Die Schiffsentführung im Mittelmeer spaltet Italien
Eine Gruppe von Migranten zwingt den Kapitän eines Tankers zur Kursänderung – Offenbar, weil das Schiff nach Libyen zurückkehren sollte
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ROM - Am Donnerstag endete die Fahrt für das Frachtschiff Elhiblu 1 schließlich im Hafen von Malta. Die maltesische Armee und Marine hatte es eskortiert. 117 schiffbrüchige Migranten vor allem aus Schwarzafrika sollen am Mittwoch den Kapitän und die Besatzung des Schiffes gezwungen haben, ihre Route zu ändern und das Schiff nach Malta zu steuern.
Der Tanker war gekapert worden, weil die Migranten befürchtet hatten, wieder nach Libyen zurück gebracht zu werden. Von dort aus waren sie geflohen, in internationalen Gewässern aber vor der libyschen Küste in Seenot geraten. Als Flüchtlinge die Kontrolle über das Schiff übernommen hatten, kamen laut der Zeitung „The Times of Malta“keine Waffen zum Einsatz. Die Besatzung sei jedoch in der Minderheit gewesen. Sie habe daher den Eindruck gehabt, keine andere Wahl zu haben, als den Anweisungen der Flüchtlinge Folge zu leisten.
Der Kapitän des Tankers hatte vor der Einfahrt in den maltesischen Hafen La Valletta erklärt, zur Kursänderung sei es kurz vor dem Hafen von Tripolis gekommen. Zwischen dem Tanker und der libyschen Küste, so der Kapitän, hätten nur sechs Seemeilen Luftlinie gelegen.
Gerettet wurden insgesamt 117 Migranten, darunter etwa 30 Frauen und Kinder. Bei ihrer Ankunft in La Valletta mussten einige von ihnen aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes sofort in ärztliche Behandlung. Vier der Migranten wurden noch an Bord des Tankers verhaftet. Ihnen wird Piraterie vorgeworfen. Was nun mit diesen Menschen geschehen wird, ist unklar. Die maltesischen Behörden werden in den kommenden Tagen eine Entscheidung treffen.
Mitarbeiter des Rettungsschiffs „Alan Kurdi“der deutschen Hilfsorganisation Sea-Eye erklärten am Donnerstag, dass sie die Funksprüche zwischen dem Kapitän des Tankers und einem europäischen Marineflugzeug mitgehört hätten. Demnach habe der Kapitän Hilfe angefordert. Er soll Sea-Eye zufolge wegen der aufgebrachten Stimmung unter den geretteten Migranten sehr besorgt gewesen sein. Die Migranten wollten, so der Kapitän, unter keinen Umständen nach Libyen zurück, weil sie dort befürchteten, in Auffanglagern erneut gefoltert zu werden.
Berichte über Folter in Lagern
Menschenrechtsorganisationen und der UN-Flüchtlingskommissar hatten in den vergangenen Monaten mehrfach auf glaubhafte Berichte verwiesen, wonach Migranten in Libyen in zahllosen Fällen zu Opfern von Folter und Mord geworden seien. Amnesty International Italien zufolge sind diese Lager „unsicher und unmenschlich“. Dass die Verzweiflung unter den Migranten wächst, erklären sich Menschenrechtsorganisationen auch mit dem Umstand, dass Rettungsschiffe vor der libyschen Küste immer seltener sind und dass die Schiffe von Menschenrechtsorganisationen vor allem von italienischen Behörden an ihrem Einsatz gehindert werden.
Für Italiens Innenminister Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Partei Lega ist die Sache klar. „Das sind Piraten und die gehören ins Gefängnis oder müssen sofort nach Libyen zurückgeschickt werden.“Kriminelle, sagte Salvini, „werden nie und nimmer nach Italien einreisen“. Kritisiert wird der Innenminister für diese Aussage von der italienischen Opposition, von Menschenrechtsorganisationen und der katholischen Kirche. Ein Sprecher der italienischen Bischofskonferenz meinte, bei den Migranten handle es sich nicht um Kriminelle „sondern um zutiefst verzweifelte Menschen handelt“.