Mitten ins Herz
Ehemann gesteht zum Prozessauftakt, seine Frau in Laichingen-Suppingen getötet zu haben – Er sieht sich aber auch als Opfer
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ULM - Ein 40-jähriger Mann, der beschuldigt wird, in den Abendstunden vom 2. auf den 3. November vergangenen Jahres seine Ehefrau im Laichinger Teilort Suppingen ermordet zu haben, hat zum Prozessauftakt eine umfangreiche Stellungnahme abgegeben. Er gestand, die 30-Jährige, mit der er drei gemeinsame Töchter hat, umgebracht zu haben. Allerdings, so suggeriert seine Einlassung, habe er die Tat nicht kaltblütig geplant. Die Erörterungen am Montag vor dem Landgericht Ulm gaben Einblick in ein verpfuschtes Leben, in dem Alkohol und Gewalt Normalität waren.
Sie habe ihn als „Monster“bezeichnet, ihm geraten, sich umzubringen, sich zu erhängen. Das sei das Beste für die Kinder. Die jetzt keine Mutter mehr haben. Und im Grunde auch keinen Vater mehr. Die fünf-, zehn- und 14-jährigen Geschwister befinden sich in der Obhut ihrer Großeltern mütterlicherseits. Ihr Vater auf der Anklagebank.
Weitestgehend stoisch, hinter einer großen Hornbrille, verfolgt der 40Jährige das Geschehen im Verhandlungssaal am Montag vor dem Ulmer Landgericht. Ein Häufchen Elend in weißem Sportsweater und schwarzen Schuhen mit Klettverschluss. Erkennbare Reaktionen, Emotionen: Fehlanzeige.
Seine Schwiegermutter bricht in Tränen aus, als die Staatsanwältin die Anklage verliest. Danach verlässt sie gemeinsam mit ihrem Mann den Verhandlungssaal. Denn die beiden sind auch als Zeugen geladen und die Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen könnte Risse bekommen, wenn sie vor ihrer Befragung den Prozess verfolgen.
Geständnis gleich zu Beginn
Zur Erleichterung wohl aller Prozessbeteiligten gesteht der Angeklagte gleich zu Beginn, seine Frau an besagtem Abend in Suppingen umgebracht zu haben. Sein Verteidiger verliest eine längere Stellungnahme seines Mandanten, in der dieser seine Sicht darlegt und wie es zur Tötung seiner Frau, die sich jedoch scheiden lassen wollte, kam. Von Reue oder Trauer findet sich darin nichts, dafür umso mehr Schilderungen, die darlegen sollen, dass er zumindest zu seinen Töchtern bis zum Schluss ein einigermaßen vernünftiges Verhältnis habe pflegen wollen. Bis seine Frau ihm die Kinder habe entziehen wollen.
Dieser Umstand sei der Grund dafür gewesen, dass er gegen 18 Uhr am 2. November 2018 mit dem Bus von Laichingen nach Suppingen gefahren sei. „Ich wollte sie zur Rede stellen.“Er habe wissen wollen, warum seine Frau ihm die Kinder nicht mehr habe bringen wollen. Die gemeinsame Wohnung in Suppingen hatte er schon eine Weile nicht mehr betreten, da er erst Anfang September 2018 aus dem Gefängnis entlassen worden war.
Deutlich kommt an mehreren Stellen heraus, dass es zwischen ihm und seiner Frau öfters gekracht hat. Jedoch, so der Angeklagte, der in Russland geboren und aufgewachsen ist, und dem deshalb eine Dolmetscherin zur Seite gestellt wurde, sei die Aggression nicht immer nur von ihm ausgegangen. Als der vorsitzende Richter wissen will, ob er seine Frau geschlagen habe, bejaht der Angeklagte. Aber auch seine Frau habe ihn geschlagen und zwar mit jeglichen Gegenständen, die sie in jenen Momenten habe greifen können. Außerdem sei seine Frau oft in Spielhallen gewesen, zuletzt in Blaubeuren; für eine Laichinger Spielhalle sei ihr ein Verbot erteilt worden. Seine Frau wiederum habe sich über seinen Alkoholkonsum aufgeregt. Dieser war so hoch, dass ihm ein Teil seiner Bauchspeicheldrüse entfernt werden musste. In der Folge erkrankte er an Diabetes.
Unklar ist nach wie vor, in welchem Zustand der 40-Jährige den letzten, verhängnisvollen Besuch bei seiner Frau in Suppingen angetreten hat. Es habe Zeiten gegeben, da habe er täglich anderthalb bis zwei Flaschen Wodka getrunken. Angewiesen war er auch auf diverse Schmerzmittel, außerdem ist die Rede von Methadon, einem Ersatzstoff für Heroin.
Beide enden tödlich
Vom Aufeinandertreffen zwischen ihm und seiner Frau in Suppingen gibt es zwei Versionen. Beide enden tödlich. Mit einem Unterschied allerdings, und der könnte bei der Urteilsfindung eine entscheidende Rolle spielen, dass der Beschuldigte in seinen Ausführungen die Tat nicht eiskalt geplant haben will. Auch die Anzahl der Messerstiche, die er abgegeben hat, weicht in seiner Darstellung ab. „So viele waren es nicht“, lässt der Angeklagte wissen.
Laut Staatsanwaltschaft, die sich auf das Gutachten der ebenfalls vor Gericht aussagenden Rechtsmedizinerin stützen kann, waren es elf Messerstiche. Sieben Einstiche im Rücken, drei vorne und an der Seite und ein elfter Messerstich, der mitten ins Herz des Opfers ging. Dieser Stich habe zwar nicht unmittelbar zum Tode geführt, allerdings, so die Rechtsmedizinerin, seien die Chancen minimal gewesen, sie nach dieser Verletzung noch zu retten.
Gefunden wurde das Opfer in liegender Position, auf dem Rücken zwischen Wand und Toilette, teils war ihr Körper noch in eine Decke gehüllt, die sich die 30-Jährige zuvor offenbar umgebunden hatte.
Der Erste, der sie in dieser Lage erblickte, war ihr Vater. Mit einem Trennschleifer hatte er die nach der Tat von außen abgeschlossene WCTüre in den Morgenstunden des 3. November aufgeflext. Benachrichtigt worden war der Vater, der in Laichingen lebt, vom Arbeitgeber seiner Tochter. Dieser war beunruhigt, weil die Frau nicht zur Arbeit erschienen war. Die Kinder hatte sie schon im Vorfeld, wie immer vor samstäglichen Markttagen, an denen sie im Einsatz war, bei ihren Großeltern abgegeben.
Messer hinter einer Sockelleiste
Gefunden wurde die mutmaßliche Tatwaffe, ein Messer aus der Küche des Suppinger Haushalts, erst einige Zeit nach der Tat. Es kam zum Vorschein, als der Vater des Opfers die Küche auszubauen begann. Es war hinter einer Sockelleiste eines Küchenschrankes verborgen. Im Spiel war aber noch ein zweites Messer, ein französisches Steakmesser; dieses wurde, eingehüllt in ein weißes Tuch, im Stall neben dem Wohnhaus gefunden. Es gehört der Mutter des Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, einige Zeit im unverschlossenen Stall neben dem Wohnhaus gewartet zu haben. Bis er zuschlagen konnte.
Laut Anklage soll sich der Mann über ein Kellerfenster an der Front des Hauses Zugang ins Innere verschafft haben. Der Angeklagte widerspricht; er sei durch die Haustüre gekommen, er habe ja noch einen passenden Schlüssel gehabt.
Der Angeklagte hat noch zwei weitere Kinder, aus einer vorherigen Beziehung. Kontakt zu ihnen bestehe allerdings keiner mehr. Um die Jahrtausendwende kam der 1978 in Sibirien Geborene nach Deutschland (auch das Opfer stammt aus Russland); zunächst lebten er und weitere Teile seiner Familie in Cottbus, kurz darauf der Umzug in den Raum Laichingen. Einem Beruf ist er nie nachgegangen, die Schule brach er nach der fünften Klasse ab, obwohl in seiner Heimat bis zur achten Klasse Schulpflicht besteht. Seinen leiblichen Vater soll er nie kennengelernt haben. Aber auch dieser soll seinerseits eine spätere Lebensgefährtin umgebracht haben. Nachdem der Vater aus dem Gefängnis kam, sei auch er umgebracht worden.
Zu seiner Frau hat der Angeklagte anscheinend ein sehr ambivalentes Verhältnis. Sie habe ihm gedroht, jemanden zu beauftragen, der ihn töten werde. Allerdings sei sie es auch gewesen, die ihn bei einem seiner mehreren missglückten Suizidversuche gerettet habe; sie habe das Seil der Schlinge durchtrennt, als er sich habe erhängen wollen. Sie, die „Liebe meines Lebens“, so der Angeklagte.
Fünf weitere Prozesstage folgen,
der nächste am 5. Juli.