„Jemen ist der schlimmste Ort für Kinder auf der Welt“
RAVENSBURG - Der Jemen wurde lange vernachlässigt, sagt Susanna Krüger, Geschäftsführerin der Kinderrechtsorganisation „Save the Children“(Foto: Save the Children), im Gespräch mit Daniel Hadrys.
Sie waren kürzlich selbst in der jemenitischen Hafenstadt Hodeida. Was haben Sie dort erlebt? Wie groß ist ihre Not?
Amal ist kein Einzelfall, sondern leider gibt es unzählige Kinder, die das gleiche Schicksal teilen. Jemen ist der schlimmste Ort für Kinder auf der Welt. Von 28 Millionen Einwohnern sind zwei Drittel abhängig von Nahrungsmittellieferungen. Die UN hat den absoluten Notstand ausgerufen, weil 14 Millionen von Hunger so bedroht sind, dass sie daran sterben könnten. Seit sich die saudische Offensive in Hodeida verstärkt hat, bergen unsere Mitarbeiter verletzte Kinder von den Straßen. Es sind unglaubliche Szenen, die sich gerade dort abspielen. Die Kinder sind ohnehin schon mangelernährt und ausgezehrt. Diphtherie und Cholera sind wieder ausgebrochen. Das sind eigentlich Krankheiten, die leicht auszumerzen sind. Bei der schlechten Versorgungsstruktur verbreiten sie sich aber viel zu schnell.
Wie ist humanitäre Hilfe in einer Konfliktregion überhaupt möglich?
geschlossen, würden wir versuchen, die Nothilfe über Aden im Süden des Landes zu koordinieren. Das wäre aber mit höheren Kosten und höheren Steuern verbunden, der Weg ins Land wäre schwieriger. Trotzdem: Wir sind da – und bleiben da.
Haben Sie das Gefühl, dass Jemen vernachlässigt wurde?
Das sind harte Fakten. Die Zahl der Krisen, die medial eine Rolle spielen, hat stark zugenommen. Es gibt sehr viel Berichterstattung über Syrien und Nahost. Wenn es sich zuspitzt, wie jetzt die Krise im Jemen, findet dies auch Widerhall in der Berichterstattung. Ist dies nicht der Fall, liegt es mitunter an einem ganz banalen Grund, warum so wenig über Jemen gesprochen wird: Wir haben keine Flüchtlingsbewegungen aus dem Land nach Europa. Wenn keine Flüchtlinge nach Europa kommen, wenn das Land relativ unbekannt ist, gibt es deutlich weniger Berichterstattung. Oft muss erst etwas so Schreckliches wie im Fall des Journalisten Khashoggi passieren oder es müssen die traurigen Bilder von Amal veröffentlicht werden, damit die Weltöffentlichkeit aufmerksam wird. Die Kinder im Jemen leiden aber schon viel zu lange – das dürfen wir nicht mehr länger hinnehmen.