Enttäuschung sitzt tief
Dass Demokratie den Menschen mitunter auch etwas abverlangt, erfahren die CDU-Mitglieder gerade am eigenen Leib. Was vor dem Parteitag in Hamburg als echter Aufbruch bejubelt wurde – die Wahl zwischen drei Kandidaten für den Parteivorsitz zu haben – lässt nun die Risse in der CDU umso deutlicher werden.
Da wird der mit mäßiger Zustimmung gewählte neue Generalsekretär Paul Ziemiak bereits als „erster Griff ins Klo“bezeichnet. Da machen Gerüchte die Runde, das Mikrofon von Friedrich Merz sei während seiner Bewerbungsrede absichtlich heruntergedreht gewesen. Es ist offensichtlich: In der Partei, vor allem in ihrem Wirtschaftsflügel, gärt es. Die Sehnsucht nach einem furiosen Neuanfang macht es den Merz-Anhängern schwer zu akzeptieren, dass zu demokratischen Entscheidungen eben auch Niederlagen gehören.
Insbesondere die baden-württembergische CDU wird den Parteitag in Hamburg nicht so leicht verdauen und zur Tagesordnung übergehen. Merz‘ Finanzexpertise wäre vielen Delegierten im wirtschaftsstarken Südwesten höchst willkommen gewesen. Und nun? Nun müssen sie ihre eigene Enttäuschung herunterschlucken und gleichzeitig der Basis erklären, dass es in der CDU auch mit Kramp-Karrenbauer an der Spitze kein einfaches „Weiter so“in der Merkelschen Tradition geben wird. Und dass natürlich der Abwärtstrend auch mit ihr zu stoppen ist. Eine schwierige Aufgabe. Das erklärt, warum einige Parteimitglieder bereits öffentlich fordern, Merz auf Biegen und Brechen in der Politik zu halten – am besten als Wirtschaftsminister am Kabinettstisch.
Der Ball liegt nun im Feld von Kramp-Karrenbauer – und sie darf sich nur wenige Fehlschüsse erlauben, wenn sie die Partei einen will. Ihre Vorgängerin hat ihr, das zeigt sich jetzt sehr deutlich, kein leichtes Erbe hinterlassen. Die jahrelang erfolgsverwöhnte Angela Merkel hat den konservativen Flügel in der CDU, der mit ihrem Kurs unzufrieden war, missachtet. Ihre Nachfolgerin Kramp-Karrenbauer muss nun die Scherben wegräumen.