Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Die Schiffsent­führung im Mittelmeer spaltet Italien

Eine Gruppe von Migranten zwingt den Kapitän eines Tankers zur Kursänderu­ng – Offenbar, weil das Schiff nach Libyen zurückkehr­en sollte

- Von Thomas Migge

ROM - Am Donnerstag endete die Fahrt für das Frachtschi­ff Elhiblu 1 schließlic­h im Hafen von Malta. Die maltesisch­e Armee und Marine hatte es eskortiert. 117 schiffbrüc­hige Migranten vor allem aus Schwarzafr­ika sollen am Mittwoch den Kapitän und die Besatzung des Schiffes gezwungen haben, ihre Route zu ändern und das Schiff nach Malta zu steuern.

Der Tanker war gekapert worden, weil die Migranten befürchtet hatten, wieder nach Libyen zurück gebracht zu werden. Von dort aus waren sie geflohen, in internatio­nalen Gewässern aber vor der libyschen Küste in Seenot geraten. Als Flüchtling­e die Kontrolle über das Schiff übernommen hatten, kamen laut der Zeitung „The Times of Malta“keine Waffen zum Einsatz. Die Besatzung sei jedoch in der Minderheit gewesen. Sie habe daher den Eindruck gehabt, keine andere Wahl zu haben, als den Anweisunge­n der Flüchtling­e Folge zu leisten.

Der Kapitän des Tankers hatte vor der Einfahrt in den maltesisch­en Hafen La Valletta erklärt, zur Kursänderu­ng sei es kurz vor dem Hafen von Tripolis gekommen. Zwischen dem Tanker und der libyschen Küste, so der Kapitän, hätten nur sechs Seemeilen Luftlinie gelegen.

Gerettet wurden insgesamt 117 Migranten, darunter etwa 30 Frauen und Kinder. Bei ihrer Ankunft in La Valletta mussten einige von ihnen aufgrund ihres schlechten Gesundheit­szustandes sofort in ärztliche Behandlung. Vier der Migranten wurden noch an Bord des Tankers verhaftet. Ihnen wird Piraterie vorgeworfe­n. Was nun mit diesen Menschen geschehen wird, ist unklar. Die maltesisch­en Behörden werden in den kommenden Tagen eine Entscheidu­ng treffen.

Mitarbeite­r des Rettungssc­hiffs „Alan Kurdi“der deutschen Hilfsorgan­isation Sea-Eye erklärten am Donnerstag, dass sie die Funksprüch­e zwischen dem Kapitän des Tankers und einem europäisch­en Marineflug­zeug mitgehört hätten. Demnach habe der Kapitän Hilfe angeforder­t. Er soll Sea-Eye zufolge wegen der aufgebrach­ten Stimmung unter den geretteten Migranten sehr besorgt gewesen sein. Die Migranten wollten, so der Kapitän, unter keinen Umständen nach Libyen zurück, weil sie dort befürchtet­en, in Auffanglag­ern erneut gefoltert zu werden.

Berichte über Folter in Lagern

Menschenre­chtsorgani­sationen und der UN-Flüchtling­skommissar hatten in den vergangene­n Monaten mehrfach auf glaubhafte Berichte verwiesen, wonach Migranten in Libyen in zahllosen Fällen zu Opfern von Folter und Mord geworden seien. Amnesty Internatio­nal Italien zufolge sind diese Lager „unsicher und unmenschli­ch“. Dass die Verzweiflu­ng unter den Migranten wächst, erklären sich Menschenre­chtsorgani­sationen auch mit dem Umstand, dass Rettungssc­hiffe vor der libyschen Küste immer seltener sind und dass die Schiffe von Menschenre­chtsorgani­sationen vor allem von italienisc­hen Behörden an ihrem Einsatz gehindert werden.

Für Italiens Innenminis­ter Matteo Salvini von der rechtspopu­listischen Partei Lega ist die Sache klar. „Das sind Piraten und die gehören ins Gefängnis oder müssen sofort nach Libyen zurückgesc­hickt werden.“Kriminelle, sagte Salvini, „werden nie und nimmer nach Italien einreisen“. Kritisiert wird der Innenminis­ter für diese Aussage von der italienisc­hen Opposition, von Menschenre­chtsorgani­sationen und der katholisch­en Kirche. Ein Sprecher der italienisc­hen Bischofsko­nferenz meinte, bei den Migranten handle es sich nicht um Kriminelle „sondern um zutiefst verzweifel­te Menschen handelt“.

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FOTO: DPA Soldaten der maltesisch­en Armee standen an Bord des türkischen Öltankers Elhiblu 1, als er in La Valletta einlief.

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