Chance für den Frieden im Jemen
Gespräche in Schweden sollen den Krieg im Jemen beenden – Experten sind skeptisch
RIMBO (AFP) - Zwischen Hoffen und Bangen haben am Donnerstag in Schweden neue Friedensgespräche für das seit Jahren umkämpfte Bürgerkriegsland Jemen begonnen. Vertreter der Regierung und der HuthiRebellen kamen in Rimbo nahe Stockholm zu den ersten Verhandlungen seit 2016 zusammen.
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● STOCKHOLM/SANAA (dpa) - Mohammed Ismail ist eines von 28 Millionen Opfern. Er leidet unter den Kämpfen in seinem Heimatland Jemen, unter den Luftangriffen, dem Nahrungsmangel, der fehlenden medizinischen Versorgung im Bürgerkrieg. Der Beamte aus der Hauptstadt Sanaa wird schon lange nicht mehr für seine Arbeit bezahlt. Wie er seine Familie mit Taxifahren durchbringen soll, weiß er oft selbst nicht. Und damit gehört er im Jemen noch zu jenen, die Glück gehabt haben.
Denn das Leid vieler Jemeniten, deren Familien in vier Jahren Krieg zerrissen wurden, deren Kinder verhungerten und deren Eltern an Seuchen starben, ist unvorstellbar. Doch die Hoffnung der Menschen inmitten der größten humanitären Krise der Welt flammt dieser Tage wieder auf. Das bitterarme Land auf der arabischen Halbinsel blickt nach Schweden, wo am Donnerstag neue Friedensgespräche zwischen Regierung und Rebellen begonnen haben. Ein Ende des Desasters scheint möglich.
„Es gibt großen Optimismus dieses Mal, was den Erfolg der Konsultationen angeht“, sagt Ismail. „Die Konfliktparteien sehen sich genötigt, diese Krise zu beenden, die ihnen große Erschöpfung auf menschlicher, materieller und psychologischer Ebene eingebracht hat.“
Zerstörte Infrastruktur
Es ist diese Hoffnung, von denen die Menschen im Jemen zehren, denn Millionen haben sonst nichts, an das sie sich noch halten könnten. Mehr als drei Viertel der etwa 28 Millionen Einwohner sind nach UN-Angaben auf humanitäre Hilfe angewiesen. In vielen Regionen wurde die Infrastruktur zerstört, Krankenhäuser existieren dort nicht mehr.
„Zwölf Millionen Menschen stehen vor einer Hungersnot. Alle elf Minuten stirbt ein Kind“, sagte der Exekutivdirektor des UN-Welternährungsprogramms (WFP), David Beasley, zuletzt. In den vergangenen knapp vier Jahren starben in dem Konflikt nach UN-Angaben allein etwa 10 000 Zivilisten.
Viele der Unbeteiligten starben im Bombenhagel einer von Saudi-Arabien geführten Militärkoalition. Das Bündnis ließ den Konflikt 2015 eskalieren, nachdem die Huthi-Rebellen weite Teile des Bürgerkriegslandes überrannt und die international anerkannte Regierung unter dem schwachen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi ins Exil gejagt hatten. Riad fürchtet die Rebellen an seiner Grenze, weil diese von seinem Erzfeind Iran unterstützt werden.
Doch die vom Bündnis angekündigten Angriffe auf Huthi-Stellungen waren oftmals schlampig ausgeführt und trafen unzählige Zivilisten. Bilder von verwüsteten Hochzeiten oder Trauerfeiern gingen um die Welt. Im August sorgte das Bombardement eines Schulbusses, bei dem Dutzende Kinder starben, weltweit für Empörung.
Keines dieser Massaker aber vermochte so viel zu auszulösen wie der Tod eines Mannes: Der regierungskritische saudische Journalist Jamal Khashoggi wurde im Oktober in Istanbul von einem Tötungskommando aus Riad umgebracht. Hinweise deuten auf den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman als mutmaßlichen Drahtzieher.
Der Skandal brachte die saudische Regierung in die Defensive und Washington unter Zugzwang, die aggressive Außenpolitik seines engen Verbündeten einzuhegen. Seitdem der US-Druck für ein Ende der Kämpfe im Jemen zunahm, mehrten sich die Entspannungssignale. Die harten Kämpfe um die strategisch wichtige Hafenstadt Hudaida flauten ab, die Huthis kündigten an, Raketenangriffe einzustellen.
Am Montag schließlich machte die Militärkoalition den Luftraum über den Jemen für einen Verletztentransport der Huthis frei – eine Bedingung der Aufständischen für Gespräche. Huthi-Delegationsleiter Mohammed Abdul Salam schlug beim Abflug mit UN-Vermittler Martin Griffiths nach Schweden dann ungewöhnlich versöhnliche Töne an: „Unsere Hände sind zum Frieden ausgestreckt.“
„Die Jemeniten sind bereit für den Frieden“, sagt auch die Friedensnobelpreisträgerin Tawakkul Karman. Die jemenitische Journalistin erklärte, dass dies aber vom Ende der Intervention der saudisch geführten Koalition sowie der iranischen Unterstützung für die Huthis abhinge. „Es geht hier mehr um eine Aggression von Außen, denn um einen Bürgerkrieg.“ Jemen-Experte Adam Baron vom Europäischen Rat für Auswärtige Beziehungen sieht für die Schweden-Gespräche dabei bessere Voraussetzungen als bei früheren Treffen, doch der Weg zum Durchbruch sei weit: „Es gibt positive Zeichen, aber einen vierjährigen Krieg zu beenden, der das Leben von 28 Millionen Menschen zerstört hat, hat eine ganz andere Tragweite.“Es gehe nun erst einmal darum, Vertrauen zwischen den entfremdeten Konfliktparteien aufzubauen.
In Schweden werden dafür verschiedene Punkte auf der Tagesordnung stehen: Die Öffnung des vom arabischen Bündnis blockierten Flughafens in Sanaa oder das Ende der Belagerung der Großstadt Tais durch die Rebellen genauso wie eine andauernde Waffenruhe in Hudaida und die dauerhafte Einstellung von Raketenangriffen der Huthis auf Saudi-Arabien. Erst, wenn diese Fortschritte gemacht sind, soll um ein politisches Regelwerk gefeilscht werden.