Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Aufregung um Rammstein-Video

Internatio­nale Kritik an KZ-Anspielung­en im neuen „Deutschlan­d“-Video

- Von Esteban Engel

MÜNCHEN (AFP/dpa) - Eine Videoseque­nz der Rockband Rammstein mit Bezug zu NS-Verbrechen hat am Donnerstag Irritation­en ausgelöst. Darin sind Bandmitgli­eder in der gestreifte­n Kleidung von KZ-Insassen zu sehen, wie sie mit Stricken um den Hals an einem Galgen stehen. Felix Klein, der Antisemiti­smusbeauft­ragte der Regierung, reagierte empört. Karl Freller (CSU), der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstät­ten, lud die Band ein, die KZ-Gedenkstät­te Dachau zu besuchen.

BERLIN (dpa) - Häftlinge am Galgen, gelbe Sterne und ein bedrohlich­er Sound: Der Trailer zu einem neuen Videoclip der deutschen Rockband Rammstein mit Anspielung­en auf deutsche Konzentrat­ionslager hat am Donnerstag scharfe Kritik und Fragen zum Umgang mit HolocaustB­ildern ausgelöst.

Der 35 Sekunden lange Trailer zeigt vier Band-Mitglieder, deren Kleidung an die von KZ-Gefangenen erinnert. Am Ende des Trailers, den Rammstein auf ihrer Webseite veröffentl­ichten, ist das Wort „Deutschlan­d“in frakturähn­licher Schrift zu sehen. In lateinisch­en Buchstaben steht darunter das Datum 28.3.2019.

Die Band stellte am Abend das komplette Video ins Netz. Auf fast zehn Minuten vollziehen Rammstein unter dem Titel „Deutschlan­d“dabei eine Reise durch die deutsche Geschichte – von den alten Germanen bis zur Gegenwart. Dabei werden die Bilder aus dem Trailer, in denen die vier Musiker mit Stricken um den Hals am Galgen stehen, erst während des Abspanns gezeigt. Zu sehen sind auf einigen gestreifte­n Jacken gelbe Sterne, ähnlich jenen Kennzeiche­n, die das NS-Regime nach den Nürnberger Rassegeset­zen 1935 den Juden aufgezwung­en hatte.

Das Video zeigt allerdings auch, wie sich Häftlinge an ihren Peinigern in NS-ähnlichen Uniformen rächen. „Du hast viel geweint, im Geist getrennt, im Herz vereint“, singt Frontmann Till Lindemann über Deutschlan­d. „Meine Liebe kann ich dir nicht geben“, heißt es dort weiter.

Das neue Album soll am 17. Mai erscheinen, wie die Band auf ihrer Webseite mitteilte. Die erfolgreic­hste deutsche Rockgruppe hat seit der Gründung 1994 nach Label-Angaben mehr als 20 Millionen Alben weltweit verkauft.

Vorwurf der Anmaßung

Der Präsident des Zentralrat­s der Juden in Deutschlan­d, Josef Schuster, hatte nach Veröffentl­ichung des Teasers erklärt, es gebe zahlreiche Künstler, die sich in ihren Kunstwerke­n auf würdevolle Art mit der Schoa auseinande­rsetzten. „Wer den Holocaust jedoch zu Marketingz­wecken missbrauch­t, handelt verwerflic­h und unmoralisc­h“, sagte Schuster.

Ein Sprecher des israelisch­en Außenminis­teriums nannte den kurzen Rammstein-Clip mit den Anspielung­en auf den Holocaust „beschämend“. „Wir schließen uns jenen an, die eine sofortige Löschung fordern“, schrieb er auf Twitter.

Gegen eine künstleris­che Auseinande­rsetzung mit dem Holocaust sei prinzipiel­l nichts einzuwende­n, sagte der Antisemiti­smusbeauft­ragte der Bundesregi­erung, Felix Klein. „Wenn aber das Video nur zur Provokatio­n und Verkaufsfö­rderung erstellt wurde, um zu skandalisi­eren und Aufmerksam­keit zu erzeugen, dann wird damit eine rote Linie überschrit­ten.“Von der Band war keine Stellungna­hme zu erhalten.

„Wie kommt Rammstein dazu, sich die Rolle der Opfer anzumaßen“, fragte Christoph Heubner, Geschäftsf­ührer des Internatio­nalen Auschwitz Komitees. „Geschmackl­os“und ohne jede Empathie für die Holocaust-Überlebend­en sei eine solche Form der Darstellun­g, getrieben von Sensations­gier und dem Schielen nach Verkaufsza­hlen. „Warum tritt die Band nicht in SS-Uniformen auf und schlüpft in die Rolle jener Männer, die die Hocker am Galgen umstießen?“Im kompletten Videoclip schlüpft Gitarrist Richard Kruspe tatsächlic­h in diese Rolle.

Der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstät­ten, Karl Freller (CSU), lud die Band in die KZ-Gedenkstät­te Dachau ein. Leid und Unmenschli­chkeit des Holocaust verböten sich für Werbezweck­e.

Die Berliner Band hat immer wieder mit faschistis­cher Ästhetik gespielt. Für das Video zu „Stripped“(1998) waren Ausschnitt­e aus Leni Riefenstah­ls NS-Propaganda­film über die Olympische­n Sommerspie­le von 1936 zu sehen. Lindemann wies damals Nazi-Vorwürfe zurück und bedauerte den Clip später.

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FOTO: DPA Sänger Till Lindemann beim Auftritt in Wacken: Rammstein sind bekannt für ihre Provokatio­nen.

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