Die Weißenhofsiedlung: eine bewegte Geschichte
So etwas wie die Weißenhofsiedlung mit ihren radikal neuen Bauten hatte man in Stuttgart vor 1927 noch nie gesehen. Die Mustersiedlung entstand als Kernstück der
Ausstellung „Die Wohnung“, die der Deutsche Werkbund initiiert hatte. 17 Architekten aus Deutschland, Holland, Österreich und der Schweiz sollten mit der Ausstellung Wohnideen für den modernen Großstadtmenschen präsentieren.
Die Musterhäuser – insgesamt 33 an der Zahl – enstanden in einer Rekordzeit von nur 21 Wochen. Die Architekten experimentierten beim Bau mit verschiedenen Materialien. Mehrere hunderttausend Menschen besuchten die Ausstellung, in ihrer Radikalität polarisierte sie aber schnell. Kritiker verschmähten die Siedlung als „Araber-Dorf“. Der von den Nationalsozialisten eingesetzte Oberbürgermeister Karl Strölin
bezeichnete sie als „Schandfleck Stuttgarts“. Während des Zweiten Weltkriegs und danach war die Siedlung Verfall und Zerstörung preisgegeben. Zehn Häuser wurden durch Bomben zerstört.
Erst in den 50er-Jahren begann eine Phase allmählicher Wertschätzung der Siedlung. 1958 wurde sie als Kulturdenkmal unter Schutz gestellt und zwischen 1981 und 1987 grundlegend instand gesetzt. Zwei
Häuser des Architekten Le Corbusier wurden 2016 zum Weltkulturerbe erklärt. Sein Doppelhaus ist heute als Museum für Besucher zugänglich. Auf eine neue Phase in ihrer Geschichte steuert die Siedlung im Augenblick zu. Im vergangenen Oktober verkaufte der Bund die Siedlung an die Stadt Stuttgart. Ab April haben die Bewohner dann offiziell einen neuen Vermieter. (hego)