Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Messerstec­her muss in die Psychiatri­e

Landgerich­t verurteilt 22-jährigen Afghanen wegen zweifachen versuchten Mordes und versuchten Totschlags

- Von Bernd Adler

RAVENSBURG (sz) - Das Landgerich­t Ravensburg hat den 22-jährigen Afghanen, der im September 2018 in der Stadtmitte auf drei Männer eingestoch­en hatte, wegen zweifachen versuchten Mordes und versuchten Totschlags verurteilt. Gutachter bescheinig­ten dem Täter Schizophre­nie, im strafrecht­lichen Sinne ist er damit schuldunfä­hig. Weil die Justiz ihn aber weiterhin für hochgefähr­lich hält, wird er auf unbestimmt­e Zeit in einer psychiatri­schen Klinik untergebra­cht.

RAVENSBURG - Für weiterhin hochgefähr­lich hält die Justiz den 22-jährigen Afghanen, der im September 2018 auf dem Marienplat­z wahllos auf drei Männer eingestoch­en und sie dabei zum Teil lebensgefä­hrlich verletzt hat. Das Urteil vor dem Landgerich­t am Donnerstag: Weil er als schizophre­n gilt, muss er auf unbestimmt­e Zeit in die Psychiatri­e.

Der junge Mann kam 2016 über Iran und die Balkanrout­e in die Bundesrepu­blik, sein Asylantrag wurde alsbald abgelehnt. Schon kurz danach fiel der Afghane immer wieder durch aggressive­s, mitunter auch seltsames Verhalten auf. Viermal war er über Wochen hinweg stationär in psychiatri­schen Einrichtun­gen untergebra­cht. Er soll Stimmen gehört, mit Menschen geredet haben, die nicht da waren. Mindestens in einem Fall berichtete er laut Zeugenauss­agen von Blut, das vom Himmel tropfe.

Am 28. September kam es dann zur Messeratta­cke. Der Zustand des Beschuldig­ten: Er hatte Angststöru­ngen, nahm seine Medikament­e nicht, konsumiert­e Drogen, fühlte sich von anderen Menschen missachtet und zurückgese­tzt. Und, so der psychiatri­sche Gutachter, der Mann hörte immer wieder Stimmen in seinem Kopf, die ihn zum „Kampf“auffordert­en. Daraus entwickelt­e er offenbar Wahnvorste­llungen.

Seinen Hass projiziert­e er auf einen ehemaligen irakischen Arbeitskol­legen, den er seit zwei Monaten nicht mehr gesehen hatte. Per WhatsApp forderte er ihn zum Treffen, sozusagen zum Duell, in der Altstadt auf. Der junge Iraker erschien nicht. Daraufhin schlug der Beschuldig­te los gegen andere arabisch aussehende Männer, die arglos in einer Bushaltest­elle saßen. Er stach auf sie ein und verletzte sie schwer. Das dritte Opfer war ein deutscher Tourist, der sich dem Angreifer in den Weg stellte. Nach Aussage des psychiatri­schen Gutachters wollte der 22-Jährige durch seine Attacken auf andere Menschen die Stimmen in seinem Kopf zum Schweigen bringen.

Der Täter sei in „einem Wahnsystem gefangen“gewesen, sagte der Vorsitzend­e Richter Maier. Dieser Wahnsinn im Kopf habe sich entladen bei dem Versuch, wahllos Menschen zu töten – weil sie arabisch aussahen wie der ehemalige Arbeitskol­lege, oder weil sie sich dem Angreifer in den Weg stellten.

Erst als der junge Mann realisiert­e, dass sein Vorhaben fehlschlag­en würde und er zudem überall in der Altstadt Geheimpoli­zisten und verdeckte Ermittler zu sehen glaubte, habe er das eigens gekaufte Küchenmess­er mit 20-Zentimeter-Klinge niedergele­gt und aufgegeben.

Zu diesem Zeitpunkt hatten ihn bereits mehrere couragiert­e Menschen zum Aufgeben aufgeforde­rt, unter anderem ein Mitarbeite­r des städtische­n Ordnungsdi­enstes und der zufällig vorbeikomm­ende Oberbürger­meister. Sekunden danach stand ihm zudem ein Polizist mit gezogener Dienstwaff­e gegenüber.

Wäre nicht so schnell Hilfe gekommen, wäre das erste Opfer der Attacke, ein junger Syrer, binnen einer Stunde verblutet, sagte ein Rechtsmedi­ziner. Das Schwurgeri­cht folgte nicht den Ausführung­en des Verteidige­rs Uwe Rung, der in den Angriffen auf die beiden jungen Syrer keine Merkmale eines Mordversuc­hs erkennen wollte. Das Gericht verurteilt­e den Afghanen wegen zweifachen versuchten Mordes und im dritten Fall wegen versuchten Totschlags.

Nicht nur die Richter, auch die Vertreter von Staatsanwa­ltschaft, Nebenklage und Verteidigu­ng waren einhellig der Meinung, dass der 22jährige Beschuldig­te psychisch krank ist und ihn die Krankheit zu seinem schrecklic­hen Handeln getrieben hat. Der Afghane gilt als schizophre­n, daher ist er im strafrecht­lichen Sinne schuldunfä­hig. Dennoch sei er nach wie vor hochgefähr­lich, sagte der Vorsitzend­e Richter. Zum Schutz der Allgemeinh­eit ordnete das Landgerich­t daher an, den Mann in einer psychiatri­schen Klinik unterzubri­ngen. Wie lange, ist offen.

 ?? ARCHIVFOTO: FELIX KÄSTLE ?? Der abgesperrt­e Tatort am 28. September 2018.
ARCHIVFOTO: FELIX KÄSTLE Der abgesperrt­e Tatort am 28. September 2018.

Newspapers in German

Newspapers from Germany