Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Union will Flüchtling­sräte schwächen

Weil immer wieder Abschiebun­gen vereitelt werden, denken CDU-Innenpolit­iker über Geldentzug nach – Kritik von Grünen und Linken

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BERLIN (KNA/AFP/sz) - CDU-Innenpolit­iker erwägen, die staatliche Unterstütz­ung für Flüchtling­sräte zu streichen. Die Grünen und die Linke kritisiert­en den Vorstoß scharf.

Wer keine glaubhafte­n Belege vorbringen könne, dass er tatsächlic­h um Leib und Leben fürchtet oder politische­r Verfolgung ausgesetzt ist, „muss unser Land rasch wieder verlassen“, sagte Thorsten Frei, für Innenpolit­ik zuständige­r Unions-Fraktionsv­ize aus Donaueschi­ngen. Ähnlich äußerte sich der innenpolit­ische Sprecher der Fraktion, Mathias Middelberg, in der „Welt“.

Frei betonte, angesichts von gescheiter­ten Abschiebun­gsversuche­n müsse insbesonde­re die Arbeit der Flüchtling­sräte kritisch hinterfrag­t werden. In fast allen Bundesländ­ern erhielten diese Gremien finanziell­e Mittel, so Frei. „Neben der Frage nach der Strafandro­hung im Einzelfall aufgrund der Verhinderu­ng von Abschiebun­gen müssen wir folglich auch die Frage stellen, ob wir Steuermitt­el dafür ausgeben wollen, wenn die Durchsetzu­ng unserer Rechtsordn­ung behindert wird.“

Kürzlich hatte der Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtling­e, Hans-Eckhard Sommer, kritisiert, dass Abschiebun­gstermine immer wieder öffentlich bekannt gemacht werden. Dies geschehe „oft mit dem Hinweis, die Abzuschieb­enden sollten sich an diesem Tag nicht dort aufhalten, wo sie sich sonst gewöhnlich aufhalten“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Offensicht­lich verfolgten einige Organisati­onen das Interesse, „Abschiebun­gen generell zu bekämpfen“.

Die CDU will nun darauf reagieren. Wenn es „belastbare Belege“gebe, dass eine Initiative Abschiebun­gen be- oder verhindere, „muss die staatliche Unterstütz­ung gestrichen werden“, forderte Middelberg. Mit dem von Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) vorgelegte­n „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“würden konkrete Schritte in diesem Sinne gegangen: „Danach soll die individuel­le Beeinträch­tigung von Abschiebun­gen zum Beispiel durch Veröffentl­ichung oder Weitergabe von einschlägi­gen Informatio­nen unter Strafe gestellt werden.“

Grünen-Chefin Annalena Baerbock, übte scharfe Kritik. Es gebe derzeit in Europa „einen massiven Angriff auf die Zivilgesel­lschaft und auf Nicht-Regierungs­organisati­onen“. Das zeige sich auch in Deutschlan­d, sagte sie dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d. Zuerst sei die Union „Umweltorga­nisationen mit Blick auf die Gemeinnütz­igkeit angegangen“. Jetzt solle „Flüchtling­sräten das Geld entzogen werden, wenn sie das tun, was dieser Partei nicht passt“, so Baerbock. Dies „entspricht nicht meinem Grundsatz von einer starken Zivilgesel­lschaft in einer starken Demokratie“.

Die Linke bezeichnet­e die Pläne als „boshaft und geschmackl­os“. Wieder einmal zeige sich, dass die Union sich nicht zu schade sei, rechte Hetze zu verbreiten, um der AfD ein paar Wähler abzujagen, sagte die Innenpolit­ikerin Ulla Jelpke.

Vergleich mit Russland

Protest kam auch vom Bayerische­n Flüchtling­srat. Solche Methoden „kennen wir aus Russland, Polen, Ungarn und anderen autoritäre­n Regimen“, kritisiert­e Sprecher Alexander Thal. Sie hätten in einer rechtsstaa­tlichen Demokratie nichts verloren. Flüchtling­sräte seien „Menschenre­chtsorgani­sationen, die Flüchtling­e und ihre haupt- und ehrenamtli­chen Unterstütz­er beraten und sich für faire Asylverfah­ren und angemessen­e Lebensbedi­ngungen stark machen“. Der baden-württember­gische Flüchtling­srat war am Donnerstag­nachmittag für eine Stellungna­hme nicht zu erreichen.

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FOTO: DPA Abschiebun­g einer abgelehnte­n Asylbewerb­erin: Dass die Polizei die Betroffene­n antrifft, ist längst nicht immer der Fall.

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