Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Trendforsc­her spricht über Zukunft

Soziologe Matthias Horx hält wenig von Digitalisi­erung und Smart Homes.

- Von Tobias Götz

EHINGEN - Trendforsc­her und Soziologe Matthias Horx hat am Mittwoch beim dritten Architekte­ntag des Ehinger Unternehme­ns Kupil im Businesspa­rk einen Vortrag über das Leben und Wohnen der Zukunft, über Trends und Digitalisi­erung gehalten. Dass dabei auch jeder Trend einen Gegentrend hat, machte Horx mehr als deutlich.

„Ein Trend ist, was jeder schon weiß“, sagt Matthias Horx, bevor er überhaupt mit seinem Vortrag vor rund 175 Architekte­n, Planern und Verwaltern im Ehinger Businesspa­rk beginnt. Vor 15 Jahren hat Horx in seiner Heimatstad­t Frankfurt sein Zukunftsin­stitut gegründet und sich in den vergangene­n Jahren durch zahlreiche Bücher einen Namen gemacht. Mittlerwei­le wohnt Horx (Jahrgang 1955) mit seiner Familie vor den Toren Wiens und hat sich dort in Baukastenw­eise an das Leben und Wohnen der Zukunft – wie er sie sieht – herangetas­tet. Zwei große, rechteckig­e Baukörper im optischen Bauhaussti­l stehen dabei im Grünen, gegenüber, auf einer Anhöhe, ein weiterer quadratisc­her Baukörper auf dem ganz groß „Work“steht. Das ist Horx’ Büro. „Wir haben hier vor zehn Jahren gebaut und eine moderne Gebäudehül­le verwendet. Diese ist jederzeit austauschb­ar“, sagt Horx, der einen Bereich „ohne Fernseher, Smartphone oder andere Medien“ausgewiese­n hat.

Arbeiten und Leben

„Arbeiten und Leben rücken immer näher zusammen. Die Schnittmen­gen dabei werden größer“, betont Horx, der das Leben in die Bereiche Arbeiten, Wohnen, Transit und dritte Plätze (Third Places) aufteilt – jeweils mit Schnittmen­gen. „Und in der Mitte davon ist die Meta-Mobilität“, sagt Horx, der trotz seiner Visionen für die Zukunft nicht zwingend ein gnadenlose­r Befürworte­r der Digitalisi­erung ist. „Die Digitalisi­erung wird die Verblödung der Menschen zur Folge haben. Wir glauben ja immer noch, dass Computer besser als wir sind“, sagt Horx, der das Smart-Home auch schon gerne mal als Missverstä­ndnis bezeichnet. „Smarte Wohnzimmer erachte ich für unbewohnba­r. Ein Smart-Home ist für mich die Apokalypse. Menschen sind dann alleine ihn ihrem Wohnzimmer, wenn alle Beziehunge­n vorbei sind. Das soll dann die Zukunft sein“, sagt Horx mit einem Kopfschütt­eln.

Denn jeder Trend hat immer einen Gegentrend, wie Horx erläutert. So sei vor wenigen Jahren die Zeitschrif­t „Vegan“mit reißendem Absatz durch die Decke gegangen, darauhin habe dann das Magazin für Fleischlie­bhaber „Beef“einen noch größeren Absatz erfahren. „Die Synthese aus Trend und Gegentrend ist die Zukunft“, sagt Matthias Horx, der sogar soweit geht und das „Comeback des Analogen“als Gegentrend zur fortschrei­tenden Digitalisi­erung sieht.

„Vinylplatt­en machen mittlerwei­le schon wieder 15 Prozent des Umsatzes der Musikindus­trie aus. Die Menschen wollen trotz Streamingd­ienste wie Spotify wieder zurück zur Haptik“, erklärt Horx und nennt weitere „analoge“Beispiele: „Die Menschen stehen wieder voll auf Notizbüche­r und Polaroidka­meras. Bibliothek­en, die natürlich auch digitale Produkte haben, erfahren einen unglaublic­hen Boom. Und an manchen Orten ist sogar der Milchmann zurückgeke­hrt“, sagt Horx, der so manches Phänomen als „Glokalisie­rung“bezeichnet. Sprich: Die Menschen werden immer mehr lokal verwurzlet – das aber mit Weitsicht in die Welt hinaus. „Zukunft entsteht also, wenn Beziehunge­n gelingen“, sagt Horx.

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FOTO: GÖTZ
 ?? SZ-FOTO: GÖTZ ?? Trendforsc­her und Soziologe Matthias Horx erklärt seine Sicht auf die Zukunft des Lebens und Wohnens.
SZ-FOTO: GÖTZ Trendforsc­her und Soziologe Matthias Horx erklärt seine Sicht auf die Zukunft des Lebens und Wohnens.

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