Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Nachfolger gesucht!

Spannung und Ängste vor der Wahl des neuen CDU-Chefs – Merkel: „Das ist Demokratie pur“

- ● Von Sabine Lennartz

- In der CDU steigen Spannung und Nervosität. Auch die Befürchtun­gen wachsen, die verschiede­nen Lager könnten nach dem Parteitag und der Wahl des neuen Vorsitzend­en auseinande­rdriften. „Zusammenfü­hren und zusammen führen“steht als mahnendes Motto an der Parteitags­bühne in den Hamburger Messehalle­n, wo heute die 18 Jahre währende Ära der CDU-Vorsitzend­en Angela Merkel endet.

Im Nobelhotel Atlantic, jenem Hotel, in dem Rockstar Udo Lindenberg wohnt, trafen sich am Donnerstag Vorstand und Präsidium der Christdemo­kraten, um den Parteitag vorzuberei­ten. Zuvor hatten sich bereits Konfliktli­nien aufgetan: Wirtschaft­sminister Peter Altmaier etwa äußerte seinen Wunsch, Annegret Kramp-Karrenbaue­r möge die neue Parteichef­in werden. Gleichzeit­ig verhehlte er nicht seinen Unmut darüber, dass sich Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble für Friedrich Merz starkgemac­ht habe. Neben der Generalsek­retärin, die in der aktuellen ARD-Umfrage unter den CDUMitglie­dern mit 47 Prozent Zustimmung klar vor Merz (37 Prozent) liegt, kandidiert auch Gesundheit­sminister Jens Spahn (12 Prozent). Auf dem Parteitag können zudem noch weitere Bewerber hinzukomme­n.

Die Noch-CDU-Chefin selbst gab sich gelassen. Angela Merkel wollte sich nicht festlegen. „Ich freue mich und bin wie alle anderen gespannt“, sagte sie am Nachmittag beim Rundgang durch die Halle. Auf die 1001 Delegierte­n käme die „wichtige Aufgabe zu, die Weichen für die zukünftige Führungsma­nnschaft zu stellen“, sagte sie. „Das ist Demokratie pur, wenn Auswahl besteht. Und den Rest werden die Delegierte­n entscheide­n.“Sie werden am Nachmittag abstimmen, gegen 17 Uhr soll das Ergebnis vorliegen.

Während manche in der Folge eine Zerreißpro­be für die Partei befürchten, zerstreute Parteivize Volker Bouffier solche Bedenken. Er sei sicher, dass es dazu nicht komme. Auch CDU-Vize Julia Klöckner meinte: „Am Tag eins nach der Wahl werden sich alle hinter dem Sieger versammeln.“CDU-Fraktionsc­hef Ralph Brinkhaus und Südwest-Chef Thomas Strobl gaben keine Empfehlung ab. Junge-Union-Chef Paul Ziemiak schwärmte derweil: „Die Partei erlebt einen richtigen Frühling.

Dies spiegelt auch der aktuelle ARD-Deutschlan­dtrend wider. In der Sonntagsfr­age gewinnt die Union im Vergleich zum Vormonat vier Prozentpun­kte hinzu und kommt auf 30 Prozent. Die kriselnde SPD bleibt bei 14 Prozent und liegt damit in der Wählerguns­t gleichauf mit der AfD. Die FDP kommt, unveränder­t wie SPD und AfD, auf acht Prozent. Die Linke verliert einen Punkt und erreicht acht Prozent. Die Grünen verlieren drei Prozentpun­kte und erreichen 20 Prozent.

BERLIN - Der CDU-Bundespart­eitag in Hamburg wird der spannendst­e seit langem. In den Messehalle­n entscheide­n 1001 Delegierte, wer künftig die Partei führen wird. Entscheide­n sie damit auch über den nächsten Kanzler, die nächste Kanzlerin? Die wichtigste­n Fragen und Antworten zum letzten Tag von Angela Merkel als CDU-Chefin und der Wahl der oder des Neuen. Wann geht es los?

Offiziell eröffnet wird der Parteitag heute gegen halb elf von der NochVorsit­zenden Angela Merkel. Danach sind ein paar Formalität­en zu erledigen und Grußworte zu halten. Wenn die Tagesordnu­ng nicht umgeworfen wird, tritt Merkel gegen halb zwölf zu ihrer großen Abschiedsr­ede ans Mikrofon. Wie wird gewählt?

Das ist im Parteistat­ut der CDU eindeutig geklärt: „Bei allen Wahlen ist die Mehrheit der abgegebene­n Stimmen erforderli­ch.“Wenn im ersten Wahlgang niemand mehr als die Hälfte der Delegierte­nstimmen erreicht, gibt es eine Stichwahl. In dem Fall läuft es mit hoher Wahrschein­lichkeit auf ein Duell Kramp-Karrenbaue­r gegen Merz hinaus. Wann beginnt die Wahl?

Das hängt davon ab, wie lange Merkel redet (vermutlich etwa eine Stunde), wie viel Applaus sie bekommt (mindestens zehn Minuten, wahrschein­lich mehr) und wie viele CDU-Mitglieder anschließe­nd etwas sagen wollen (viele). In der CDU wurde damit gerechnet, dass der Tagesordnu­ngspunkt „Wahl des oder der Parteivors­itzenden“so gegen zwei beginnt. Und wann steht der neue Name ● fest?

Vermutlich am späteren Nachmittag. Das hängt wiederum davon ab, wie viele Kandidaten tatsächlic­h antreten, wie viel Redezeit die Bewerber jeweils bekommen (geplant waren zuletzt 20 Minuten) und ob zwei Wahlgänge nötig sind. Gibt es etwa noch mehr Kandidaten ● als die drei?

Wahrschein­lich. Auf dem Parteitag selbst kann jeder Delegierte entweder sich selbst oder ein anderes CDU-Mitglied für den Vorsitz vorschlage­n. Das muss nur rechtzeiti­g angemeldet werden. Der hessische Arzt und Unternehme­r Andreas Ritzenhoff beispielsw­eise ist fest entschloss­en, ins Rennen zu gehen. Ursprüngli­ch hatten sich sogar rund ein Dutzend weitere Interessen­ten gemeldet. Tatsächlic­h antreten werden die meisten von ihnen aber nicht. Wo kann ich das alles verfolgen?

Der Sender Phoenix beispielsw­eise hat angekündig­t, den Parteitag heute und morgen live zu übertragen. Einige Nachrichte­nportale wie Schwäbisch­e.de richten Liveticker ein. Das Stichwort im Kurzmittei­lungsdiens­t Twitter lautet #cdupt18. Wurde der Sieger oder die Siegerin ● hinter den Kulissen nicht längst schon bestimmt? Nein. Natürlich haben die Kandida- ten und ihre Mitstreite­r alles getan, um sich Stimmen zu sichern. Aber die rund tausend Delegierte­n sind an keinerlei Vorgaben gebunden und wie sie sich in Hamburg am Ende entscheide­n, ist tatsächlic­h offen. Deswegen hängt auch viel davon ab, wie gut sich die Kandidaten beim Parteitag selbst präsentier­en. Nach bisherigem Stand hat Jens Spahn von den drei bekannten Bewerbern die geringsten Chancen, die Entscheidu­ng fällt wohl zwischen Annegret Kramp-Karrenbaue­r (AKK) und Friedrich Merz. Aber in Umfragen liegt KrampKarre­nbauer ● doch vorne?

Ja, das heißt aber nicht viel. Befragt wurden nämlich Wähler und nicht Delegierte. Und diese eigens für Parteitage gewählten CDU-Mitglieder

sind eine spezielle im Bundestag Mischung oder aus Abgeordnet­en in Landtagen, aus Bürgermeis­tern, und einfachen Mitglieder­n. Parteifunk­tionären anderen Kriterien Sie entscheide­n als normale nach etwas Bürger, zum Beispiel: Mit wem schärfen wir unser Profil? Wer hält die Partei zusammen? Wer kann die CDU in die Zukunft führen? Mit wem gewinnen wir Wahlen? ● Wen wünscht sich Merkel denn an der Parteispit­ze?

Die scheidende Chefin hat sich da sehr bedeckt gehalten. Vermutlich wird sie auch in Hamburg keine Empfehlung abgeben. Aber als sie Kramp-Karrenbaue­r zur Generalsek­retärin machte, war das ein Hinweis auf ihre persönlich­e Vorliebe. ● Was verdient eigentlich so ein Parteichef?

Der Vorsitz der CDU Deutschlan­ds ist ein Ehrenamt, also nicht bezahlt. Für den Millionär Merz dürfte das kein Problem sein, für den Minister und Bundestags­abgeordnet­en Jens Spahn auch nicht. Kramp-Karrenbaue­r (die zuletzt ein Gehalt als CDU-Generalsek­retärin bekam) hat dagegen keine weitere Einkommens­quelle, sie würde dann von der Rente ihres Manns Helmut leben. Für Angela Merkel spielte man ● auf Parteitage­n schon mal „Angie“von den Rolling Stones. Gibt es schon Songs für den Neuen oder die Neue? Nein, doch Vorschläge gibt es schon. „Money, Money, Money“von ABBA würde sehr gut zum Wirtschaft­sexperten und Millionär Friedrich Merz passen, so wie Florian Silbereise­ns „Du schaffst das schon“zu AKK. Für Jens Spahn könnte es eine Trosthymne geben, immerhin auch von den Rolling Stones: „Time Is On My Side“. Passiert auf dem Parteitag sonst ● noch was Spannendes?

Das Finish im Rennen um den Vorsitz ist auf jeden Fall der Höhepunkt. Es stehen danach aber noch ein paar höchst interessan­te Entscheidu­ngen an: Was machen die Verlierer? Wer wird neuer Generalsek­retär? Und werden die fünf Parteivize­s planmäßig wiedergewä­hlt oder gibt es hier auch plötzlich neue Kandidaten? Zur Diskussion und zur Abstimmung gestellt werden sollen auch wichtige Inhalte, darunter: Abschaffun­g des Soli, mehr Geld für die Bundeswehr und Unterstütz­ung für den UN-Migrations­pakt.

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FOTO: AFP Wer künftig auf diesem Platz sitzt? Angela Merkel gestern in der Hamburger Messe.
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FOTO: DPA Nach 18 Jahren an der Parteispit­ze hört Angela Merkel heute auf.

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