Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Mitten ins Herz

Ehemann gesteht zum Prozessauf­takt, seine Frau in Laichingen-Suppingen getötet zu haben – Er sieht sich aber auch als Opfer

- Von Johannes Rauneker

ULM - Ein 40-jähriger Mann, der beschuldig­t wird, in den Abendstund­en vom 2. auf den 3. November vergangene­n Jahres seine Ehefrau im Laichinger Teilort Suppingen ermordet zu haben, hat zum Prozessauf­takt eine umfangreic­he Stellungna­hme abgegeben. Er gestand, die 30-Jährige, mit der er drei gemeinsame Töchter hat, umgebracht zu haben. Allerdings, so suggeriert seine Einlassung, habe er die Tat nicht kaltblütig geplant. Die Erörterung­en am Montag vor dem Landgerich­t Ulm gaben Einblick in ein verpfuscht­es Leben, in dem Alkohol und Gewalt Normalität waren.

Sie habe ihn als „Monster“bezeichnet, ihm geraten, sich umzubringe­n, sich zu erhängen. Das sei das Beste für die Kinder. Die jetzt keine Mutter mehr haben. Und im Grunde auch keinen Vater mehr. Die fünf-, zehn- und 14-jährigen Geschwiste­r befinden sich in der Obhut ihrer Großeltern mütterlich­erseits. Ihr Vater auf der Anklageban­k.

Weitestgeh­end stoisch, hinter einer großen Hornbrille, verfolgt der 40Jährige das Geschehen im Verhandlun­gssaal am Montag vor dem Ulmer Landgerich­t. Ein Häufchen Elend in weißem Sportsweat­er und schwarzen Schuhen mit Klettversc­hluss. Erkennbare Reaktionen, Emotionen: Fehlanzeig­e.

Seine Schwiegerm­utter bricht in Tränen aus, als die Staatsanwä­ltin die Anklage verliest. Danach verlässt sie gemeinsam mit ihrem Mann den Verhandlun­gssaal. Denn die beiden sind auch als Zeugen geladen und die Glaubwürdi­gkeit ihrer Aussagen könnte Risse bekommen, wenn sie vor ihrer Befragung den Prozess verfolgen.

Geständnis gleich zu Beginn

Zur Erleichter­ung wohl aller Prozessbet­eiligten gesteht der Angeklagte gleich zu Beginn, seine Frau an besagtem Abend in Suppingen umgebracht zu haben. Sein Verteidige­r verliest eine längere Stellungna­hme seines Mandanten, in der dieser seine Sicht darlegt und wie es zur Tötung seiner Frau, die sich jedoch scheiden lassen wollte, kam. Von Reue oder Trauer findet sich darin nichts, dafür umso mehr Schilderun­gen, die darlegen sollen, dass er zumindest zu seinen Töchtern bis zum Schluss ein einigermaß­en vernünftig­es Verhältnis habe pflegen wollen. Bis seine Frau ihm die Kinder habe entziehen wollen.

Dieser Umstand sei der Grund dafür gewesen, dass er gegen 18 Uhr am 2. November 2018 mit dem Bus von Laichingen nach Suppingen gefahren sei. „Ich wollte sie zur Rede stellen.“Er habe wissen wollen, warum seine Frau ihm die Kinder nicht mehr habe bringen wollen. Die gemeinsame Wohnung in Suppingen hatte er schon eine Weile nicht mehr betreten, da er erst Anfang September 2018 aus dem Gefängnis entlassen worden war.

Deutlich kommt an mehreren Stellen heraus, dass es zwischen ihm und seiner Frau öfters gekracht hat. Jedoch, so der Angeklagte, der in Russland geboren und aufgewachs­en ist, und dem deshalb eine Dolmetsche­rin zur Seite gestellt wurde, sei die Aggression nicht immer nur von ihm ausgegange­n. Als der vorsitzend­e Richter wissen will, ob er seine Frau geschlagen habe, bejaht der Angeklagte. Aber auch seine Frau habe ihn geschlagen und zwar mit jeglichen Gegenständ­en, die sie in jenen Momenten habe greifen können. Außerdem sei seine Frau oft in Spielhalle­n gewesen, zuletzt in Blaubeuren; für eine Laichinger Spielhalle sei ihr ein Verbot erteilt worden. Seine Frau wiederum habe sich über seinen Alkoholkon­sum aufgeregt. Dieser war so hoch, dass ihm ein Teil seiner Bauchspeic­heldrüse entfernt werden musste. In der Folge erkrankte er an Diabetes.

Unklar ist nach wie vor, in welchem Zustand der 40-Jährige den letzten, verhängnis­vollen Besuch bei seiner Frau in Suppingen angetreten hat. Es habe Zeiten gegeben, da habe er täglich anderthalb bis zwei Flaschen Wodka getrunken. Angewiesen war er auch auf diverse Schmerzmit­tel, außerdem ist die Rede von Methadon, einem Ersatzstof­f für Heroin.

Beide enden tödlich

Vom Aufeinande­rtreffen zwischen ihm und seiner Frau in Suppingen gibt es zwei Versionen. Beide enden tödlich. Mit einem Unterschie­d allerdings, und der könnte bei der Urteilsfin­dung eine entscheide­nde Rolle spielen, dass der Beschuldig­te in seinen Ausführung­en die Tat nicht eiskalt geplant haben will. Auch die Anzahl der Messerstic­he, die er abgegeben hat, weicht in seiner Darstellun­g ab. „So viele waren es nicht“, lässt der Angeklagte wissen.

Laut Staatsanwa­ltschaft, die sich auf das Gutachten der ebenfalls vor Gericht aussagende­n Rechtsmedi­zinerin stützen kann, waren es elf Messerstic­he. Sieben Einstiche im Rücken, drei vorne und an der Seite und ein elfter Messerstic­h, der mitten ins Herz des Opfers ging. Dieser Stich habe zwar nicht unmittelba­r zum Tode geführt, allerdings, so die Rechtsmedi­zinerin, seien die Chancen minimal gewesen, sie nach dieser Verletzung noch zu retten.

Gefunden wurde das Opfer in liegender Position, auf dem Rücken zwischen Wand und Toilette, teils war ihr Körper noch in eine Decke gehüllt, die sich die 30-Jährige zuvor offenbar umgebunden hatte.

Der Erste, der sie in dieser Lage erblickte, war ihr Vater. Mit einem Trennschle­ifer hatte er die nach der Tat von außen abgeschlos­sene WCTüre in den Morgenstun­den des 3. November aufgeflext. Benachrich­tigt worden war der Vater, der in Laichingen lebt, vom Arbeitgebe­r seiner Tochter. Dieser war beunruhigt, weil die Frau nicht zur Arbeit erschienen war. Die Kinder hatte sie schon im Vorfeld, wie immer vor samstäglic­hen Markttagen, an denen sie im Einsatz war, bei ihren Großeltern abgegeben.

Messer hinter einer Sockelleis­te

Gefunden wurde die mutmaßlich­e Tatwaffe, ein Messer aus der Küche des Suppinger Haushalts, erst einige Zeit nach der Tat. Es kam zum Vorschein, als der Vater des Opfers die Küche auszubauen begann. Es war hinter einer Sockelleis­te eines Küchenschr­ankes verborgen. Im Spiel war aber noch ein zweites Messer, ein französisc­hes Steakmesse­r; dieses wurde, eingehüllt in ein weißes Tuch, im Stall neben dem Wohnhaus gefunden. Es gehört der Mutter des Angeklagte­n. Die Staatsanwa­ltschaft wirft dem Mann vor, einige Zeit im unverschlo­ssenen Stall neben dem Wohnhaus gewartet zu haben. Bis er zuschlagen konnte.

Laut Anklage soll sich der Mann über ein Kellerfens­ter an der Front des Hauses Zugang ins Innere verschafft haben. Der Angeklagte widerspric­ht; er sei durch die Haustüre gekommen, er habe ja noch einen passenden Schlüssel gehabt.

Der Angeklagte hat noch zwei weitere Kinder, aus einer vorherigen Beziehung. Kontakt zu ihnen bestehe allerdings keiner mehr. Um die Jahrtausen­dwende kam der 1978 in Sibirien Geborene nach Deutschlan­d (auch das Opfer stammt aus Russland); zunächst lebten er und weitere Teile seiner Familie in Cottbus, kurz darauf der Umzug in den Raum Laichingen. Einem Beruf ist er nie nachgegang­en, die Schule brach er nach der fünften Klasse ab, obwohl in seiner Heimat bis zur achten Klasse Schulpflic­ht besteht. Seinen leiblichen Vater soll er nie kennengele­rnt haben. Aber auch dieser soll seinerseit­s eine spätere Lebensgefä­hrtin umgebracht haben. Nachdem der Vater aus dem Gefängnis kam, sei auch er umgebracht worden.

Zu seiner Frau hat der Angeklagte anscheinen­d ein sehr ambivalent­es Verhältnis. Sie habe ihm gedroht, jemanden zu beauftrage­n, der ihn töten werde. Allerdings sei sie es auch gewesen, die ihn bei einem seiner mehreren missglückt­en Suizidvers­uche gerettet habe; sie habe das Seil der Schlinge durchtrenn­t, als er sich habe erhängen wollen. Sie, die „Liebe meines Lebens“, so der Angeklagte.

Fünf weitere Prozesstag­e folgen,

der nächste am 5. Juli.

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FOTO: RAU Der Angeklagte wird in den Verhandlun­gssaal des Ulmer Landgerich­ts geführt.

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