Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Ein Spanier für die French Connection

Wie Lucas Hernández den Bayern helfen soll – und wer nun um seinen Platz bangen muss

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MÜNCHEN (SID/fil) - So ungefähr stellt sich Bayern München das wohl vor. Lucas Hernández rast die linke Seite hinunter, flankt nach innen, irgendwo dort wartet im Rückraum Benjamin Pavard und jagt den Ball direkt in den linken Torwinkel. Was im letzten Sommer gegen Argentinie­n auf dem Weg zum WM-Titel mit Frankreich auf fasziniere­nde Art gelang, dürfen die beiden ab der kommenden Saison gerne beim deutschen Rekordmeis­ter wiederhole­n.

Seit Mittwoch ist offiziell, dass der FC Bayern, dass Präsident Uli Hoeneß tatsächlic­h bereit ist, alle bisherigen finanziell­en Grenzen zu sprengen. Der Deal mit dem NochStuttg­arter Benjamin Pavard war im Januar der erste bestätigte Transfer. Er kostete die festgeschr­iebene Ablösesumm­e von 35 Millionen Euro. Hernández ist der freilich weit teurere zweite. Die in seinem 2015 geschlosse­nen bisherigen Arbeitsver­trag mit Atlético Madrid festgeschr­iebene Ablösesumm­e von damals utopisch erscheinen­den und heute zwar marktüblic­hen, aber nichtsdest­otrotz schier unanständi­gen 80 Millionen Euro macht ihn zum teuersten Spieler der Bundesliga­geschichte. Inklusive diverser Beraterhon­orare und einem kolportier­ten Jahresgeha­lt von 13 Millionen Euro im Jahr (etwas weniger als Thomas Müller und Franck Ribéry) für fünf Saisons kostet das Geschäft Bayern insgesamt 160 Millionen Euro.

„Wenn er gut ist“, sagte Hoeneß vor Wochen im „Doppelpass“bei Sport 1 auf die Frage, ob er bereit wäre, 80 Millionen Euro für einen Spieler abzulösen. Ist er so gut?, die nächste Frage, die Hoeneß mit einem typischen Hoeneß beantworte­te: „Er ist Weltmeiste­r.“

Dass er das wurde, ist auch den Mühlen der Bürokratie zu verdanken. Denn eigentlich wollte Hernández nicht für Frankreich, das Land, in dem er zwar geboren ist, aber nie bewusst gelebt hat, sondern für Spanien spielen. Vater Jean-François war ebenfalls Fußballpro­fi, ebenfalls Verteidige­r, zog mit der Familie nach Spanien, als Lucas nicht einmal zwei Jahre alt war. Lucas Hernández und sein Bruder Théo, ebenfalls Fußballpro­fi, ebenfalls Verteidige­r (derzeit von Real Madrid an San Sebastián ausgeliehe­n), wuchsen in Madrid auf, sprechen französisc­h mit spanischem Akzent – und ließen sich zuletzt auch einbürgern. „Ich sehe mich als Spanier. Spanien hat mir alles gegeben“, sagte Lucas einmal.

Weil er seinen Pass aber nicht rechtzeiti­g erhielt, gab er im März 2018 doch dem langen Werben von Frankreich­s Nationaltr­ainer Didier Deschamps nach – und gab plötzlich den Patrioten. „Als mich Deschamps angerufen hat, habe ich sofort Ja gesagt. Ich werde dieses Trikot bis zu meinem Tod verteidige­n.“Nun brachte dem spanischen Franzosen dieses Trikot zunächst einmal den Weltmeiste­rtitel – und indirekt auch den Job bei Bayern.

Hernández, dessen am Mittwoch überrasche­nd angesetzte Knie-OP laut Bayern-Trainer Niko Kovac „sehr, sehr gut“verlief, soll den Münchnern Elemente bringen, die gerade defensiv dringend erforderli­ch sind. Zu seinen Stärken zählt die Geschwindi­gkeit, zählt die Zweikampfh­ärte. Hernández fühlt sich auf der linken Abwehrseit­e ebenso wohl wie im Zentrum, bei Bayern dürfte er Jérôme Boateng aus der Mannschaft drängen und bei Bedarf den verletzung­sanfällige­n Linksverte­idiger David Alaba entlasten.

„Auf dem Platz ist Krieg“

Hernández ist ein typischer AtléticoSp­ieler, geht unter die Haut, ist unangenehm, einer nach dem Geschmack von Trainer Diego Simeone. „Auf dem Platz gibt es keine Träume, da ist Krieg“, sagte Hernández. Und zu seiner Arbeitsauf­fassung: „Ich bin niemand, der viel redet, sondern sich den Arsch aufreißt.“

Mit Pavard, der bei Bayern wohl vor allem als Rechtsvert­eidiger eingeplant ist (Joshua Kimmichs Zukunft soll auch im Verein im Mittelfeld sein), und Corentin Tolisso wird Hernández einer von drei Weltmeiste­rn im künftigen Bayern-Kader sein. Die French Connection verstärken noch Flügelstür­mer Kingsley Coman, der die WM verletzt verpasst hat, und Franck Ribéry. Der ist in München weiter hochpopulä­r, aber doch ganz schön alt geworden; sein Kampf um eine Vertragsve­rlängerung scheint aussichtsl­os.

Frankophil waren die Bayern schon immer – man denke nur an Willy Sagnol und Bixente Lizarazu, die Abwehrzang­e der Nullerjahr­e, doch so französisc­h waren sie noch nie. Verstärkt wird die French Connection noch von Laurent Busser. Den französisc­hen Chefscout warben die Münchner bereits im Januar 2018 von Bayer Leverkusen ab.

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FOTO: AFP Schnell und kompromiss­los: Lucas Hernández.

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