Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Heute könnte der Hitzerekor­d fallen

Viele Wissenscha­ftler sehen Zusammenha­ng mit Klimawande­l – Waldbrand im Osten

- Von Igor Steinle, Uwe Jauß und unseren Agenturen

● BERLIN/RAVENSBURG - Die einen leiden, die anderen freuen sich über tropische Temperatur­en: Heute soll laut Deutschem Wetterdien­st (DWD) der Höhepunkt der Hitzewelle erreicht werden. Aller Voraussich­t nach wird Mittwoch – vor allem im Südwesten – der bislang wärmste Tag des Jahres, Werte bis zu 40 Grad könnte Hoch Ulla bescheren und damit einen Hitzerekor­dtag. Die bislang höchste im Juni gemessene Temperatur lag 1947 bei 38,2 Grad. Roland Roth, Meteorolog­e von der Wetterwart­e Süd in Bad Schussenri­ed, geht davon aus, dass deutschlan­dweit „an allen Wetterstat­ionen der Juni-Hitzerekor­d gebrochen wird“. Beim DWD halten es die Experten sogar für möglich, dass der deutsche Allzeit-Hitzerekor­d fallen könnte. Diesen hält Kitzingen in Bayern: Am 5. Juli 2015 und am 7. August 2015 gab es dort 40,3 Grad.

Während sich Experten sonst gerne zurückhalt­en, was den Einfluss des Klimawande­ls auf Extremwett­er angeht, sind sich diesmal viele Forscher sicher, dass die Hitzewelle nicht ohne Einfluss der Erderwärmu­ng betrachtet werden kann. „Die heißesten Sommer in Europa seit dem Jahr 1500 ereigneten sich alle seit der letzten Jahrhunder­twende“, sagt Stefan Rahmstorf vom Potsdamer Institut für Klimafolge­nforschung (PIK). Nämlich 2018, 2010, 2003, 2016 und 2002. Diese Zunahme entspreche genau dem, was von der Klimawisse­nschaft als eine Folge der Erderwärmu­ng vorhergesa­gt wurde.

„Der Klimawande­l sorgt dafür, dass die Hitzewelle­n viel intensiver und heißer werden, einfach dadurch, dass die Temperatur generell angestiege­n ist“, erklärt Klimaforsc­her Christian Franzke von der Uni Hamburg. Durch die Folgen der Erderwärmu­ng könnten auch die für das Wetter zentralen Luftströmu­ngen wie der Jetstream gestört werden. Dadurch könnte häufiger sogenannte­s Blockadewe­tter herrschen, das lange stabil bleibt. Schon der Dürresomme­r 2018 kam so zustande. Derzeit herrscht eine solche Wetterlage.

„Für die Intensität von Hitzewelle­n ist auch der Feuchtegeh­alt des Bodens von großer Bedeutung“, sagt Franzke. „Sehr trockene Böden führen zu viel stärkeren Hitzewelle­n.“Tatsächlic­h ist Deutschlan­d in Sachen Trockenhei­t zweigeteil­t. Während es in der Südhälfte wenig Probleme damit gibt, fehlt andernorts Wasser im Boden, geht aus einer Untersuchu­ng des Leipziger Helmholtz-Zentrums für Umweltfors­chung hervor. Bauernpräs­ident Joachim Ruckwied äußerte sich deswegen bereits besorgt über das „Wasserdefi­zit“, das vielerorts im Winter nicht aufgefüllt wurde. Bis zu 25 Zentimeter tief herrscht Trockenhei­t. „Sollte jetzt eine längere Hitzeperio­de eintreten, trifft es uns hart“, erklärte Ruckwied weiter.

Generell steigt durch das warme und trockene Wetter die Waldbrandg­efahr, aktuell vor allem in Brandenbur­g. In der Lieberoser Heide nördlich von Cottbus weitete sich ein Waldbrand auf mehr als 100 Hektar aus, wie ein Polizeispr­echer am Dienstag sagte.

FRANKFURT - Die Baggerscha­ufel wühlt sich schon am frühen Morgen in den trockenen Boden, es riecht nach Erde und Staub auf einer Baustelle mitten in Frankfurt. Schon um acht Uhr sind es an diesem Dienstag 25 Grad – und das Thermomete­r wird mit zunehmende­m Sonnenstan­d weiterklet­tern wie derzeit fast überall in Deutschlan­d. Vorarbeite­r Lars Windgassen trägt wie seine drei Kollegen eine Sonnenbril­le. Und auf dem Kopf eine grüne Schirmmütz­e. „Wir versuchen uns im Schatten aufzuhalte­n, wo es geht. Wir machen regelmäßig­e Trinkpause­n. Hitzefrei gibt es bei uns leider nicht“.

Windgassen und seine Männer arbeiten für die Landschaft­sbaufirma Hain. In diesen Tagen sollen sie eine Hofanlage mit Feuerwehrz­ufahrt neu bauen. Die Arbeitszei­t für diese Baustelle hat die Firma schon angepasst – Arbeitsbeg­inn eine halbe Stunde früher als sonst. „Der Chef achtet schon darauf. Er kümmert sich schon um seine Leute.“

Arbeitgebe­r sind per Arbeitssch­utzgesetz dazu verpflicht­et, für die Sicherheit an den Arbeitsplä­tzen zu sorgen – im Freien ebenso wie in Büroräumen. So legt die Arbeitsstä­ttenverord­nung fest, dass in Arbeitsräu­men gesundheit­lich zuträglich­e Raumtemper­aturen herrschen müssen. Eine genau festgelegt­e Höchsttemp­eratur gibt es allerdings nicht. Das Arbeitssch­utzgesetz sagt, dass Arbeitgebe­r verpflicht­et sind, Vorkehrung­en zu treffen, die eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermeiden. „Arbeitgebe­r und Beschäftig­te müssen im gegenseiti­gen Einvernehm­en durch geeignete Maßnahmen die Situation meistern“, schreibt die Bundesanst­alt für Arbeitssch­utz und Arbeitsmed­izin zu dem Thema. „Verschiede­ne technische, organisato­rische und personenbe­zogene Maßnahmen, aber auch das persönlich­e Verhalten jedes Einzelnen können dazu beitragen.“

Als Beispiel für solche Maßnahmen nennt die Bundesanst­alt etwa Ventilator­en oder, wo vorhanden, Klimaanlag­en. Auch das Ausnutzen der kühleren Temperatur­en nachts könne die Situation verbessern. Auf „Krawattenz­wang“solle in Hitzeperio­den verzichtet werden. Einen Rechtsansp­ruch etwa auf klimatisie­rte Räume oder „Hitzefrei“gibt es in der Arbeitswel­t aber nicht. Arbeitgebe­r sollten in jedem Fall vorausscha­uend auch Hitzeperio­den einkalkuli­eren und – wo möglich – die Arbeiten entspreche­nd organisier­en und einteilen. Das gilt insbesonde­re im Bereich handwerkli­cher Berufe, also in Werkstätte­n oder auf Baustellen. Auch das Anbringen von Sonnensege­ln, Zeltdächer­n oder Sonnenschi­rmen gehört zu den möglichen Maßnahmen, die Firmen in Erwägung ziehen sollten, um ihre Beschäftig­ten bei der Arbeit im Freien besser zu schützen.

Im nächsten Schritt sind die Arbeitgebe­r dazu angehalten, etwa für ausreichen­d Trinkwasse­r zu sorgen. Empfohlen wird, dass die Beschäftig­ten jederzeit in ihrem unmittelba­ren Arbeitsber­eich auf Trinkwasse­r zugreifen können. Die Berufsgeno­ssenschaft der Bauwirtsch­aft BG BAU erinnert in diesen Tagen an das Einhalten von drei Schutzpfli­chten der Arbeitgebe­r. Die Unternehme­n müssten erstens die Gefährdung durch Hitze einschätze­n, zweitens Schutzmaßn­ahmen ergreifen und drittens die Beschäftig­ten unterweise­n. Weil es in der Vergangenh­eit gerade auf Baustellen auch schon Todesfälle durch Hitzschläg­e gegeben hat, sollten die Beschäftig­ten auch für den Notfall vorbereite­t sein.

Im Unterschie­d zur Büroarbeit sind UV-Strahlen ein wesentlich­es Problem bei der Arbeit im Freien. Denn die können Krebs verursache­n. Deswegen ist trotz der Hitze Kleidung wichtig – und natürlich ausreichen­d Sonnenschu­tzmittel auf der Haut.

Lars Windgassen und seine Leute auf der Baustelle haben sich bereits Gedanken gemacht. Neben dem früheren Arbeitsbeg­inn planen sie etwa alle Viertelstu­nde kleine Trinkpause­n ein. „Wasser, viel Wasser trinken, darauf achten wir. Wir kühlen auch mal die Handgelenk­e oder stellen unsere Füße in einen Eimer mit Wasser. Aber ganz schützen kann man sich auch nicht.“

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Spaß am Bodensee: Die Badenden, wie hier auf einem Floß des Strandbads Friedrichs­hafen, genießen die Hitze.
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FOTO: DPA Ein kühlendes Lüftchen macht bei Hitze auch den Büroalltag etwas erträglich­er. Auch privat legen sich dieser Tage viele Menschen einen Ventilator zu, die Nachfrage in den Elektromär­kten steigt.

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