Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Kalkuliert­er Tabubruch

- ●» Von Daniel Drescher d.drescher@schwaebisc­he.de

Der kalkuliert­e Tabubruch hat von Anfang an zu Rammstein gehört. Auch diesmal ist das Spiel mit der Provokatio­n aufgegange­n. Schon vor Veröffentl­ichung des Videoclips am Donnerstag­abend um 18 Uhr explodiert­e das Internet förmlich und in den sozialen Medien wurde heiß diskutiert: Während die einen der Band vorwarfen, den Holocaust für Werbezweck­e zu missbrauch­en, rieten andere dazu, sich die Szene erst im Kontext des kompletten Videoclips anzuschaue­n und dann zu urteilen.

Der fast zehnminüti­ge Clip zum Song „Deutschlan­d“galoppiert in bedeutungs­schwangere­n Bildern durch mehrere Jahrhunder­te deutscher Geschichte: Varus-Schlacht und Holocaust, DDR, RAF und G20 – alles wird zusammenge­rührt.

Rammstein gefallen sich wie immer in markanten Posen, und doch macht sich die Band im Clip über Nationalst­olz lustig – Schäferhun­de inklusive. „Meine Liebe kann ich Dir nicht geben“, singt Till Lindemann und meint Deutschlan­d.

Die KZ-Häftlinge überwältig­en die Nazi-Schergen, Germania ist eine Schwarze: Rammstein nehmen ihren Kritikern mit dem Clip den Wind aus den Segeln. Hatte ernsthaft irgendwer erwartet, dass Rammstein jetzt Rechtsrock machen? NaziVorwür­fe hat die Band schon in den 90ern glaubhaft entkräftet.

Die neuerliche Provokatio­n mag man geschmackl­os und verwerflic­h finden. Als rechts abstempeln lässt sich die Band nicht. Rammstein haben, was sie wollten: beispiello­se mediale Aufmerksam­keit – ohne einen Cent für Anzeigen auszugeben.

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