedeutung erfüllt seine Versprechungen. Trotz aller Ziele und Ankündigungen befinden sich die weltweiten Treibhausgasemissionen auf Rekordniveau.
Klimaschützer hoffen nun auf den Weltklimagipfel ab Montag in Kattowitz. Dort soll Paris mit Leben gefüllt, aus der Absichtserklärung soll ein verbindliches Regelbuch werden, mit dem das Zwei-Grad-Ziel erreicht werden kann. Dieses Vorhaben ist anspruchsvoller denn je. Das liegt auch daran, dass Deutschland seine Vorreiterrolle verloren hat.
Bisher war das Land glaubwürdiger Vermittler zwischen Industriestaaten auf der einen und Entwicklungssowie Schwellenländern auf der anderen Seite. Die Letzteren wollen Entschädigungen für den Wohlstandsverzicht, den es bedeutet, kein Kohlenstoffdioxid mehr in die Luft zu pusten. Die Industrieländer hingegen wollen nicht die einzigen sein, die ihre Wirtschaft umkrempeln. Wäre die deutsche Delegation mit einem konkreten Kohleausstiegsdatum nach Kattowitz gereist, hätte dies Signalwirkung gehabt. Stattdessen sind die Erwartungen nun denkbar niedrig.
Für Deutschland wäre ein Scheitern ehrlicherweise verkraftbar: Das Land ist reich genug, um den schleichenden Klimawandel zu gestalten und die eigene Wirtschaft umzubauen. Verheerend ist klimapolitisches Nichtstun für die Entwicklungsländer. Nirgends ist das schon heute besser zu beobachten, als auf den Südsee-Inseln. Die Einwohner von Tuvalu etwa werden bereits jetzt umgesiedelt – auch wegen unseres Lebensstils. Es ist somit eine moralische Verpflichtung, den globalen Temperaturanstieg zu begrenzen.