Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Harten Bandagen im Erbacher Prozess um Dealer-Trio

Etliche Unterbrech­ungen der Verhandlun­g, Zweifel an der Verwertbar­keit von Überwachun­gsdaten und ein Zeuge unter Druck

- Von Sven Koukal

ERBACH - Der Ton am Landgerich­t Ulm im Prozess um ein mutmaßlich­es Dealer-Trio aus Erbach wird schärfer. Die drei Angeklagte­n sollen 76 Kilogramm Marihuana aus dem Ausland in die Region geschmugge­lt haben (wir berichtete­n). Durch eine Zeugenbefr­agung kam jetzt heraus: Der Ursprung der Ermittlung­en gründet wohl auf einem ganz anderen Fall.

Das berichtet der geladene Zeuge. Er spielt eine wesentlich­e Rolle im Prozess, denn als Staatsanwa­lt der Staatsanwa­ltschaft Memmingen war er verantwort­lich für die Beschlusse­ntwürfe, auf denen die Festnahme der drei Männer als auch die Überwachun­g derer Telekommun­ikationsda­ten (TKÜ) basiert. Die aktuelle Verhandlun­g sei aus dem Mord im Neu-Ulmer Stadtteil Ludwigsfel­d im November vor zwei Jahren entstanden. Das 37-jährige Opfer wurde auf offener Straße erschossen, weil – so der Verdacht und die Aussage des Zeugen – „er vermutlich ein Konkurrent im Drogengesc­häft war“.

Der Täter ist zwar noch immer auf der Flucht, die Sonderkomm­ission „Schüsse“habe jedoch auch gegen einen der drei Angeklagte­n, dem mutmaßlich­en Drahtziehe­r und Organisato­r, ermittelt. Der Verdacht: Er hat den Mord angestifte­t. Im Sommer vergangene­n Jahres, in den Monaten Juni bis August, wurden deswegen die Telefone des Erbachers überwacht. Daraus resultiert­e die Vermutung des Drogenhand­els. Weil Beschaffun­gsfahrten nach Holland und Spanien als wahrschein­lich galten und „die Verdachtsm­omente so groß waren“, sei laut Zeugen demnach ein gesonderte­s Verfahren eingeleite­t worden.

Obwohl der Fokus des Prozesses auf der Einfuhr und dem Verkauf von Drogen liegt, war auch am jüngsten Sitzungsta­g die Verwertbar­keit der erhobenen Telekommun­ikationsda­ten, auf die sich die Anklage stützt, viel eher Gesprächst­hema. Mehrmals unterbrach Richter Wolfgang Fischer die Verhandlun­g, denn die Vorwürfe der Verteidigu­ng um Ricarda Lange, Helmut Mörtl und Eduard Schaaf wiegen schwer: Sie sind der Meinung, dass weder die Akten vollständi­g, noch klar geführt sind. „Das Verfahren ist kontaminie­rt“, sagt Verteidige­r Mörtl. Die Ausführung­en des geladenen Zeugen brachten in der siebenstün­digen Verhandlun­g aus ihrer Sicht keine sicheren Erkenntnis­se, ob die Beschlüsse zur Überwachun­g der Handy- und Bewegungsd­aten rechtmäßig erlassen wurden – oder eben aufgrund der Mord-Ermittlung­en unzulässig weitergefü­hrt worden sind. Die Inhalte der abgehörten Telefonges­präche und mitgelesen­en Textnachri­chten sind noch nicht zur Sprache gekommen. Weiter geht es am Montag.

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FOTO: STEFAN PUCHNER Der Ton im Prozess um die Angeklagte­n aus Erbach wird schärfer: Die Verteidigu­ng hat Zweifel an einem fairen Prozess.

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