„Wir wollen Aufklärung“
Loveparade-Prozess teilweise eingestellt – Unverständnis bei Angehörigen
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DÜSSELDORF (dpa) - So wollte Klaus-Peter Mogendorf sich nicht abspeisen lassen. Schließlich geht es um den Tod seines Sohnes Eike bei der Loveparade in Duisburg 2010. Deswegen ergreift der 62-Jährige am Mittwoch im Prozess um das tödliche Gedränge mit 21 Toten das Wort. Sollen die möglichen Verantwortlichen am Tod seines Sohnes ohne Strafe davonkommen? Das Gericht wird wenig später das Verfahren gegen die meisten Angeklagten einstellen – ohne Strafe und ohne Auflagen. Doch vorher hat Mogendorf seinen Auftritt.
Er sei wie „vor den Kopf geschlagen“gewesen, als das Gericht Mitte Januar den Vorschlag machte, das gesamte Verfahren einzustellen, sagt der Bauingenieur. „Wir haben 2010 gedacht, das ist eine glasklare Sache. Wir wissen alle, dass es Schuldige gibt. Die Justiz wird das schon machen.“
Entscheidung steht
Doch nun kommen die mutmaßlichen Verantwortlichen aus seiner Sicht deutlich zu früh davon. Der 62Jährige bringt den Richter sogar kurzzeitig aus dem Konzept. An der Entscheidung ändert es nichts.
21 junge Menschen waren bei der Techno-Party im Juli 2010 zu Tode gedrückt worden. Mehr als 650 wurden verletzt. Zehn Angeklagte, die an der Planung und Genehmigung beteiligt waren, kamen wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht. Gegen sieben von ihnen hat das Gericht das Verfahren am Mittwoch eingestellt. Gegen die übrigen Angeklagten geht der Mammut-Prozess aber weiter. Die Verantwortlichen für das Festival hätten gewusst, dass die vorgeschriebene Lautsprecheranlage für Besucherdurchsagen fehlte, argumentiert Mogendorf. Dass der ohnehin schmale Zugang zum Gelände noch verengt wurde. Dass die Rampe nicht durch Erdaufschüttungen verbreitert wurde.
Auch dem Gericht wirft er Fehler vor. Das zentrale Gutachten sei selektiv zitiert, wichtige Zeugen seien noch nicht gehört worden. Und er betont: „Wir wollen keine Rache. Wir wollen Aufklärung.“
Richter Mario Plein wirkt nach den Ausführungen des Ingenieurs erstaunlich fahrig. Er stockt, bittet um Vertrauen, spricht von der Unabhängigkeit des Gerichts. Die individuelle Schuld der Angeklagten sei gering oder allenfalls als mittelschwer anzusehen, hatte das Gericht argumentiert. Neben den Planungsfehlern sei ein kollektives Versagen vieler Menschen am Veranstaltungstag mitverantwortlich gewesen.
Klaus-Peter Mogendorf kann damit nicht viel anfangen. „Derjenige, der angewiesen hat, die Genehmigung zu unterschreiben, hat die volle Schuld“, findet er. Die sieht er bei der Stadt Duisburg: „Wenn die aufgepasst hätten, würden unsere Kinder noch leben.“
Doch gegen alle damaligen städtischen Mitarbeiter wurde das Verfahren am Mittwoch endgültig eingestellt. Die Einstellung sei zwar unpopulär, aber richtig, sagt Richter Plein.
„Habe ich nicht verstanden“, sagt Mogendorf später. Eine italienische Angehörige sieht es wie er: Bei der Genehmigung der Loveparade habe es Unregelmäßigkeiten gegeben, über die noch gar nicht beraten worden sei.
Dann gibt Richter Plein ein Versprechen: Wie auch immer der Prozess ende, das Gericht werde am Schluss Feststellungen zur Schuld und zu den Ursachen treffen. Leicht zu verkraften sei die Entscheidung des Gerichts trotzdem nicht, sagt Mogendorf. „Ich werde damit leben müssen.“