Tuttlinger Entwicklungshilfe
Mit guten Zahlen stützt das Unternehmen Aesculap seine nordhessische Mutter B. Braun
● TUTTLINGEN - Joachim Schulz hat Wort gehalten. Im April des vergangenen Jahres hatte der Chef des Medizintechnikspezialisten Aesculap einen Umsatzzuwachs und einen Ertragsschub für 2018 angekündigt. Am Donnerstag hat er geliefert. Die Erlöse von Aesculap, der zweitgrößten Sparte des hessischen Gesundheitskonzerns B. Braun, sind im abgelaufenen Geschäftsjahr um 5,3 Prozent gestiegen. Und beim Ergebnis haben die Tuttlinger – wie versprochen – überproportional zugelegt. Ohne konkrete Zahlen zu nennen sagte Schulz: „Wir sind jetzt die ertragsstärkste Sparte im B.-Braun-Konzern. Und das wird in Melsungen sehr wohl wahrgenommen und anerkannt.“
Melsungen – das ist der Sitz der Konzernmutter B. Braun, zu der Aesculap seit 1976 gehört. Von dort kamen in der vergangenen Woche eher verhaltene Geschäftszahlen. Vor allem beim Ergebnis hatte Noch-Konzernchef Heinz-Walter Große die selbstgesteckten Ziele verfehlt. Negative Währungseffekte hatten Umsatz und Gewinn um jeweils mehr als 100 Millionen Euro gedrückt. Doch Aesculap hob Große positiv hervor. Von den vier B.-Braun-Sparten sei das Geschäft der Tuttlinger „besonders dynamisch“gewesen.
Kosten im Griff
Dabei war der Hersteller von chirurgischen Instrumenten, Implantaten und Nahtmaterial von ungünstigen Wechselkursentwicklungen nicht verschont geblieben. „Wir hatten in erheblichem Maße mit Währungsverschiebungen zu kämpfen“, sagte Schulz. Das Umsatzwachstum lag unter Berücksichtigung dieser Veränderungen denn auch nur bei etwas mehr als zwei Prozent. Doch Aesculap gelang es, die Kosten im Griff zu behalten, was sich in einem überproportionalen Ergebniszuwachs niederschlug. Das Kosten- und Effizienzprogramm, das im vergangenen Jahr aufgesetzt wurde, „zeige Wirkung“, erklärte Schulz.
So hat Aesculap im vergangenen Jahr nur in bestimmten, wachstumsstarken Märkten, wie beispielsweise China, Kosten aufgebaut. Am Standort Tuttlingen wurden – auch wegen des vergleichsweise hohen Tarifabschlusses in der deutschen Metallund Elektroindustrie – keine neuen Mitarbeiter eingestellt, der Bestand von 3600 Beschäftigten also konstant gehalten. Zudem gelang es Aesculap, „bei einigen Produkten Preiserhöhungen durchzusetzen“, erklärte Marketing- und Vertriebsvorstand Jens von Lackum, „obwohl das Grundmuster in der Branche ein anderes ist: nämlich Preisverfall“.
Deshalb ist den Tuttlingern auch vor dem Programm der neuen B.-Braun-Chefin Anna Maria Braun nicht bange. Das hatte die 39-Jährige, die ab dem 1. April den Chefposten in Melsungen übernimmt, vergangene Woche wie folgt umrissen: „Profitabilität“und „konsequentes RessourcenManagement“. Auf die Frage, was das für Aesculap heiße, antwortete Schulz: „Weitermachen wie bisher.“
So wird in Tuttlingen zunächst kein weiteres Personal aufgebaut. Sparpotenziale versprechen sich Schulz und von Lackum zudem von der bereits 2018 angekündigten, konzernweiten Vertriebsorganisation, die wegen „komplizierter Steuerfragen“aber noch nicht umgesetzt sei. Künftig sollen die Aesculap-Vertriebsmitarbeiter auch Produkte und Dienstleistungen der anderen B.Braun-Sparten in Deutschland verkaufen. „One Face to the Customer“heißt das auf neudeutsch und bedeutet, dass sich nicht zwei oder drei Vertriebler aus der B.-Braun-Gruppe bei Großkunden die Klinke in die Hand geben.
Neue Schlagkraft im Vertrieb
Man versuche mit der Neuorganisation auch der zunehmenden Professionalisierung im Einkauf der Klinikketten etwas entgegenzusetzen, gab Schulz zu. Von Lackum zufolge betrifft die Maßnahme rund 200 Mitarbeiter von Aesculap, die in eine eigene Gesellschaft unter dem Dach der B.-Braun-Gruppe überführt werden.
Für das laufende Jahr plant Schulz, im „Zielkorridor von fünf bis sieben Prozent“weiter zu wachsen – in konstanten Wechselkursen gerechnet. Die Kosten sollen weiterhin deutlich geringer zulegen als die Erlöse, was mit einer Verbesserung der Ergebnismarge einherginge. Schulz gestand jedoch ein, dass Kostenkontrolle unter den aktuellen Rahmenbedingungen „eine Herausforderung“sei. Damit spielte der Aesculap-Chef insbesondere auf die Medizinprodukteverordnung an, die in der Branche zurzeit erhebliche Ressourcen verschlingt. Bis zum 25. Mai 2020 müssen viele Produkte – auch solche, die bereits seit Jahren verkauft werden – neu zertifiziert werden. „Das bindet rund die Hälfte unserer Entwicklungskapazitäten“, sagte Schulz.
Kapazitäten, die nicht in die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen gesteckt werden können. Forschungs- und Entwicklungsvorstand Katrin Sternberg sprach daher von „einem Spagat“, den Aesculap und die ganze Branche derzeit machen müssten. Das Unternehmen werde aber alle Anforderungen fristgerecht erfüllen, versprach Schulz.