FDP nimmt das Klimathema auf
Landesparteitag bestätigt Michael Theurer – Nachwuchs kritisiert Europa-Wahlkampf
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HEILBRONN - Die Südwest-FDP hat am Samstag ihre Führungsspitze bestätigt. Beim Parteitag in Heilbronn geht es aber nicht nur um Personal. Die Liberalen suchen nach Wegen, um wieder wahrnehmbarer zu werden – gerade auch bei der Frage des Klimaschutzes. Parteichef Michael Theurer warnte aber davor, sich klimapolitisch auf einen „Irrweg des nationalen Alleingangs“einzulassen. Das führe zur Deindustrialisierung.
Das Votum der rund 400 Delegierten ist eindeutig: Michael Theurer, der den Landesverband seit 2013 führt, wird mit 89,2 Prozent bestätigt – das Ergebnis ist ein Hauch besser als vor zwei Jahren. „Ich bin begeistert und empfinde es als große Motivation“, sagt Theurer danach. Auch seine drei Stellvertreter bleiben im Amt. Hans-Ulrich Rülke, Fraktionschef im Stuttgarter Landtag, bekommt 87,7 Prozent der Stimmen (2017 waren es 84 Prozent), der Bundestagsabgeordnete Pascal Kober 88,4 Prozent (90 Prozent) und die Juristin Gabriele Heise 88,1 Prozent (86 Prozent). Es gab keine Gegenkandidaturen. Spannender wird es bei der Wahl der Beisitzer (siehe Kasten).
In seiner 45-minütigen Rede streichelt Theurer die Seele der Liberalen. Ein klassisches Mittel dafür: gegen den politischen Gegner austeilen. So wirft er der CDU vor, an den Mittelstand lediglich in Sonntagsreden zu denken, denn „sie macht in der Praxis eine wirtschaftsfeindliche Politik“voll Bürokratie und Belastung. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bezeichnet er als „außerordentlich versierten Zeitgeistsurfer“.
Der Zeitgeist wird aktuell bestimmt von Klimaschutzfragen – unter anderem wegen Greta Thunberg und Fridays for Future. All das zahlt auf das Konto der Grünen ein. Die Stimme der Liberalen in dieser öffentlichen Debatte ist leise. „Da ist eine gewisse Ungeduld in der Partei“, sagt Hans-Ulrich Rülke. „Wir müssen wahrnehmbarer werden. Wir haben Konzepte, aber in der politischen Debatte wird man nur dann wahrgenommen, wenn man die Eckpositionen einnimmt.“Die Extrempositionen beim Klimaschutz seien ganz klar von den Grünen auf der einen und der AfD auf der anderen Seite besetzt – wie es schon bei der Debatte um Flüchtlinge der Fall gewesen sei. „Mit einer differenzierten Position der Mitte ist es da schwierig durchzudringen“, meint Rülke.
Differenziert und trotzdem wahrnehmbar sein – diesen Weg sucht die FDP am Samstag. Ein Impuls: Die Delegierten beschließen einen Zehn-Punkte-Plan zur Förderung von Wasserstoff als alternative Antriebsquelle. Darin fordern sie unter anderem, „die einseitige Fixierung auf die batteriebetriebene Elektromobilität zu beenden“und den europäischen Emissionshandel auf alle Bereiche auszuweiten – gerade auch auf den Verkehrssektor. Weil viel mehr Arbeitsplätze an Brennstoffzellen-Technik hingen als an E-Motoren, nutze dies zudem der badenwürttembergischen Wirtschaft.
In seiner Rede schlägt Theurer auch kritische Töne nach innen an – vor allem wegen der Ergebnisse zur Europawahl. „Wir hatten eine Kampagne, die war okay, aber so richtig gezündet hat sie nicht.“Deutlicher wurde Valentin Abel, Chef der Jugendorganisation Junge Liberale (Juli). „Ich bin frustriert von einem Wahlkampf, der mutlos war“, sagt er etwa. Die Liberalen liefen Gefahr, „eine ganze Generation an Jungwählern an die Grünen zu verlieren“. Christian Lindners Zitat, den Klimaschutz doch den Profis zu überlassen, sei Gift gewesen.
Die Zahlen, die Theurer vorstellt, klingen ermutigend: Die Mitgliederbasis sei zuletzt auf 7700 gewachsen, die Liberalen konnten ihre Mandate in Kommunalparlamenten auf 535 nahezu verdoppeln. Juli-Chef Abel lässt das nicht gelten. Die FDP profitiere nicht von den Verlusten bei CDU und SPD. „Angesichts dessen, was die GroKo macht, ist das keine Leistung“, so Abel. „Wir verlieren zunehmend den Klimaschutz aus den Augen.“Beim Bürger komme an, dass das ein Thema ist, das der FDP nicht wichtig sei. Sein Appell: Die Partei müsse sich mehr öffnen, mehr die Mitglieder und deren gute Ideen einbinden – und vor allem jetzt schon auf 2021 hinarbeiten, wenn offiziell die nächsten Landtags- und Bundestagswahlen anstehen.
Einwürfe wie diese kommen beim Landesvorsitzenden an. Er verstehe das „als Handlungsauftrag“für die kommenden zwölf Monate. Vielleicht hat sich der Zeitgeist bis dahin aber auch gewandelt, sagt der Landtagsabgeordnete Jochen Haußmann. Die wirtschaftliche Lage scheint sich einzutrüben, die Auftragsbücher leeren sich. „Zur Landtagswahl werden wirtschaftspolitische Themen wieder mehr im Vordergrund stehen“, sagt Haußmann. Und das komme in der Regel der FDP zugute.