Gegenwind zum Abschied
Bei seiner letzten Bilanzpräsentation muss Daimler-Chef Dieter Zetsche einen Gewinneinbruch erklären
Es war sein letzter Auftritt als Chef bei einer Daimler-Bilanzpressekonferenz, ehe er im Sommer in den Ruhestand geht. Doch am Mittwoch musste Dieter Zetsche (Foto: dpa) in Stuttgart einen Gewinneinbruch erklären. „Für Daimler war 2018 ein Jahr mit starkem Gegenwind“, sagte der 65-Jährige vor dem Hintergrund von Dieselaffäre, Handelskrieg und Brexit. Dennoch blickte er optimistisch in die Zukunft. Er verkündete unter anderem eine Zusammenarbeit mit Tesla, dem führenden Hersteller von Elektroautos aus den USA.
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STUTTGART - Ob es der überraschend hohe Gewinneinbruch gewesen ist – oder doch die Wehmut darüber, dass Dieter Zetsche am Mittwoch ein allerletztes Mal als Vorstandschef die Zahlen des Auto- und Lastwagenbauers Daimler präsentierte, der 65-jährige Manager mühte sich jedenfalls redlich, seine persönlichen Gefühle zu verbergen. Bessere Zahlen hätten es dem studierten Elektrotechniker, der den baden-württembergischen Traditionskonzern seit 2006 führt und das Amt des Vorstandsvorsitzenden im Mai an Entwicklungsvorstand Ola Källenius abgibt, wohl einfacher gemacht, am Ende noch einmal aus der Rolle des sich kontrollierenden Konzernlenkers auszubrechen. So klang seine persönliche Bilanz nach mehr als 13 Jahren an der Spitze von Daimler sehr unpersönlich: „Nach vorne blickend ist meine Stimmung gut, rückblickend bin ich zufrieden.“
Womit Zetsche nicht die vergangenen zwölf Monate gemeint haben dürfte, denn die sind für Daimler mit einem Gewinneinbruch zu Ende gegangen, den weder das Unternehmen selber noch Analysten in dieser Höhe erwartet haben. Der operative Gewinn sank 2018 um 22 Prozent auf 11,1 Milliarden Euro, unter dem Strich verdiente der Konzern nur noch 7,6 Milliarden Euro – und damit 29 Prozent weniger als im Jahr zuvor. „Für Daimler war 2018 ein Jahr mit starkem Gegenwind“, sagte Zetsche.
Sorge ums Autogeschäft
Umsatz und Absatz entwickelten sich zwar stabil: Die Erlöse stiegen um zwei Prozent auf 167,4 Milliarden Euro. Und insgesamt verkaufte Daimler 3,35 Millionen Fahrzeuge – zwei Prozent mehr als 2017. Aber Sorgen macht dem scheidenden Konzernchef vor allem die Rentabilität im Autogeschäft: In der mit Abstand wichtigsten Division fiel die Umsatzrendite auf 7,8 Prozent – und damit aus dem angestrebten Zielkorridor von acht bis zehn Prozent. Und auch für das Jahr 2019 strebt Daimler in diesem Bereich nur eine Marge von sechs bis acht Prozent an. „Damit können und wollen wir nicht zufrieden sein“, erklärte Zetsche und kündigte „umfangreiche Gegenmaßnahmen“an. Das Programm, das vor allem die Geschäftsbereiche Auto und kleine Nutzfahrzeuge betrifft, erarbeite er zurzeit gemeinsam mit seinem Nachfolger Ola Källenuis. „Er wird nach und nach mehr Verantwortung übernehmen, weil er die Maßnahmen umsetzen muss“, sagte Zetsche. Die Arbeitnehmervertretung sei über die ersten Überlegungen informiert. Nach Informationen des „Handelsblatts“, das sich auf Konzernkreise beruft, will Daimler unter anderem einige Modelle und Motorvarianten aus dem Programm nehmen, um Kosten zu sparen.
Das schwache Geschäftsjahr hat Folgen für die Aktionäre. Die Anteilseigner sollen mit 3,25 Euro je Aktie eine um 40 Cent niedrigere Dividende erhalten als im Jahr zuvor. Die Anteilsscheine waren am Mittwoch mit einem Abschlag von 1,8 Prozent auf 51,95 Euro Schlusslicht im Dax. Auch Daimler-Mitarbeiter bekommen weniger Prämie. Die rund 130 000 Tarifbeschäftigten von weltweit insgesamt rund 299 000 Mitarbeitern erhalten in diesem Jahr nur 4965 Euro Ergebnisbeteiligung nach 5700 im Jahr 2018.
Als Gründe für den Einbruch nannte Zetsche neben dem Handelsstreit zwischen China und den USA – Daimler produziert die Geländelimousinen (Sports-Utility-Verhicles – SUV) GLS und GLE für den chinesischen Markt in den Vereinigten Staaten – die Kosten für die Dieselrückrufe und die Probleme mit der Einführung des neuen Abgas- und Verbrauchsstandards WLPT. Wegen der neuen Regeln habe Daimler nicht zu jeder Zeit alle Modelle den Kunden anbieten können.
Nur leichte Steigerung erwartet
Vor dem Hintergrund, dass die Ausgaben für die automobilen Megatrends Elektromobilität und autonomes Fahren auch im laufenden Geschäftsjahr hoch sein werden, erwartet Daimler bei Umsatz, Absatz und Gewinn im laufenden Geschäftsjahr nur leichte Steigerungen. Gut aufgestellt sieht Zetsche seinen Konzern trotzdem – vor allem im Hinblick auf die Elektromobilität. Große Hoffnungen setze Daimler auf den neuen Elektro-SUV, der von Frühjahr an in Bremen vom Band laufen soll. „Der EQC läutet einen neue Elektro-Ära bei Mercedes-Benz ein“, sagte Zetsche. „Er wird über eine Reichweite verfügen, die dem Fahrprofil vieler Kunden entspricht, damit die das Auto als erstes und einziges Fahrzeug nutzen können.“
Beim autonomen Fahren hob Zetsche die Kooperation mit dem schwäbischen Zulieferer Bosch hervor, mit dem das Unternehmen in diesem Jahr eine Plattform für autonomes Fahren auf dem Level 4 bis 5 aufbauen werde. Die Frage nach einer Roboterauto-Allianz, die nach Informationen des „Manager Magazins“VW-Chef Herbert Diess organisiert und zu der neben Daimler, VW und BMW auch die Zulieferer ZF, Bosch und Conti gehören sollen, ließ Zetsche unkommentiert. „Wir werden keine Zusammenarbeit ausschließen“, erklärte Zetsche. „Aber zu einem Tango gehören immer zwei – oder mehr.“
So wortkarg sich der scheidende Chef im Hinblick auf sein Innenleben und seine Gedanken an das Ende der Ära Zetsche beim weltweit führenden Hersteller von Premiumautos gab, so klar positionierte er sich bei der „Nationalen Industriestrategie“, die Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Dienstag vorgestellt hatte. „Nach einem Teil dieser Maßnahmen haben wir nicht gefragt“, sagt Zetsche mit Blick auf Überlegungen, Investitionen aus dem Ausland einzuschränken, um die heimische Wirtschaft zu schützen. „Dieser Vorstoß ist meiner Meinung nach kein Beitrag zum freien Handel.“Der nicht zuletzt auch durch geopolitische Risiken bedroht sei. Insgesamt erwartet Zetsche, dass sich die Weltwirtschaft 2019 „mit einem Wachstum von knapp drei Prozent zwar spürbar langsamer, aber dennoch solide entwickeln“dürfte.
Kurz vor dem Ende seiner letzten Bilanzpressekonferenz wand Zetsche dann seiner Mannschaft und seinem Nachfolger einen Kranz. Bei allen Herausforderungen, die die Autoindustrie und Daimler noch bewältigen muss, „bin ich überzeugt, dass wir ein exzellentes Team in die nächsten Jahre schicken werden. Ich bin mit mir da ganz im Frieden.“Es war ein kurzer Augenblick, in dem hinter der Rolle des Konzernlenkers doch ein wenig die Person Dieter Zetsches aufblitzte.