Aufregung um Rammstein-Video
Internationale Kritik an KZ-Anspielungen im neuen „Deutschland“-Video
MÜNCHEN (AFP/dpa) - Eine Videosequenz der Rockband Rammstein mit Bezug zu NS-Verbrechen hat am Donnerstag Irritationen ausgelöst. Darin sind Bandmitglieder in der gestreiften Kleidung von KZ-Insassen zu sehen, wie sie mit Stricken um den Hals an einem Galgen stehen. Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte der Regierung, reagierte empört. Karl Freller (CSU), der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, lud die Band ein, die KZ-Gedenkstätte Dachau zu besuchen.
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BERLIN (dpa) - Häftlinge am Galgen, gelbe Sterne und ein bedrohlicher Sound: Der Trailer zu einem neuen Videoclip der deutschen Rockband Rammstein mit Anspielungen auf deutsche Konzentrationslager hat am Donnerstag scharfe Kritik und Fragen zum Umgang mit HolocaustBildern ausgelöst.
Der 35 Sekunden lange Trailer zeigt vier Band-Mitglieder, deren Kleidung an die von KZ-Gefangenen erinnert. Am Ende des Trailers, den Rammstein auf ihrer Webseite veröffentlichten, ist das Wort „Deutschland“in frakturähnlicher Schrift zu sehen. In lateinischen Buchstaben steht darunter das Datum 28.3.2019.
Die Band stellte am Abend das komplette Video ins Netz. Auf fast zehn Minuten vollziehen Rammstein unter dem Titel „Deutschland“dabei eine Reise durch die deutsche Geschichte – von den alten Germanen bis zur Gegenwart. Dabei werden die Bilder aus dem Trailer, in denen die vier Musiker mit Stricken um den Hals am Galgen stehen, erst während des Abspanns gezeigt. Zu sehen sind auf einigen gestreiften Jacken gelbe Sterne, ähnlich jenen Kennzeichen, die das NS-Regime nach den Nürnberger Rassegesetzen 1935 den Juden aufgezwungen hatte.
Das Video zeigt allerdings auch, wie sich Häftlinge an ihren Peinigern in NS-ähnlichen Uniformen rächen. „Du hast viel geweint, im Geist getrennt, im Herz vereint“, singt Frontmann Till Lindemann über Deutschland. „Meine Liebe kann ich dir nicht geben“, heißt es dort weiter.
Das neue Album soll am 17. Mai erscheinen, wie die Band auf ihrer Webseite mitteilte. Die erfolgreichste deutsche Rockgruppe hat seit der Gründung 1994 nach Label-Angaben mehr als 20 Millionen Alben weltweit verkauft.
Vorwurf der Anmaßung
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hatte nach Veröffentlichung des Teasers erklärt, es gebe zahlreiche Künstler, die sich in ihren Kunstwerken auf würdevolle Art mit der Schoa auseinandersetzten. „Wer den Holocaust jedoch zu Marketingzwecken missbraucht, handelt verwerflich und unmoralisch“, sagte Schuster.
Ein Sprecher des israelischen Außenministeriums nannte den kurzen Rammstein-Clip mit den Anspielungen auf den Holocaust „beschämend“. „Wir schließen uns jenen an, die eine sofortige Löschung fordern“, schrieb er auf Twitter.
Gegen eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Holocaust sei prinzipiell nichts einzuwenden, sagte der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein. „Wenn aber das Video nur zur Provokation und Verkaufsförderung erstellt wurde, um zu skandalisieren und Aufmerksamkeit zu erzeugen, dann wird damit eine rote Linie überschritten.“Von der Band war keine Stellungnahme zu erhalten.
„Wie kommt Rammstein dazu, sich die Rolle der Opfer anzumaßen“, fragte Christoph Heubner, Geschäftsführer des Internationalen Auschwitz Komitees. „Geschmacklos“und ohne jede Empathie für die Holocaust-Überlebenden sei eine solche Form der Darstellung, getrieben von Sensationsgier und dem Schielen nach Verkaufszahlen. „Warum tritt die Band nicht in SS-Uniformen auf und schlüpft in die Rolle jener Männer, die die Hocker am Galgen umstießen?“Im kompletten Videoclip schlüpft Gitarrist Richard Kruspe tatsächlich in diese Rolle.
Der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, Karl Freller (CSU), lud die Band in die KZ-Gedenkstätte Dachau ein. Leid und Unmenschlichkeit des Holocaust verböten sich für Werbezwecke.
Die Berliner Band hat immer wieder mit faschistischer Ästhetik gespielt. Für das Video zu „Stripped“(1998) waren Ausschnitte aus Leni Riefenstahls NS-Propagandafilm über die Olympischen Sommerspiele von 1936 zu sehen. Lindemann wies damals Nazi-Vorwürfe zurück und bedauerte den Clip später.