Bahn frei für Linie 2
Dreieinhalb Jahre nach dem Beschluss zum Bau der Straßenbahnlinie geht die Strecke am Wochenende in Betrieb
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ULM - Der Tag X steht vor der Tür. Seit Jahren hat Ralf Gummersbach von den Stadtwerken Ulm/NeuUlm auf dieses Wochenende hingearbeitet: Der Bauingenieur und Familienvater ist Projektleiter für die Straßenbahnlinie 2, dem größten Bauvorhaben Ulms in der jüngeren Geschichte. Und am Samstag, wenn der erste Fahrgast um 11.35 Uhr eine Straßenbahn auf der Linie 2 betritt, muss alles passen. Doppelcheck an jeder Schraube: Am Donnerstag wurde ab 14.30 Uhr noch einmal die komplette neue Strecke mit allen zwölf neuen, je 2,6 Millionen Euro teuren „Avenio-M–Straßenbahnen abgefahren. Parallel laufen an den Haltestellen noch kleinere Teer- und Aufräumarbeiten. „Wir wollen ja am Samstag einen guten Eindruck machen.“
Der Familienvater weiß jedoch, dass das letztlich Kosmetik ist. Auf was es ankommt, ist die Technik. Die heikelsten Stellen dabei sind die neu entstandenen Kreuzungspunkte. 33 Ampeln müssen so in das Netz eingebunden werden, dass der Verkehr reibungslos fließen kann. Diese mit Computermodellen unterstützte verkehrstechnische Planung sei nach dem „Acht-Augen-Prinzip“erfolgt, damit sich hier ja kein Fehler einschleicht. Denn eine falsch programmierte Ampel kann fatale Folgen haben. Ein gewisser Risikofaktor ist auch der Mensch, der sich umgewöhnen muss. „Unsere Straßenbahnfahrer sind schließlich jahrelang nur im Kreis gefahren“, sagt Gummersbach. Abbiegen ist also Neuland für die Fahrer.
Neuland betreten auch die Autofahrer. „Wir hatten schon Autos im Gleisbett.“Passiert ist nichts, schließlich waren in den vergangenen Wochen nur wenige Straßenbahnen im „Fahrschulverkehr“unterwegs. Doch die Stadtwerke haben reagiert und zusätzliche Poller und Reflektoren angebracht, sodass nicht wieder plötzlich Autos auf den Gleisen fahren.
Dass die Umgewöhnung Zeit brauchen dürfte, konnte der aufmerksame Beobachter bereits in der Testphase erkennen. Etwa wenn Autofahrer von der Neutorbrücke kommen und ihnen plötzlich Straßenbahnen den Weg kreuzen. Als eine besondere Gefahrenstelle hat die Ulmer Stadtverwaltung den Bereich vor dem Theater in der Olgastraße ausgemacht. Bereits ab Freitag, 7. Dezember, ist eine Kehrtwende vor dem Theater in der Olgastraße nicht mehr zulässig. Die Verkehrsplaner installierten einen besonders auffälligen LED-Hinweis, weil befürchtet wird, dass dieses Manöver Autofahrer riskieren, die schnell zum Hauptbahnhof müssen. Ein gefährliches Unterfangen: Die neue Linie 2 hat, aus Richtung Hauptbahnhof kommend, beim Linksabbiegen in die Neutorstraße gleichzeitig „Grün“mit dem aus der Olgastraße nach links in die Neutorstraße abbiegenden Verkehr. Bei einer Kehrtwende könnte es deshalb zur Kollision kommen.
Festakt im Ulmer Theater geplant
An Unfälle möchte Projektleiter Gummersbach nicht denken. Erste Priorität hat, dass die Premiere glückt. Nach einem Festakt im Ulmer Theater steigen am Samstag um etwa 11.35 Uhr SWU-Mitarbeiter, Stadträte, der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann und OB Gunter Czisch an der neuen Haltestelle „Stadtwerke“ein und an der Universität wieder aus. Und Gummersbach wird zittern, ob die 33 Ampeln, 35 Kilometer Schienen, 230 Kilometer Kabelrohre und noch mehr Stein und Beton für unter dem Strich 270 Millionen Euro auch wirklich korrekt verbaut wurden.